Wer sich einen Überblick über das Leistungsspektrum der Kosmetikindustrie verschaffen möchte, geht am besten samstags in eine deutsche Fußgängerzone und schaut den 15-Jährigen ins Gesicht, wie sie da Arm in Arm die Straße aufrollen, zu zweit oder zu viert, in jedem Fall aber alle gleich geschminkt, nämlich: zu sehr. Was die Mädchen als echtes Kompliment empfänden.
Denn es geht nicht darum, sich mit hohem Aufwand auf natürlich zu schminken, wie das spätestens ab 30 mühevolle Pflicht ist, sondern im Gegenteil alles draufzuhauen, was der Badezimmerschrank hergibt. Unter den dünn gezupften Brauen ein Meisterwerk an Chiaroscuro-Malerei aus vier verschiedenen Lidschatten-Nuancen. Flüssiger Eyeliner, glitzernd. Falsche Wimpern, doppellagig. Rouge mit Perlmutt-Effekt. Lipgloss in einem Neonreklame-Ton.
Früher hätte man zu so einem Look »Kriegsbemalung« gesagt. Früher war man eine Schlampe, wenn man sich zu auffällig schminkte. Heute ist man es, wenn man es lässt. Denn es bedeutet: Man hat sich nicht genügend Mühe gegeben. Kim Debkowski, die es in der letzten Staffel von Deutschland sucht den Superstar vor allem dank ihres Make-ups unter die letzten Vier brachte, erzählte, sie stehe um fünf auf, »ich brauche vor der Schule zwei Stunden, um mich fertig zu machen«. Ihr beim Schminken zuzusehen war, als würde man einen Ritter beim Anlegen der Rüstung beobachten. Sie klappte sich ein Visier aus Farbe vor das Gesicht, jede Schicht machte sie ein bisschen unverwundbarer.
Redaktion: Christine Zerwes, Haare: Acacio Da Silva, Make-up: Georgina Graham/CLM mit Produkten von MAC
Fotos: Olaf Wipperfürth / wibagency.com