Frank Giering

Der Schauspieler wird einer ganzen Generation junger Männer als absoluter Gigant in Erinnerung bleiben.

Viel Schönes und Wahres ist geschrieben worden, nachdem Frank Giering am 23. Juni in Berlin starb. Sogar die Tratschblätter konnten etwas mit dem Namen anfangen, was vermutlich vor allem an den Todesumständen lag, dem Alkohol, der Gallenkolik. 38 Jahre ist dieser Schauspieler, einer der besten seiner Generation, alt geworden. Wie zart er war, daran erinnerten sich Freunde und Kollegen in den Tagen nach der Todesnachricht. Zu zart, waren sich alle einig, zu verletzlich. Dabei sind die Bilder, die sich besonders tief eingebrannt haben, ganz anders. Das hier zum Beispiel: Drei junge Kerle kommen frühmorgens an eine Fastfood-Theke, Giering in der Mitte. Die Bedienung lächelt. Er nickt: »Einmal alles.« Oder die Szene auf dem Plattenbaubalkon, die in ein paar Sätzen und Gesten die ganze Tragikomik von Männerfreundschaften auf den Punkt bringt.

Da sitzt Floyd (Giering) neben seinen Kumpels Ricco und Walter beim Bier und verkündet, dass seine Bewährungsstrafe - für was auch immer - gerade abgelaufen sei. »Und jetzt?«, fragen die Jungs. »Jetzt verlasse ich euch«, sagt Floyd. »Ich muss irgendwohin, wo ich wirklich hingehöre. Ich weiß noch nicht, wo das ist, aber ich werd’s finden. Und da bleib ich dann.« Er hat auf einem Containerschiff angeheuert. Abfahrt: am nächsten Morgen um zehn. Ricco und Walter starren erst vom Balkon, dann fangen sie an, Floyd anzubrüllen, das treulose Arschloch. Später, als sich alle wieder etwas beruhigt haben, ziehen die Freunde ein letztes Mal zusammen los - und erleben die wildeste, traurigste und beste Nacht ihres Lebens.
Absolute Giganten heißt dieses kleine Regiedebüt von Sebastian Schipper, das wahrscheinlich kaum noch ein Zwanzigjähriger kennt, was schade ist, weil es für Zwanzigjährige bis heute eigentlich keinen besseren Film gibt. Es geht um wahre Freundschaft, um Treue und Abschied, Mädchen und Mut. Alles immer ein bisschen zu dick und zu laut, aber mit viel Herz. Damals, 1999, kurz nachdem der Film rausgekommen war, soll es sogar Zwanzigjährige gegeben haben, die ihn fast auswendig kannten. Das lag an den guten Sprüchen, an dem ganzen unrasierten Jungmännerkitsch, vor allem lag es an Floyd.

Frank Giering hat in seinem kurzen Leben viele Filme gedreht, gute (Baader) und blöde (Anatomie 2). Absolute Giganten ist sein Film. Hier bricht er auf; wohin, wusste keiner, er wohl auch nicht. Wer weiß, wo dieser Kerl hätte landen können, wenn die kleinen Dinge, die am Ende entscheiden, wie das große Ganze ausgeht, anders gelaufen wären. Aber so, wie er im Film am Ende am Hafen steht, verkatert, melancholisch und entschlossen zugleich, in diesen schrecklichen, fleckigen Jeans: So wird er bleiben.

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Foto: Julia von Vietinghoff