»Für mich ist entscheidend, ob ich Musikern glaube oder nicht«

Der Rapper und Erfolgsproduzent Moses Pelham verrät seine Lieblingssongs – und nennt dabei auch eine Band, die man bei ihm am allerwenigsten erwartet hätte.


Rufus & Chaka Khan: »Ain't Nobody« (1983)

Vielen Leuten fällt es schwer, sich auf ein einziges Lieblingslied festzulegen. Mir nicht: »Ain't Nobody« ist seit 30 Jahren mein Lieblingslied, es hat für mich heute noch genau dieselbe Faszination wie an dem Tag, als ich es zum ersten Mal gehört habe. Bei vielen älteren Produktionen denkt man sich ja, das und das würde man heute anders machen. Bei »Ain't Nobody« überhaupt nicht, da ist alles perfekt. Der Groove, was die einzelnen Musiker spielen, Chaka Khans unglaubliche Stimme - besser geht's nicht. Ich bin kein großer Tänzer, aber zu dem Stück habe auch ich in der Disco immer getanzt. Damals gab es noch einen Haufen anderer Sücke, die ich toll fand, aber »Ain't Nobody« ist das einzige, das überlebt hat und immer noch auf meiner persönlichen Bestenliste steht.

Kraftwerk: »Electric Café« (1986)
Einige werden sich bestimmt wundern, Kraftwerk auf dieser Liste zu finden, schließlich gibt es seit bald zwanzig Jahren einen Rechtsstreit zwischen Kraftwerk und mir. (Anmerkung der Redaktion: Die Band hatte Pelham 1999 verklagt, weil in einem von ihm produzierten Stück ein zweisekündiges, nicht lizenziertes Sample aus einem alten Kraftwerk-Song auftauchte. Der Fall ist bei heute nicht letztinstanzlich entschieden: 2016 wurde er vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt und liegt nun beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.) Klar wünschte ich mir in dieser Sache ein bisschen mehr Verständnis. Aber nur weil die Herrschaften und ich unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wie man in unserer Gesellschaft mit Kunst umzugehen hat, möchte ich mir nicht verbieten, diese Musik zu hören, die mich bis heute total fasziniert und bewegt. Electric Café war das erste Kraftwerk-Album, das ich mir gekauft habe, auf das Stück »Electric Café« habe ich damals zum Spaß sogar selbst gerappt. Der Sound ist einzigartig, die Platte klingt immer noch total frisch - für mich sogar  auch etwas frischer als die Kraftwerk-Klassiker aus den Siebzigern.


Sly & The Family Stone: »Thankful 'N Thoughtful« (1973)

Das Stück ist vom Album Fresh, das sich im Plattenschrank meiner Eltern befand. Mit deren Musik bin ich aufgewachsen, aber natürlich will man spätestens in der Pubertät andere Musik hören als die Eltern - in meinem Fall waren das Kiss. Als ich dann mit 16, 17 angefangen habe zu sampeln, habe ich mir die Platten meiner Eltern wieder genauer angeschaut und überhaupt erst gemerkt, was für Schätze sie haben. »Thankful 'N Thoughtful« ist immer ein Lieblingslied gewesen. Ich mag die Stimmung des Stücks, besonders interessant ist auch der Einsatz der Drum-Rhythm-Machine. Später habe ich dann begriffen, wie innovativ und wegweisend Sly Stone und andere Funk-Musiker für die Musik, die mittlerweile meine eigene wurde, waren - Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger waren die meisten HipHop-Platten ja total voll mit Samples aus dieser Zeit und es war immer schön, auch mal eines wiederzuerkennen.


Michael Sembello: »Maniac« (1983)

Ein sehr mitreißendes, motivierendes Stück. Es verbreitet Aufbruchstimmung, Möglichkeiten liegen in der Luft - das finde ich toll. Weil »Maniac« Michael Sembellos einziger Hit war, wird er gern als One-Hit-Wonder abgestempelt. Dabei hat er als Studiomusiker auf etlichen wichtigen Platten mitgespielt, insbesondere auf mehreren Stevie-Wonder-Alben aus den Siebzigern. Er ist ein Schüler von Stevie Wonder, man hört es vor allem beim Gesang – diese spezielle Art, die Töne rauszudrücken, das versucht er genauso zu machen wie Stevie Wonder!


George Benson: »Give Me The Night« (1980)

Auch wieder eine Platte, die ich bei meinen Eltern gehört habe. Mein Vater war ja selbst Gitarrist, er hat Blues- und Soulmusik gespielt und George Benson war einer seiner Favoriten. »Give Me The Night« ist eine Quincy-Jones-Produktion, geschrieben hat den Song Rod Temperton, von dem auch »Thriller« und ein paar andere Michael-Jackson-Songs stammen. Es ist schwierig zu beschreiben, was diese Produktionen so einzigartig macht. Manche sagen, es läge an der analogen Aufnahmetechnik und diesem oder jenem Pult, mit dem damals gearbeitet wurde, aber das glaube ich nicht. Ich denke, George Benson und Quincy Jones waren damals einfach auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Fähigkeiten. Und gewiss hat auch der Zeitgeist eine Rolle gespielt - etwas lag in der Luft, das rauskommen wollte.


Credibil: »Easy« (2015)

Credibil ist ein junger Frankfurter Rapper. Er kommt aus Bockenheim, das ist der Stadtteil direkt neben Rödelheim, wo ich herkomme. Schon verrückt. Nicht nur ich, sondern auch einige andere, die was von Rap verstehen, halten ihn für die Zukunft des deutschen Rap. Technisch ist er schon ganz weit vorne, wobei das Technische für ihn gar nicht so eine Rolle spielt. Für mich ist entscheidend, dass da einer spricht, der was zu sagen hat, und einfach ohne Gepose aus seinem Leben erzählt. Machmal höre ich eine gewisse jugendliche Naivität, aber dass er keine Hemmungen hat, sich zu äußern, und einfach erzählt, wie er die Welt sieht, finde ich besonders beeindruckend. Ich ordne Musiker nicht nach Genres, für mich ist entscheidend, ob ich ihnen glaube oder nicht. Und Credibil glaube ich jedes Wort.


Tex: »Sie haben die Wahl« (2005)

Tex und ich haben eine gemeinsame Bekannte, über die wir uns vor ein paar Jahren kennengelernt haben. Er ist ein Songwriter, der solo mit der Gitarre auftritt, deshalb war ich überrascht, als er sich als Fan meiner Sachen zu erkennen gab. So kam ich dazu, seine Musik zu hören und war sofort fasziniert. Wie das mit nichts was zu tun hat! Seine Songs sind sehr intelligent, aber nicht klugscheißerisch und das Herz abgestellt - sondern mit so viel Herz! Kurzum: Ich halte Tex für den besten deutschsprachigen Songdichter. Dass er nicht viel bekannter ist, kann ich mir höchstens damit erklären, dass er vielleicht zu gut ist für die breite Masse. Er hat eine Sendung namens TV Noir gemacht, da trafen sich immer zwei oder drei Songwriter in Berlin, haben geredet und zusammen gesungen; zuerst lief es im Internet, später dann im Spartenprogramm des ZDF. »Sie haben die Wahl« ist mein Lieblingslied von ihm, lieber hätte ich hier die Studioversion verlinkt, die gefällt mir noch besser als die Liveversion. Aber die habe ich online leider nicht gefunden.

Foto: Katja Kuhl