Lob der behaarten Unterarme

Eine Liebeserklärung an zwei sträflich oft übersehene Körperteile.

Ich war mal in einen Mann verliebt, den ich eigentlich nicht sonderlich attraktiv fand. Er war fassförmig, hatte einen rötlichen Bart und blasse wimpernlose Augen. Das Beste, was ich über ihn sagen konnte, war, dass er nicht Boris Becker war.

Aber dann fuhr ich eines Tages mit ihm Auto. Er kurbelte das Fenster herunter (ganz recht: Er kurbelte. Dazu kommen wir später), er legte seinen kräftigen Arm auf die Laibung, und die Haare auf seinem Unterarm leuchteten im Gegenlicht der Spätnachmittagssonne wie gesponnenes Gold. Er klopfte mit den Fingern den Takt zu einem Autoradiolied, und unter den goldenen Haaren bewegten sich feine Muskelstränge, die ehrlich verdient waren, weil sie vom Holzhacken und nicht vom Hantelheben stammten.

Es war der verdammt noch mal schönste Unterarm, den ich je gesehen habe, und er hatte gleich zwei davon. Er präsentierte sie auf die bestmögliche Weise: in weißen aufgekrempelten Hemdsärmeln, nicht zweimal umgeschlagen wie bei Präsidentschaftskandidaten und Vorstandsvorsitzenden, die locker wirken wollen, sondern dreimal, wie es sich gehört. Er trug eine Uhr mit Lederarmband und schlichtem, nicht zu großem Ziffernblatt. Er trug sie links. Es war perfekt.

Meistgelesen diese Woche:

Wenn man eine Unterarmfetischistin ist, hatte man es bislang im Vergleich zu Menschen mit anderen Obsessionen leicht. Die Enthaarungswelle beschränkt sich bei den dafür anfälligen Männern auf die Bereiche Brust, Rücken, primäre Geschlechtsorgane. Höchstens noch auf die Beine, wenn sie Triathleten oder etwas ähnlich Unsympathisches sind. Die Unterarme haben sie bisher in Ruhe gelassen, und selbst in mittelmäßigen Sommern bin ich immer auf meine Kosten gekommen.

Doch seit einigen Jahren ist der Anblick eines anbetungswürdigen Unterarms seltener geworden. Dieser fast viereckige, zupackende, sehnige Unterarm, der einen mühelos retten könnte, falls man, wie das halt hin und wieder passiert, an einer Klippe über einem Abhang hinge.

Das Problem ist: Der Unterarm verkümmert. Männer haben elektrische Fensterheber im Auto. Gurkengläser öffnen sie mit kraftübertragendem Spezialgerät. Neuerdings benutzen sie ergonomische Kissen vor der Computertastatur, um eine Sehnenscheidenentzündung zu vermeiden. Die meisten könnten sich an einer Klippe so lange halten wie ich. Nichts haben sie mehr im Griff, außer Golfschläger (und, so vermute ich, gelegentlich ihr von Haaren freigelegtes primäres Geschlechtsorgan). Das Armdrücken am Kneipentisch, für Unterarm-Voyeure befriedigender als jeder Trikottausch, ist ebenfalls aus der Mode gekommen.

Und nun? Kann ich nur die Hände falten und hoffen, dass die Vernunft den Männern irgendwann sagt, wie viel lohnender es ist, an ihren Unterarmen zu arbeiten als an ihren Sixpacks. Wer sieht die schon im Alltag? Ein beiläufig hochgekrempelter Ärmel in einem Meeting hingegen … oh my.

Das Hochkrempeln ist übrigens essenziell für die Wirkung. Verboten sind karierte Kurzarmhemden, gestreifte Kurzarmhemden, weiße Kurzarmhemden. Verboten sind Tanktops. Problematisch sind T-Shirts. Der letzte Mann, der im T-Shirt gut ausgesehen hat, war Marlon Brando in Endstation Sehnsucht.

Wenn wir schon beim Träumen sind: Schön wäre eine Narbe in Ellenbogennähe, denn der sollte schon einiges mitgemacht haben, dieser Arm, und das sollte man ihm auch ansehen. Die Kraft und die Herrlichkeit, die sieht man ja sowieso.

Illustration: Daniel Frost