"Ich habe kein besonderes Gespür für Mode"

Karoline Herfurth gibt hier ausnahmsweise das Model. Dabei mag es die Schauspielerin jenseits der Kamera sonst eigentlich eher uninszeniert. Und das gilt auch für ihre Kleidung. Ein Gespräch über Wollmäntel, Catsuits und die ewige Suche nach dem eigenen Stil.

SZ Magazin: Frau Herfurth, Sie haben gerade in Berlin zwei Tage lang für uns gemodelt und die unterschiedlichste Mode getragen – vom minimalistischen Jil-Sander-Kleid bis zu Tüllroben von Oscar de la Renta. Haben Sie solche Stücke auch in Ihrem Kleiderschrank?
Karoline Herfurth: Nein, ich liebe Mode zwar, aber ich fürchte, ich habe kein besonderes Gespür für sie. Ich beneide Menschen, die wissen, wie man etwas kombiniert, damit es spektakulär aussieht. Privat ziehe ich mich allerdings lieber normal an. Fallen Schauspieler nicht gern auf?
Ich privat nicht. Wenn ich drehe oder über den roten Teppich gehe, trage ich oft genug auffällige Kleider.

Was ist Ihr Lieblingskleidungsstück?

Im Moment ein weißer Wollmantel. Ich bin glücklich, dass es diesen Sommer so oft kalt war, ich habe wirklich jeden kühleren Tag genutzt, um ihn anzuziehen.

Wie würden Sie Ihren Modestil beschreiben?
Unterschiedlich. Manchmal trage ich gern einfache Cargo-Hosen. Aber ich liebe auch Kleider, die mit der Linie spielen: Ballonröcke zum Beispiel. Und mir gefällt der »FranzösinnenLook« von Jean Seberg: schlichte Schnitte, Schiebermütze – mein Stil ist noch unentschieden, vielleicht bleibt das auch so.

Meistgelesen diese Woche:

Haben Sie sich in der Rolle des Models für dieses Heft wohl gefühlt?
Sehr. Ich kann viel mutiger sein als beim Film. Regisseure suchen meist einen bestimmten Typ – für Modestrecken wird man dagegen zu einem Typ gemacht. Da habe ich die Chance, viele Gesichter zu zeigen – das Hippiemädchen, die verstoßene Adelstochter, die griechische Göttin.

Das klingt, als könnten Sie sich beim Film nicht genug ausleben?
Es ist manchmal schwer, die Möglichkeit zu bekommen, unterschiedliche Gesichter zu zeigen. Ich habe das Mirabellenmädchen in Das Parfum oder die Ballerina in Im Winter ein Jahr gespielt. Beides waren zerbrechliche Frauen.

Und, sind Sie zerbrechlich?
Sicher auch, ja. Aber das heißt nicht, dass ich keine harten Rollen spielen kann. Ich bin Schauspielerin, um zu zeigen, wie wandelbar ich bin! Wenn ich mir etwas wünsche, dann Regisseure, die neue Gesichter aus mir herauslocken wollen.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite, in welche Rollen Karoline Herfurth gern mal nur wegen der Kleider schlüpfen würde.)

In welche Rollen würden Sie gern mal nur wegen der Kleider schlüpfen? Historische Filme sind toll: Ich habe zum Beispiel die Kleider geliebt, die ich in Mein Name ist Bach tragen durfte. Der Film erzählt eine Episode aus Johann Sebastian Bachs Leben und Vivienne Westwood hat dafür unglaubliche Barockkleider entworfen, mit Mieder, Spitze, Glockenröcken. Ich möchte mal einen Catsuit in einem Actionfilm tragen oder ein kaputtes Mädchen spielen, das raucht, fettige Haare hat und zerrissene Strumpfhosen trägt – so wie Christiane F., aber vielleicht ohne Drogen. Und eine Femme fatale …

Das sind viele Traumrollen.

Ich weiß. Solche Mode-Fotos sind Gold Wert. Mit Ihnen kann ich Regisseuren die unterschiedlichsten Rollen zeigen, in die ich gern mal schlüpfen würde. Damit sie sehen, wie unterschiedlich ich sein kann.

Was unterschiedet einen Dreh von Fotoaufnahmen?
Die Emotionen werden ganz anders eingefangen, es gibt keinen Text, keine Bewegung. Ich muss einen Ausdruck, ein Gefühl über einen längeren Zeitraum statisch halten können.

In Ihrem neuen Film Berlin 36 spielen Sie die jüdische Hochspringerin Gretel Bergmann, die bei den Olympischen Spielen 1936 von den Nazis ausgebootet werden soll – eine wahre Geschichte. Wie hoch springen Sie? Mein Rekord war 1,30 Meter. Gretel Bergmann sprang 1,60 – damals ist man noch Schersprung gesprungen, frontal mit aufgerichtetem Oberkörper über die Stange. Das ist gar nicht leicht, ich bin ja nur 1,64 groß.

Gretel Bergmann ist inzwischen 95 Jahre alt und lebt in New York. Haben Sie sie kennengelernt?
Als wir fertig gedreht hatten, habe ich sie besucht. Es ist seltsam, einem Menschen gegenüberzutreten, mit dem man sich so viel beschäftigt hat – und den man sich dann erlaubt hat zu interpretieren. Das erste Mal in meinem Leben habe ich mich geschämt, Deutsche zu sein – ich komme aus dem Land, das ihr Leben zerstört hat, dessen Sprache sie sich weigert zu sprechen, und sage: »Hallo, wir haben einen Film über Ihr Schicksal gemacht, das wir selber angerichtet haben.« Aber sie hat mich unglaublich herzlich empfangen.

Haben Sie noch Kontakt?
Ja, wir schreiben uns E-Mails und erzählen uns gegenseitig, wie das Leben läuft. Ich finde es beeindruckend, dass sie in ihrem Alter noch die Herausforderung annimmt, einen Computer zu bewältigen und E-Mails zu schreiben.

Man nennt Sie "Die Hoffnung des deutschen Films". Gefällt Ihnen diese Rolle?
Das schmeichelt mir natürlich. Aber es klingt, als müsste man den deutschen Film retten. Das glaube ich nicht. Der deutsche Film ist toll und er wäre es auch ohne mich.

Am ersten Tag der Fotoaufnahmen fuhr das gesamte Team mit der Schauspielerin Karoline Herfurth aufs Land. Redakteurin Christine Zerwes versorgte dort Fotograf, Model und Stylisten mit etlichen Sprühdosen Autan gegen die aggressiven Mücken. Die Modeproduktion fand statt am 24. Juli bei Boitzenburg in der Uckermark und am 25. Juli im Studio in Berlin.

Fotos: Markus Gaab; Styling: Sarah Cobb; Requisite-Styling / Set Design: Christiane Bördner; Haare: Acacio da Silva/Close up, Hamburg; Make-up: Miriam Jacks; Digital Operator: Henriette Primus; Digital Retouching: Henriette Primus / Agentur-E; Produktion + Location: Claas Cropp (Claas Cropp Creative Productions); Equipment: Delight Rental Service. Redaktionelle Mitarbeit: Aicha Reguieg, Moritz Pontani

Markus Gaab (Fotos)