Olympische Augenringe

Super-G-Siegerin Ester Ledecká lässt bei der Pressekonferenz ihre Ski-Brille auf, weil sie kein Make-up trägt. Dabei läge sie damit voll im Trend.

Foto: Luke Phililips/AFP/Getty Images

Dieses Mädchen stellt aber auch alles auf den Kopf. Erst deklassiert die Tschechin Ester Ledecká als gelernte Snowboarderin mal eben die versammelte Ski-Elite als sie in PyeongChang den Super G der Damen gewinnt. Und dann behält sie während der gesamten Pressekonferenz auch noch die Skibrille auf dem Gesicht, mit der Erklärung, sie habe kein Make-up aufgelegt. Was zugegebenermaßen nicht so eine große Sensation wie dieser Super-Dings ist, aber doch ein Schlag ins Gesicht der aufstrebenden No-Make-up-Bewegung.

Denn Frauen wie die Sängerin Alicia Keys treten ja, im Gegenteil, extra ungeschminkt auf, um zu beweisen, dass genau das geht: sich oben ohne in der Öffentlichkeit zeigen. Die deutsche Vogue wie die deutsche Harper's Bazaar erklärten in ihrer Februarausgabe unisono, »natürlich« sei das neue schöne Ding und zeigten eine ungeschminkte Anna Ewers beziehungsweise eine Heidi Klum ohne Schminke auf dem Cover. Wie kann es da sein, dass diese Snowboarderin um die Ecke kommt und sagt: Sorry, ich war auf diesen Moment nicht vorbereitet »so wie die anderen Mädchen.« Ohne einen Superlash-Mascara und den Concealer meines Vertrauens trete ich nicht vor die Presse?

Wo es doch bei Sportlerinnen – wenn nicht noch hier, wo sonst? - mehr um Leistung als ums Aussehen geht. Zumal Ledecká nicht im pechsteinschen Olympia-Alter von 45 Jahren, sondern erst 22 ist. Viel abzudecken dürfte es da nicht geben. Und: Gerade noch starrte die Tschechin sekundenlang ungläubig auf eine Anzeigentafel, jubelte dann los, und jetzt ist sie schon wieder so abgeklärt, dass sie nur noch denkt: »Wie seh ich denn aus!«

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Läuft das jetzt also unter übertriebener Koketterie? Oder ist die Reaktion von Ledecká womöglich gar nicht so unlogisch?

Wer selber Ski fährt und sich an einer Liftstation schon mal versehentlich im Spiegel gesehen hat, lenkt jetzt womöglich ein. Mit Skihelm oder Mütze, die Augenpartie noch ein bisschen eingedrückt von der Skibrille, die Haut von der Höhenluft empfindlich gerötet – man sah schon vorteilhafter aus. Langsam beginnt man zu kapieren: Das Full-Make-up, das viele Frauen auf der Piste tragen, das ist gar nicht für den Aprés Ski, sondern für vor der Piste, mittendrin und dazwischen. Etappenführung für Ledecká.

Und in Wahrheit wird dieser total natürliche Look bei den Models meist von einem Visagisten in nur zehn klitzekleinen Schritten drauf gezaubert, damit es schön natürlich aussieht, statt nur natürlich. Schnell Wimperntusche und ein flüssiges Make-up sparen dagegen wertvolle Sekunden. So ein bisschen guten Eindruck hinterlassen schadet außerdem nicht, wenn man gute Sponsoren haben will - siehe Anna Kurnikova.

Am Freitagnacht MEZ startet Ester Ledecká wieder beim Slalom mit dem Snowboard. Wetten, dass sie vorher ein bisschen Schminke auflegt?

Wird auch getragen von: keinem der anderen Mädchen
Typischer Instagram-Kommentar: »Die dunkle Seite der Macht!«
Passender Song: »Around the world« von Daft Punk, die sieht man ja auch nie oben ohne