Der Gesalbte des Herrn

Niemand ist den Widrigkeiten des Lebens besser gewachsen als Silvio Berlusconi. Im Ernst: Von diesem Mann können wir nur lernen. Ein Leitfaden für Beruf, Gesellschaft und Freizeit.

1. Beruf und Karriere

Ein Kollege kritisiert mich öffentlich für meinen Lebenswandel. Wie soll ich reagieren?
Bleiben Sie locker. In US-Dokumenten, die Wikileaks veröffentlicht hat, wird Berlusconi als »inkompetent« und »aufgeblasen« beschrieben, auch habe er einen Hang zu »wilden Partys«. Über diese Einschätzung hat der Premier nach Angaben aus seinem Umfeld »gut gelacht«. (Zitiert in »Corriere della Sera«, November 2010)

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Und wenn ein Kritiker hartnäckig bleibt?
Dann schlagen Sie zurück. Auch Ihr Kollege hat eine Schwachstelle. Als der SPD-Politiker Martin Schulz Berlusconi kritisiert, kontert der: »Herr Schulz, ich weiß, dass in Italien derzeit ein Produzent einen Film über Nazi-Konzentrationslager dreht. Ich würde Sie für die Rolle des Kapo vorschlagen. Sie wären perfekt.« (Zitiert im »Spiegel«, Juli 2003)

Darf ich an Weihnachten Geschenke von Geschäftspartnern annehmen?
Natürlich, Sie finden bestimmt Verwendung dafür. Die Liebesnächte, die Berlusconi angeblich mit der Prostituierten Patrizia D’Addario verbringt, finden in einem Bett statt, das er vom russischen Staatschef Wladimir Putin geschenkt bekommen hat. (»L’espresso«, Juli 2009)

Man sagt mir einen patriarchalischen Stil nach. Wie kann ich das Gegenteil beweisen?
Treffen Sie eine Personalentscheidung mit Signalwirkung. Berlusconi beruft zum Beispiel Mara Carfagna in sein Kabinett, ein ehemaliges Showgirl und Kalender-Nacktmodell, und macht sie zur Ministerin für Gleichberechtigung. (Bekannt gegeben 2008)

Ich habe manchmal das Gefühl, ich stehe kurz vor dem Burn-out. Was tun?
Ändern Sie Ihre Arbeitsbedingungen. Als gegen Berlusconi mehrere Bilanzfälschungsverfahren laufen, entschärft er kurzerhand die entsprechenden Gesetze. Danach wird er freigesprochen oder die Anschuldigungen gelten als verjährt. (Beschlossen im Jahr 2002)

Kunst der freien Rede

2. Kunst der freien Rede


Bei einer Ansprache vor Kollegen möchte ich den Vorstandsvorsitzenden positiv erwähnen, aber nicht devot erscheinen. Was tun?

Suchen Sie nach Formulierungen, die zugleich Bewunderung und milde Ironie zum Ausdruck bringen. Sagen Sie zum Beispiel über einen dunkelhäutigen Chef, er sei »ein gut gebräunter Mann«. (Berlusconi über Barack Obama laut AFP, November 2008)

Wie stelle ich mit einfachen Worten einen Bezug zu meinen Zuhörern her?
Bauen Sie eine Brücke der Heiterkeit. Vor der italienischen Bischofskonferenz erzählt Berlusconi etwa den Witz, wie Jesus zu spät zu Gott zurückkehrt, weil man auf der Erde die Todesstrafe abgeschafft hat. (Zitiert im »Handelsblatt«, Juli 2010)

Mein Beruf bringt es mit sich, dass ich oft zu förmlichen Meetings muss. Wie kann ich dort für Auflockerung sorgen?
Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl. Berlusconi hebt bei einem Gruppenfoto während des EU-Gipfels 2002 hinter dem Kopf des spanischen Außenministers Josep Piqué zwei Finger und macht die in südlichen Ländern gebräuchliche Geste für einen betrogenen Ehemann. (Februar 2002)

Darf ich im Gespräch mit Kollegen auf eigene Leistungen hinweisen?

Immer. Ihr Gesprächspartner darf ruhig wissen, mit wem er es zu tun hat. Als Berlusconi sich 2003 vor Gericht wegen Korruption verantworten muss, sagt er zum Vorsitzenden: »Vor dem Gesetz sind alle Bürger gleich, aber ich bin gleicher.« (Zitiert in »La Repubblica«, Oktober 2009)

Darf ich auch auf besondere Qualifikationen hinweisen, die mich auszeichnen?
Selbstverständlich. Berlusconi erklärt 2004: »Keiner meiner Minister ist so gut bestückt wie ich.« (Zitiert im »Tages-Anzeiger«, April 2006)

Nächstenliebe

3. Nächstenliebe

Wie kann ich im Alltag Gutes tun?
Schaffen Sie anderen eine angenehme Umgebung. Berlusconi schickt Schönheitsköniginnen und Filmsternchen ins Europaparlament – und sagt: »Jetzt gibt es dort endlich Leute, die gut angezogen sind und nicht stinken.« (Zitiert im »Daily Telegraph«, April 2009)

Wie kann ich junge Menschen unterstützen, die in Schwierigkeiten geraten sind?
Nutzen Sie Ihre Beziehungen. Ein Beispiel: Als die 17-jährige Marokkanerin Ruby Rubacuore, die Berlusconi von zahlreichen Privatfesten kennt, beim Diebstahl erwischt wird, lässt sich der Premier zum Polizeichef von Mailand durchstellen und sagt ihm, sie sei eine Verwandte des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak. Die angebliche Nichte berichtet später von Sexspielen, die im Umfeld des Premiers unter dem Namen »Bunga-Bunga« laufen sollen. (»SZ«, Oktober 2010)

Ein alter Freund gerät immer wieder in Schwierigkeiten. Ich fühle mich verantwortlich, will ihn aber nicht bevormunden. Wie kann ich ihm dennoch helfen?
Besorgen Sie ihm Arbeit. Als Aldo Brancher, ein alter Freund und Partner von Berlusconi, im Frühjahr 2010 wegen Hehlerei und Unterschlagung angeklagt wird, macht ihn Berlusconi zum Minister. Zunächst wird der Posten »Minister für die Anwendung des Föderalismus« ohne Budget oder Mitarbeiter geschaffen, nach Protest aus der eigenen Koalition dann der Titel »Minister der Dezentralisierung«. (Bekannt gegeben im Juli 2010)

Und was tue ich, wenn meine gute Tat bei Dritten schlecht ankommt?
Korrigieren Sie Ihre Entscheidung ohne falsche Sentimentalität. Nachdem der öffentliche Protest zu groß wird, entzieht Berlusconi seinem Freund Brancher das Amt wieder. Der Mann war 18 Tage lang Minister. (Bekannt gegeben im Juli 2010)

Im Gespräch

4. Im Gespräch

Ich tue mich schwer mit Small Talk. Worüber könnte ich reden, wenn ich auf einem Empfang bin?
Versuchen Sie es mit Geschichte, historische Themen finden immer Interesse. Berlusconi etwa sagt in einer Fernsehtalkshow: »Nur Napoleon hat mehr erreicht als ich. Aber ich bin definitiv größer.« (Zitiert von der Agentur ANSA, Februar 2006.) Denkbar sind auch Thesen wie diese: »Mussolini hat nie jemanden getötet. Mussolini schickte Menschen in Lager, in den Urlaub.« (Interview in »The Spectator«, September 2003.) Alternativ: »Lesen Sie im Schwarzbuch des Kommunismus und Sie werden sehen, dass im China Maos keine Babys gegessen wurden, aber gekocht, um damit die Felder zu düngen.« (Zitiert von »BBC News«, März 2006 – nach Protesten der chinesischen Regierung sagt er, es sei Ironie gewesen)

Mein historisches Wissen ist nicht so fundiert. Gibt es Alternativen?
Reden Sie über die Arbeit. Sagen Sie zum Beispiel über Staatsanwälte: »Um diese Arbeit zu machen, musst du geistig gestört sein.« Auch gut: »Leute, die diesen Job machen, sind anthropologisch anders als der Rest der Menschheit.« (Zitiert in »La Repubblica«, September 2003)

Ich kann nicht gut mit Kritik umgehen. Wie soll ich mich verhalten, wenn man mir widerspricht?
Überzeugen Sie Ihren Gesprächspartner, indem Sie für klare Verhältnisse sorgen. Berlusconi sagt über die Ruby-Affäre (siehe Kapitel 3, Tipp 2): »Was ich getan habe, tat ich aus Gutmütigkeit. Es ist besser, einer schönen Frau ins Gesicht zu blicken, als schwul zu sein.« (Zitiert in der »FAZ«, November 2010)

Ehe und Familie

5. Ehe und Familie

Wie mache ich einer Dame ein Kompliment?
Überraschen Sie sie mit einem geistreichen Vergleich. In der Talkshow Porta a Porta sagt Berlusconi zu der Oppositionspolitikerin Rosy Bindi, sie sei »schöner, als sie intelligent« sei. (Rai Uno, Oktober 2009)

Kosenamen wie »Schatzi« oder »Liebling« sind mir zu langweilig. Wie finde ich gute Alternativen?
Hier bietet sich ein familiärer Tonfall an. Berlusconi lässt sich von der sehr jungen Neapolitanerin Noemi, einem regelmäßigen Gast auf seinen Partys, »Papi« nennen. (Das berichtet Noemi in einem TV-Interview, Mai 2009)

Wie halte ich eine Partnerschaft frisch?
Kleine Geschenke stärken die Beziehung. Berlusconi schafft dafür gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit die Schenkungssteuer ab. (Gesetz aus dem Jahr 2000)

Wie soll ich mich verhalten, wenn ich meine Frau mit einer unbedachten Äußerung verärgert habe?
Das Zauberwort heißt: Entschuldigung. Nachdem Berlusconi seiner Mitarbeiterin Mara Carfagna (siehe Kap.1, Tipp 4) sagt, er könne sich vorstellen, mit ihr verheiratet zu sein, enschuldigt er sich bei seiner Frau so: »Ich flehe dich an, vergib mir. « Und: »Glaube mir, ich habe nie einer anderen einen Heiratsantrag gemacht.« (Offener Brief, Januar 2007)

Und wenn meine Frau nicht einlenkt?
Dann werden Sie deutlicher. Als Berlusconis Ehefrau die Seitensprünge ihres Mannes anprangert (»Ich kann nicht bei einem Mann bleiben, der mit Minderjährigen verkehrt«), sagt er: »Veronica muss sich öffentlich bei mir entschuldigen. Und ich weiß nicht, ob das genügt.« (Interview in »La Stampa«, Mai 2009)

Kultur und Gesellschaft

6. Kultur und Gesellschaft

Ich möchte gelegentlich Freunde und Kollegen einladen, um Kontakte zu pflegen. Worauf muss ich achten?
Schaffen Sie ein behagliches Umfeld. Der ehemalige tschechische Regierungschef Mirek Topolanek etwa fühlt sich als Gast bei Berlusconi sehr wohl. Im Juni 2009 tauchen Fotos auf, die die beiden auf Berlusconis Landsitz in Sardinien zeigen, umgeben von jungen Frauen, auf mehreren Bildern ist zudem ein älterer Herr mit erigiertem Glied zu sehen. Solche Gäste werden Ihre Einladung nie vergessen. (Fotos veröffentlicht von »El País«, Juni 2009)

Was muss ich bei Dekoration und Abendgestaltung bedenken?

Zeigen Sie Sinn für das Wesentliche. Berlusconi kürzt laufend die Kulturetats, aber wo es wirklich drauf ankommt, ist er großzügig: Gerade lässt er eine Statue vor seinem Amtssitz restaurieren, für 70.000 Euro soll der Figur unter anderem ein fehlender Stein-Penis wieder angesetzt werden. (Meldung in der »SZ«, November 2010)

Geziemt es sich, in der Öffentlichkeit religiöse Fragen zu diskutieren?
Seien Sie ganz offen, Glaube ist etwas schönes. Berlusconi bezeichnet sich vor Journalisten als »Jesus Christus der Politik«. (»SZ«, Februar 2006.) Außerdem nennt er sich den »Gesalbten des Herrn«. (»SZ«, Dezember 1994.) Und als er in Rom eine Ausstellung mit Heiligenbildern besucht, sagt er: »Es fehlt das Bild des heiligen Silvio von Arcore.« (»FTD«, Oktober 2009)

Leid und Trost

7. Leid und Trost

Wie kann ich obdachlosen Menschen helfen?
Vermitteln Sie ihnen eine positive Sicht auf die Dinge. Sagen Sie zu Menschen, deren Häuser von einem Erdbeben zerstört wurden: »Man muss das nehmen wie ein Camping-Wochenende.« (Bei einem Besuch im Erdbebengebiet von L’Aquila, Sommer 2009)

Wie kann ich Menschen in Not Hoffnung vermitteln?
Richten Sie gemeinsam den Blick in die Zukunft. Sagen Sie den obdachlosen Erdbebenopfern: »Kauft Euch die Möbel bei Ikea. Da gibt es für wenig Geld eine ganze Wohnungseinrichtung.« (In L’Aquila, Sommer 2009)

Und wenn das nichts hilft?

Manchen Menschen tut es gut, wenn sie erfahren, dass auch andere es nicht leicht haben. 1994, kurz bevor er die Forza Italia gründet, sagt Berlusconi: »Wenn ich nicht in die Politik gehe, dann gehe ich ins Gefängnis oder wegen meiner Schulden bankrott.« (Nach Angaben des ehemaligen Rai-Journalisten Enzo Biagi)

Wie kann ich meine Lebensfreude mit anderen teilen?

Versuchen Sie es mit Musik. Berlusconi schreibt Lieder, die der Schlagerstar Mariano Apicella für ihn interpretiert. Einer seiner schönsten Refrains lautet: »Drück mich, drück mich stärker, drück mich an dich! Ich fühle, du gehörst mir, ich will dich – in dieser Nacht«. (Aus dem Album »Meglio una canzone«, 2003)

Illustration: Frank Weichselgartner Foto: Reuters