17 Milliarden her, aber schnell

Unser Kolumnist hat genug von den Steuertricks internationaler Konzerne. Er fordert: Rückt das Geld raus!

Im Spiegel stand ein Interview mit dem Armutsforscher Butterwegge. Er sprach sich gegen die Abschaffung des Solidaritätszuschlages aus. Der Soli, sagte er, sei nicht zweckgebunden, man könne ihn umwidmen und damit warme Mittagessen in Kitas und Schulen sowie die Sanierung von Schwimmbädern finanzieren. Fast die Hälfte der Grundschüler könne nicht richtig schwimmen, weil 2016 mehr als hundert Bäder geschlossen worden seien.

Natürlich ist das naiv. Natürlich wird das nicht geschehen. Müsste es aber auch gar nicht.

Die Steuereinnahmen durch den Soli beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 17 Milliarden Euro. Der Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman hat ausgerechnet, wie viel Geld unserem Staat jährlich durch Steuertricks internationaler Konzerne entgeht. Ergebnis: 17 Milliarden Euro.

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Fast jeder von uns zahlt also 5,5 Prozent Steuern mehr, damit Nike, Apple, Amazon und wie sie alle heißen, nicht so viel zahlen. Wir mussten gemeinsam 17 Milliarden aufbringen, damit diese Firmen auf unseren Straßen ihre Produkte transportieren, die an unseren Schulen ausgebildeten Mitarbeiter einstellen und unser friedliches Land nutzen konnten, um hier Geschäfte zu machen. Wir zahlen einen Zuschlag zu unseren Steuern, und diese Leute zahlen nicht mal Steuern. Wie blöd sind wir?

Ich bin darüber so in Wut geraten, dass ich, wäre ich Verteidigungsminister, auf der Stelle Kanonenboote in Richtung Isle of Man geschickt und Befehl gegeben hätte, den nächstbesten Nike-Store mit bewaffneten Kräften zu besetzen, bis die erste Abschlagszahlung der Konzerne eingetroffen sei.

»Gott sei Dank bist du nicht Verteidigungsminister«, seufzte Paola, meine Frau.

»Es hätte eh keinen Sinn«, sagte ich. »Bei der Bundeswehr funktionieren die Kanonen der Boote nicht und die Gewehre der bewaffneten Kräfte sind auch kaputt, weil es an Geld fehlt, sie instand zu halten.«

»Außerdem sind wir selbst schuld. Wir kaufen Handys und Laufschuhe, benutzen Google, bestellen Zeug. Wir müssten sie boykottieren. Dazu sind wir zu bequem.«

»Das ist nicht unsere Aufgabe!«, sagte ich. »Im Grundgesetz steht, der Gebrauch von Eigentum solle zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Ich verlange, dass man das durchsetzt. Das können wir nicht als Privatleute.«

Um es offen zu sagen: Ich entdecke den Jeremy Corbyn in mir. Ich werde so radikal wie der Labour-Chef in Großbritannien. Ich habe es satt, dass man uns auf der Nase herumtanzt. Wir haben große Teile unserer sozialen Kommunikation an einen Konzern ausgelagert, der nichts groß dabei zu finden scheint, dass auf seinen Seiten zur Gewalt aufgerufen wird und man dort Menschen verunglimpft und bedroht. Es hat Jahre bis zum Versuch gedauert, das einzuschränken.

Wir haben nun zum wiederholten Male gesehen, dass Attentäter oder solche, die es werden wollten, Bestandteile von Sprengstoff bei Amazon orderten. Als Ermittler – das stand auch im Spiegel – testweise eine solche Bestellung aufgaben, bekamen sie vom Algorithmus mehr zum Bombenbau Nützliches vorgeschlagen. (Man stelle sich vor, ein Drogist würde einem, der Chemikalien kauft, zum Erwerb einer Zündschnur raten, die hätten kürzlich ähnliche Kunden auch mitgenommen!)

Und wir haben nun zum x-ten Mal gelesen, welche Verfahren viele solcher Firmen anwenden, um in demokratischen Staaten möglichst keine Steuern zu zahlen.

Man würde gerne mal hören, den Firmen sei das peinlich, sie schämten sich. Man hört nichts. Es ist ihnen nicht peinlich. Sie schämen sich nicht.

Es hat keinen Sinn. Es gibt nur eine Sprache, die sie verstehen. In dieser Sprache muss man ihnen endlich sagen: Wir kriegen 17 Milliarden von euch. Pro Jahr. Sofort.

Ist das naiv? Meinetwegen. Aber es müsste geschehen.

Illustration: Dirk Schmidt