Eine Frage des (Ver)Trauens

Neuerdings verbieten Hochzeitspaare ihren Gästen, Bilder und Videos vom Fest ins Internet zu stellen. Das verspricht nichts Gutes für die Ehe.

Jede Hochzeit hat eigene Regeln, und alle sagen sie etwas über das Brautpaar aus. Manche sind vernünftig (In der Kirche keine Blumen streuen, macht den Muschelkalkboden fleckig), andere feige (Bitte keine Powerpoint-Vorträge über den ersten Schultag der Braut). Oder sie zeigen, wie wenig die Gastgeber ihren Gästen zutrauen: Bitte tragt Abendgarderobe. Denkt das Brautpaar wirklich, die Gäste kämen sonst in Jeans und T-Shirt?

Bei der Hochzeit eines ehemaligen Kommilitonen aus Amerika wurde ich neulich zum ersten Mal mit folgender Regel konfrontiert: »Das Brautpaar bittet darum, bei seiner Hochzeit auf Social Media zu verzichten.« Weder Fotos auf Facebook noch Videos auf YouTube oder Twittermeldungen sollten die weißen Tauben bezeugen, die nach der Kirche in den Himmel flogen, und bitte, keine digitalen Kommentare über das schulterfreie Kleid der Braut oder die Rührungstränen über die von Arbeitskollegen umgedichtete Version von When A Man Loves A Woman.

Es war eine dieser Hochzeiten, bei der ich mich gewundert habe, warum ich überhaupt eingeladen war, hatte ich doch den Bräutigam seit Jahren nicht gesehen und die Braut überhaupt noch nie. Also puzzelte ich mir den Charakter des Paars anhand seiner Hochzeit zusammen. Mein Eindruck: Das Verbot von Social Media bei der Hochzeit lässt tief in die Gedankenwelt des Brautpaars blicken. Es zeugt von Angst, Misstrauen und Kontrollwahn. Nicht unbedingt Zeichen einer glücklichen Beziehung. Wer seiner Hochzeit eine Gebrauchsanweisung beilegen muss, verschickt wahrscheinlich auch vor einem gemeinsamen Picknick detaillierte Listen über mitzubringende Speisen an die Freunde. Im Imperativ. Drei Wochen vorher.

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Nun ist eine Hochzeit ja generell ein Fest, bei dem Paare schnell zu verbohrten Perfektionisten werden: Alles muss sein wie im Brautmodekatalog, alles braucht Regeln. Und doch hat es etwas Größenwahnsinniges, wenn Paare die eigene Hochzeitsfeier medial reglementieren wie einen G-8-Gipfel und nur die Bilder ihres offiziellen Hochzeitsfotografen in der Öffentlichkeit sehen wollen. Mein Studienfreund hatte schon früher einen Hang zum Kontrollzwang; es scheint in den letzten Jahren nicht besser geworden zu sein. Gibt es eigentlich Glückwunschkarten mit der Aufschrift: »Locker bleiben, es ist nur eine Hochzeit«?

Tanzpannen bei Youtube

Dabei kann ich ja verstehen, dass nicht jeder alles von sich im Internet preisgeben will. Ich selbst bin nur mit Pseudonym bei Face-book. Aber ich habe immer noch das Gefühl, selbst steuern zu können, was man dort über mich erfahren kann. Und zwar ohne meinem Umfeld vorzuschreiben, wer was in welchem Rahmen fotografieren oder twittern darf. Wenn zwei Menschen optimistisch genug sind, einander lebenslange Treue zu versprechen, sollten sie darüber hinwegsehen können, wenn Zeugnisse davon auch Jahre später noch gegoogelt werden können. Auch nach der Erkenntnis, dass Kutschen in der Realität nicht so toll wirken wie im Fernsehen bei Schwedens Kronprinzessin Victoria. Und überhaupt: Wer genau soll sich für Bilder von der Hochzeit meiner Bekannten interessieren? Ihre wahnsinnig stilsicheren (aber nicht eingeladenen) Nachbarn, die später über den Stil der Feier spotten könnten? Sich um deren Urteil überhaupt zu scheren, zeugt von ziemlicher Unsouveränität. Denn wer nicht eingeladen ist, hat auch nichts zu sagen.

Dabei liegt das Problem aus Sicht des Brautpaars aber ja gerade bei den Eingeladenen, und das ist das Traurigste am Social-Media-Verbot. Es geht letztlich um die Angst vor der Niedertracht der eigenen Freunde: Wenn sich die Brautleute noch nicht mal darauf verlassen können, dass die wirklich peinlichen Szenen der eigenen Hochzeit (Tanzpannen, Trinkspiele, Flirtonkels) auch ohne Absprache niemals bei YouTube landen, haben sie eindeutig die falschen Leute eingeladen. Von Freunden, denen man überhaupt erst explizit verbieten muss, ihre Aufnahmen der torkelnden Braut ins Netz zu stellen, kann auch nach der Hochzeit wenig Gutes erwarten. Bei der ersten Ehekrise hinterlassen sie dann vermutlich eher gehässige Kommentare auf der Facebook-Pinnwand des Bräutigams, als sich geduldig die Sorgen des Brautpaars anzuhören. Und solche Freunde braucht nun wirklich niemand, weder bei der Hochzeit noch im Internet.

Foto: Getty