Wir müssen leider draußen bleiben

In Städten wie Florenz und Venedig ist der Tourist zur Plage geworden. Er zerstört, was er sehen möchte. Axel Hacke wüsste, wie man das Problem lösen könnte - mit Ideen aus der Flüchtlingspolitik.

Die Uffizien in Florenz, so las ich in der Times, führen ein neues Ticket-System ein: Wer frühmorgens kommt oder im Winter, bezahlt weniger Eintritt als der Mittags- oder Sommergast, eine Maßnahme gegen den »Hit-and-Run-Tourismus« (Direktor Eike Schmidt), dessen Vertretern es nur um das Selfie vor Botticellis Venus geht – und das sind die meisten Besucher, deren Zahl sich binnen weniger Jahre fast verdoppelt hat, auf nun zwei Millionen im Jahr.

In der Tat ist der Tourist vielerorts zur Plage geworden. Er zerstört, was er sehen möchte. Beim Besuch der Mona Lisa im Louvre muss man sich in der Regel mit dem Studium asiatischer Hinterköpfe begnügen. Auf Mallorca stürmten Aktivisten ein Restaurant; sie hielten den Gästen ein Plakat mit der Aufschrift »Der Tourismus tötet Mallorca« entgegen. In Barcelona wurde ein Reisebus gestoppt, seine Reifen zerstochen. In Venedig, entnahm ich dem Corriere del Veneto, klebten im Sommer vergangenen Jahres Flugblätter an den Wänden nahe San Giovanni in Bragora, einer der ältesten Kirchen der Stadt: Tourists go away!!! You are destroying this area!

Wahrscheinlich sind deshalb die Maßnahmen in den Uffizien nur ein erster Schritt. Kürzlich las ich, auf der Internetseite des norwegischen Rundfunks dürfe man Artikel nur kommentieren, wenn man vorher durch Beantwortung eines Fragebogens nachgewiesen habe, dass man den Text verstanden habe. So etwas könnte man sich auch für große Museen vorstellen: Bevor man überhaupt ein Ticket erwerben darf, müsste man den Besuch eines mindestens zweistündigen Seminars über Botticelli nachweisen. Wer den anschließenden Test nicht besteht, kann sich maximal in der Museums-Boutique ein wenig umsehen; bei besonders schlechten Noten könnte es sein, dass er in ein stillgelegtes Ferien-Resort in der Türkei abgeschoben wird.

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Ohnehin sind Grundideen aus der Flüchtlingspolitik zur Lösung des Tourismus-Problems nicht ungeeignet. Wie wäre es mit Hot-Spots am Brenner, in denen italienische Konsularbeamte die Reisenden in echte Kunstinteressierte, Kulturheuchler, Vollbanausen sowie Schlechtwetterflüchtlinge unterscheiden und entsprechende Visa erteilen? Wer flüssig aus Dantes Inferno zitiert, wird in die Toskana durchgelassen, kann jemand hingegen Michelangelo nicht von Leonardo unterscheiden: ab nach Jesolo!

Für Mallorca wäre eine Quoten-Regelung vorstellbar: Wippt einer beim zehnmaligen Vorspielen von Ein Bett im Kornfeld auch nur ein wenig mit den Zehen, darf er höchstens einmal alle zwanzig Jahre auf die Insel und bekommt eine Jahreskarte für das tropische Rutschen-Paradies im Bad Schwürbelbacher Erlebnisbad. Wird er erwischt, wie er sich mit dem Schlauchboot von Marseille aus illegal balearenwärts durchkämpfen will, muss er fünf Jahre lang in den Sommerferien Handtücher, Sonnenbrillen und Glasperlen im Ostharz verkaufen.

Bruno, mein alter Freund, schlägt vor, Menschen dafür zu bezahlen, dass sie die Uffizien, Gesamtflorenz, Rom und auch Venedig nicht betreten. Für ein Jahr Unbesuch gibt es das Postkartenset »Große Maler der Renaissance«, zwei Jahre Abwesenheit werden mit anderthalb Pizza-Gutscheinen in einem beliebigen da Bruno innerhalb der deutschen Grenzen entgolten, drei Jahre mit einem beigefarbenen Seniorenkostüm Modell »Tagesausflug Dresden« belohnt; für lebenslangen Verzicht erhalten die Betreffenden ein leistungsloses Grundgehalt aus Spendenmitteln der UNESCO und einen ausrangierten VW-Diesel für Ausflüge zum nächsten Baggersee. Ansonsten darf das eigene Stadtviertel nicht verlassen werden.

Zuwiderhandlungen werden mit Besichtigung der Innenstadt von Gera nicht unter vier Wochen bestraft.

Illustration: Dirk Schmidt