Das Beste aus aller Welt

Diese Woche schreibt Axel Hacke darüber, wie er ungeplant in den Besitz von zwanzig Zollstöcken gekommen ist und warum ein Leben als Kolumnist immer noch besser ist, als ein Dasein auf einem fernen Planeten.

Bruno, mein alter Freund, erzählt, er habe als Schüler im Englischunterricht einen Aufsatz über die Frage schreiben müssen, wie man den Absatz von Kartoffelschülern …
Entschuldigung, habe ich »Kartoffelschüler« geschrieben? Ich meine natürlich »Kartoffelschäler«. Also, der Aufsatz sollte sich mit der Frage beschäftigen, wie man mehr Kartoffelschäler (engl.: potato peeler) verkaufen könnte.

Den besten Text, sagt Bruno, habe ein Mitschüler verfasst, der den Vorschlag machte, Kartoffelschäler in reizvollen, bunten Verpackungen zu verkaufen, die Geräte selbst aber unauffällig braungelb-kartoffelfarben zu gestalten, sodass sie, nach dem Kartoffelschälen in den Kartoffelschalen liegend, kaum auffielen. Es werde dann oft geschehen, so schrieb der beste Kartoffelschäleraufsatzverfasser (engl.: potato peeler essay author), dass die Menschen ihre gut getarnten Kartoffelschäler in den Kartoffelschalenhaufen vergäßen, sie mit ihnen in den Müll würfen und sich deshalb neue Kartoffelschäler kaufen müssten, was sie nicht als schlimm empfänden, weil sie gern zu den buntschönen Verpackungen griffen.

Mir geht es ähnlich mit Zollstöcken. Einen Zollstock benötigt man immer mal. Paola, meine Frau, wünscht sich einen neuen Wohnzimmerteppich, also vermesse ich den Platz für den Teppich mit einem Zollstock, lege ihn danach beiseite – und vergesse ihn im Regal. Eine Woche später brauche ich einen Zollstock, um die Breite eines Tischs im Zimmer der kleinen Sophie zu ermitteln, finde den alten Zollstock nicht mehr, weil ich längst vergessen habe, wo ich ihn ablegte. Und muss einen neuen kaufen. Auf diese Weise bin ich Besitzer von etwa zwanzig Zollstöcken geworden, alle unauffindbar in der Wohnung verteilt, na ja, unauffindbar: Gelegentlich entdecke ich einen in der Kommode unter Pullovern. Und frage mich, warum ich nicht Kartoffelschälerfabrikant oder Zollstockmogul geworden bin, das Leben wäre – ach …

Meistgelesen diese Woche:

Im Weltall, wo sich vieles verbirgt und noch mehr unentdeckt bleibt, hat man kürzlich einen Planeten namens Gliese 581g aufgefunden, der um einen Stern im Sternbild Waage kreist. Auf diesem Planeten könnte es, meinen Astronomen, Wasser geben, also Leben. Gliese 581g ist etwas größer als die Erde, aber er hat eine drei- bis viermal so große Masse und daher eine höhere Anziehungskraft. Wenn dort Wesen leben, müssen sie entweder sehr muskulös sein, oder sie bewegen sich sehr langsam, oder sie kriechen wie Schlangen am Boden.

Während Gliese 581g um seine Sonne kreist, wendet er ihr immer dieselbe Seite zu, das heißt, auf einer Hälfte ist es immer Nacht, auf der anderen immer Tag, was bedeutet, dass die eine Seite total vereist ist und auf der anderen Seite schwerste Stürme toben; außerdem gibt es dort, heißt es seitens der Astronomen, dauernd Vulkanausbrüche und Erdbeben. So richtig bewohnbar sei, sagen die Fachleute, Gliese 581g nur in einem schmalen Streifen zwischen den beiden gegensätzlichen Zonen, einem Ring um den Planeten herum, in dem immerwährendes Abendlicht herrscht, wo die Wiesen schwarz sind und die Wälder purpurrot leuchten wie bei Trakl (»Das leise Rauschen roter Platanen«) – ein expressionistischer Planet!

Also, was leben da für Leute? Riesige Schlangen mit großen, dämmerungsgewohnten Augen, heller Haut und windzerzausten Haaren, die alle entlang der einzigen Straße wohnen, die den Planeten umkreist und auf der sehr langsame Autoschlangen kriechen. Immer müssen sie Angst haben, bei einem Schlängeln nach links zu erfrieren oder bei einem Ausrutscher nach rechts von einem Sturm erfasst zu werden. Würden sie uns besuchen, so müssten sie große Sonnenbrillen tragen und viel Sonnencreme auftragen, aber sie könnten leicht wie Federbälle herumhüpfen, die Schlangen.

Doch sie werden uns nicht besuchen, denn Gliese ist 20 Lichtjahre entfernt. Rätsel des Weltalls. Wird man einmal einen zollstockförmigen Planeten entdecken, den der Herr hinter einem Sonnensystem vergessen hat, bei der Vermessung der Welt?

Illustration: Dirk Schmidt