W - Weizenmehl

Paris ohne Baguette ist wie Wiesn ohne Brezn – es gibt Momente im Leben, die ohne feines Weizenmehl kaum vorstellbar sind. Für die Backeigenschaften ist der Gehalt an wasserunlöslichem Eiweiß im Weizenkorn entscheidend, aus diesen Proteinen bildet sich beim Kneten ein elastisches Netz, das Gluten oder Klebereiweiß. Sobald Sie genug Kleber geknetet haben, klebt der Teig mehr nach innen als nach außen, er bekommt eine seidig-glatte Oberfläche. Das Klebergerüst hält Luftblasen im Teig, erstarrt beim Backen und gibt so dem Backwerk seine Struktur. Anton Vogler, Müller aus Zusmarshausen, erklärt uns die Feinheiten: Weizenproteine liegen in den Randschichten des Getreidekorns. Hoch ausgemahlene Mehle, die vor allem aus dem inneren Mehlkörper bestehen, sind deshalb kleberarm. Weizenmehl der Type 405 enthält ein Viertel weniger Eiweiß als Mehle der Typen 550 oder 630 – Mehle, die Bäcker verwenden.
Neben der Mehltype schwankt der Klebergehalt auch mit der Weizensorte: Sehr ertragreiche Sorten sind eiweißarm – billige Mehle bilden weniger Kleber als teure Mehle. Ein starkes Klebergerüst sorgt für ein großes Teigvolumen und stabile Hefeteige, die sich auch von automatisierten Bäckereimaschinen gut verarbeiten lassen. Für Biskuitteige ist ein kleberarmes – billiges – Mehl besser geeignet, weil die Teigstruktur zart sein soll. Oft geben wir sogar noch Stärke mit in den Teig, um die Kleberbildung zu vermindern. Französische Bäcker verwenden kleberarme Mehle für ihr Baguette, weil ihnen eine zarte Brotkrume wichtiger ist als ein möglichst großes Volumen.
Eile ist der größte Feind guter Hefeteige. Einige Bäcker haben deshalb den Verein Slow Baking gegründet, mit dem Ziel, das Bäckerhandwerk vor der Industrialisierung zu retten. Auf www.slowbaking.de finden Sie langsame Bäcker in Ihrer Nähe. Wenn ein Hefeteig nur 10 bis 20 Gramm Hefe pro Kilogramm Mehl enthält und an einem kühlen Ort, vielleicht sogar im Kühlschrank mehrere Stunden oder über Nacht langsam geht, dann kann die Stärke langsam quellen und dabei Feuchtigkeit gut binden. Das fertige Gebäck bleibt frisch und saftig. Während der Teig geht, beginnen Milchsäurebakterien und Enzyme die Stärke zu zerlegen, der Teig bekommt ein zartes Aroma. Halbieren Sie die Hefemenge und verdoppeln Sie die Zeit bei allen Hefeteigrezepten, die Sie finden!

FLADENBROT VOGLERMÜHLE 500 g Weizenmehl (Typ 550) mit 1/4 Hefewürfel, 300 ml kaltem Wasser und 1,5 TL Salz verkneten, bis der Teig nicht mehr klebt. Den Teig zu einer Kugel formen, mit Mehl bestäuben, zudecken. An einem kühlen Platz 8 Stunden gehen lassen; wenn der Teig ein paar Stunden »übergeht«, schadet es nicht. Den Ofen auf 240 Grad vorheizen (ohne Umluft). Ein Backblech mit Olivenöl bestreichen und mit Mehl bestäuben. Den Teig auf das Blech schieben, etwas auseinanderziehen. Mit 200 g halbierten Kirschtomaten belegen, mit Rosmarin und grobem Salz bestreuen und mit 2–3 EL Olivenöl beträufeln. 18 Minuten goldbraun backen. Warm auf eine Grillparty mitnehmen.