»Ich habe das Gefühl, wir werden gerade alle zusammen alt«

In der fünften Folge ihres Coronatagebuchs erzählt Doris Dörrie, warum es Einsamkeit eigentlich erst seit dem 19. Jahrhundert gibt und wieso wir alle gerade in einem Trainingslager fürs hohe Alter stecken.

    Doris Dörrie ist Regisseurin und lebt in München.

    Foto: Brauer Fotos

    Alle Folgen des Coronatagebuchs

    Künstlerinnen, Ärzte, Pfleger, Seelsorgerinnen, Prostituierte: Für das SZ-Magazin schreiben interessante Persönlichkeiten #Coronatagebuch. Alle Folgen finden Sie hier.

    Hilfe! Ich vereinsame. Ich komme mir vor wie in einem Trainingslager fürs hohe Alter, denn Isolation und Einsamkeit kann ich jetzt schon mal üben und mich in all die einfühlen, die jetzt tatsächlich allein sind, ohne Kontakte und ohne Internet. Ich vermisse nicht nur den körperlichen Kontakt, sondern auch die Möglichkeit, meinen eigenen Körper durch die Welt zu tragen, und so klare Anfänge und Enden zu setzen. Ich ging früher, ja so fühlt es sich schon an, aus dem Haus, in die Arbeit, zu einem Treffen, zu einer Einladung, ins Kino, und dann kam ich danach zurück und konnte das Erlebte in einen zeitlichen Ablauf setzen und mich so daran erinnern. Jetzt scheint alles gleichzeitig stattzufinden, all die Zoomkonferenzen und Telefonate und Chats, und ich bin davon seltsam und anders erschöpft. Ich bin ein erschöpftes Gespenst.