»Designer«-Produkt

Gegenstände mit dem Attribut »Designer-« im Namen formulieren eine Reihe von Versprechen. Die Brillen, Uhren, Sofas, Lampen, Pfeffermühlen, die mit diesem Prädikat versehen sind, sollen dem Käufer die Gewissheit geben, dass er ein Produkt erworben hat, das sich vom konventionellen Angebot in mehrfacher Hinsicht abhebt: exklusiv von einem Künstler seines Fachs gestaltet (und nicht Teil der anonymen Standardproduktion), radikal in der Durchführung (und nicht dem kleinsten gemeinsamen Nenner des Massengeschmacks verpflichtet), luxuriös und kostspielig (und nicht für jeden erschwingliches Mittelmaß). »Designer«-Produkte wollen sich zum Rest des Verfügbaren in jeder Hinsicht elitär verhalten. Mit dem Herausstellen der Exklusivität ist aber zumeist ein ästhetisches Problem verbunden: Denn Möbel oder Haushaltsgegenstände, die in Katalogen und Schaufenstern mit jenem Attribut angepriesen werden, zeichnen sich bekanntlich nicht durch künstlerische Vollendung aus, sondern durch ein auf den ersten Blick erkennbares Zuviel an Gestaltungswillen. Mit dem Präfix »Designer-« ist stets ein Übermaß verbunden: das zu Große des Pasta-Tellers, das zu Lange des Messergriffs, das zu Schmale des Brillengestells – eine Manier, die höchstens noch im Stilempfinden von Aspekte-Moderatorinnen oder Vermögensberatern als elegant durchgeht. Fast scheint es ein Gesetz von »Designer«-Gegenständen zu sein, dass sie bemüht wirken, unstimmig, als sei die Abweichung vom Gewöhnlichen ihre einzige Legitimation. Gleichzeitig kann man sicher sein, dass dort, wo die Maßstäbe des Produktdesigns in den letzten Jahrzehnten tatsächlich gesetzt wurden, dieses Attribut nirgendwo mehr auftauchte.Diese Zurückhaltung hat aber weniger mit dem diskreten Charakter der Beteiligten zu tun; sie weist vielmehr auf die ästhetischen Bedingungen des Designs selbst. Denn am negativen Beiklang des Attributs »Designer«- wird eine Grundfrage der Produktgestaltung deutlich: das Problem, wie viel subjektiver Anteil, wie viel Autorschaft aus den Dingen sprechen soll. Sofas mit asymmetrischen Sitzflächen oder Brillen mit einem halben Dutzend ineinander verkreuzten Streben tragen diese Autorschaft deutlich vor sich her; den Dingen sind die Ambitionen des Designers wie Wucherungen aufgepfropft. Allenfalls wirken sie wie formgewordenes Brainstor-ming, dem die Feinarbeit endgültiger Realisierung noch bevorsteht. Ernst zu nehmendes Design dagegen beginnt mit einer Empfindung für das Gleichgewicht zwischen Gestalter und Gestaltetem. Eine merkwürdige Konstellation: Der Schrecken des Attributs »Designer«- hat dafür gesorgt, dass jeder Produktgestalter heute mit dem Bewusstsein an die Arbeit gehen muss, eine Grenze zu wahren, die eigene Prägung des bearbeiteten Materials nicht über Gebühr herauszustellen. Das aktuelle Zauberwort »Einfachheit« ist daher nicht allein als ästhetische Entscheidung zu verstehen, sondern auch als Versuch der Rehabilitation eines Genres. Die »Designer«-Tätigkeit muss einer Korrektur unterworfen werden: Nicht das Hinzugefügte, der Schnörkel, die Verbiegung, die Asymmetrie soll aus ihr sprechen, sondern die Aufgabe, den gestalteten Gegenständen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Vielleicht besteht das Ziel geglückten Produktdesigns tatsächlich darin, sich in der Vollendung des Gegenstandes unsichtbar zu machen, ein solches Maß an Anstrengung in die Gestaltung der Dinge zu investieren, dass diese Anstrengung nirgendwo mehr zu spüren ist. Wie beschädigt der allgemeine Ruf von »Designer«-Produkten jedenfalls ist, lässt sich am besten daran ermessen, dass sich die Bedeutung des Wortes seit einiger Zeit verschoben hat. Im gegenwärtigen Sprachgebrauch ist das Präfix mehr und mehr im übertragenen Sinne gebräuchlich, in Begriffen wie »Designer-Droge«, »Designer-Baby«, »Designer-Food«. Nicht mehr das Individuelle, Luxuriöse soll betont werden, sondern schlicht das Widernatürliche, nicht mehr der Gegensatz zu einem Standard, sondern der Gegensatz zur Natur. Traurige Karriere eines Konzepts: vom Inbegriff des Künstlerischen zum Synonym des Künstlichen.