»Ich rate dazu, so oft es geht, nach sauberer Luft zu suchen«

Im Vergleich zum Herzen kümmern sich die Menschen bemerkenswert wenig um ihre Lunge. »Mehr Liebe für die Lunge« fordert deshalb der Facharzt Kai-Michael Beeh im Interview – und erklärt, wie man die Atemwege pflegt, worauf Stadtmenschen achten müssen bei der Wohnungssuche – und warum ausgerechnet Wein der Lunge guttun kann.

Foto: Getty Images / AlexanderFord

SZ-Magazin: Herr Beeh, warum tut frische Luft so gut?
Kai-Michael Beeh: Wenn man das Fenster aufmacht, aktiviert die kalte Luft bestimmten Reflexe in unseren Gesichtsnerven. Das ist ähnlich, wie wenn Sie sich kaltes Wasser ins Gesicht klatschen. Versuche mit schwer lungenkranken Patienten zeigen: Wenn sie Luftnot hatten, half es, dass sie sich einen kühlenden Ventilator vors Gesicht hielten.  

Aber auch jetzt im Sommer tut die frische warme Luft gut. Ist das der Sauerstoff da draußen, der sich so frisch anfühlt?
Es geht weniger um den Sauerstoff, sondern um das Kohlenstoffdioxid. Wenn Sie lange in einem Raum sitzen, erhöht sich durch Ihre Atmung die CO2-Konzentration in der Luft. Das ist ungefährlich, aber durch die Rückatmung der Luft haben sie etwas mehr CO2 im Blut als üblich. Sie fühlen sich unwohl. Öffnen Sie das Fenster und atmen tief ein, normalisiert sich der Spiegel in Ihrem Blut schlagartig, und es geht Ihnen besser. Hinzu kommt: Wenn Sie am Schreibtisch sitzen, atmen Sie unheimlich flach. Wenn Sie nicht irgendwann tief durchatmen, melden Dehnungsfühler in der Lunge, dass zu wenig Luft ankommt. Deshalb gähnt man, wenn man lange am Schreibtisch sitzt. Atmen Sie an der frischen Luft tief ein, sind die Rezeptoren auch zufriedengestellt. Wobei »frische Luft« ein schwieriger Begriff ist. Gerade in der Stadt sind ja viele Giftstoffe darin enthalten.