Immer der Nase nach

Duft als Partythema, maßgemischte Parfums und gut besuchte Schnupperkurse - der Geruchssinn ist der Sinn des Lebens. Mehr denn je bedeutet Trendbewusstsein: den richtigen Riecher haben.

Menschen, die kein Parfum benutzen, gibt es statistisch gesehen nicht mehr. Menschen, die sich ihr ganz persönliches Parfum bei Guerlain in Paris oder im Kaufhaus Barneys in New York anmischen lassen, gibt es dagegen immer mehr.

»Zu mir kommen viel häufiger als früher Kunden mit einer klaren Vorstellung über ihr Parfum«, sagt Uwe Manasse. Der Parfumeur entwickelt mit ihnen zusammen ganz individuelle Düfte. Rund zwanzig Stunden dauern dabei oft allein die Vorgespräche darüber, wie das Parfum sein soll. »Ich möchte auffallen in der Oper« ist so ein Wunsch. Oder: »Ich möchte einen Duft, der mich schützt.« Rund 1200 Euro kosten die Rezeptur und die ersten 70 Milliliter. »Welchen Duft trägst du?« – »Den neuen von Hermès.« Auf gesellschaftlichen Anlässen wird heute über Duft gesprochen, hat Manasse festgestellt. Auf Parfumproben stehen seit Neuestem Informationen über die Kopf-Herz-Basis-Note. »Früher vermittelte die Verpackung nur, was für ein toller Hecht man mit dem Duft wird«, so Manasse. »Das Wissen der Menschen über Düfte nimmt zu.« Manasse bekommt auch öfter skurrile Anfragen von Unternehmen: Vor Kurzem wollte etwa ein Tierfutterhersteller eine Briefwurfsendung so beduftet haben, dass man beim Lesen des Briefes zum Kauf von Katzenkeksen animiert wird. Theoretisch möglich ist das: Ein Mensch kann mit seinen 350 Riechrezeptoren Tausende von Gerüchen erkennen und im Gedächtnis behalten, auch wenn er sie nicht benennen kann. Das liegt vor allem an der mangelnden Übung. »Je mehr wir trainieren, Gerüche auseinanderzuhalten, umso mehr Vielfalt gibt es in unserem Leben und umso höher ist unsere Lebensqualität«, so Hanns Hatt, Zellphysiologe an der Uni Bochum und einer der renommiertesten Geruchsforscher Deutschlands. »Ich versuche schon seit Langem die Politik davon zu überzeugen, dass es in der Schule Riechunterricht geben sollte.« Denn: Je eher wir anfangen, die unterschiedlichen Gerüche wie das Alphabet zu lernen, umso mehr Gerüche können wir auseinanderhalten.

Christian von Pappenheim bringt den Menschen genau das bei: Seine Riechseminare werden inzwischen häufiger gebucht als seine Weinseminare. Die Teilnehmer finden es aufregend, sich mit dem Geruchssinn zu beschäftigen. Sie kommen zu dem Münchner Koch und Gastronomen, weil man über die subjektive Geruchswahrnehmung wunderbar diskutieren kann. Sie kommen aber auch, so hat es von Pappenheim beobachtet, weil sie zwar Gerüche unterscheiden, aber nicht beschreiben können. Sie wollen jedoch mitreden, wenn sich in Zukunft eine feine Nase zum Statussymbol entwickelt.

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Die Menschen sehnen sich nach dem Wissen, um das Besondere zu erkennen. Das hat Alexander von Wackerbarth bei seinen Kunden bemerkt. Er verkauft in seinem Münchner Geschäft »Cosmo’s Apothecary« exklusive Kosmetik, wie zum Beispiel »Editions de Parfums« von Frédéric Malle. Neun der weltbesten Parfumeure haben für diese Serie versucht, den idealen Duft zu entwickeln, und ihm ihren Namen gegeben. Rund 150 Euro kosten nun 100 Milliliter der so entstandenen zwanzig Sorten. Die Kunden kommen aus der ganzen Welt, um einen Duft der »Editions de Parfums« zu kaufen. Alle Düfte können von Männern und Frauen getragen werden, denn, so von Wackerbarth: »Die Unterteilung in Männer- und Frauen-Parfums ist nur eine Erfindung der Industrie.« Erfunden, damit die Hemmschwelle in der Parfümerie für Männer nicht so hoch ist. Und eine Hilfe für all die, deren Nasen, Geruchssinn und Duftwissen noch nicht fein genug sind, um unabhängige Entscheidungen zu treffen.

Inzwischen ist eine nie dagewesene Anzahl an Gerüchen und Düften in fast alle Bereiche unseres Lebens eingedrungen: Gab es vor dreißig Jahren noch eine über-schaubare Anzahl unterschiedlicher Parfums, die nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung benutzt wurden, so gibt es mittlerweile 800 Parfummarken auf dem deutschen Markt, allein im Jahr 2006 kamen über 200 Neueinführungen dazu. Die zahlreichen Raumsprays, Duftkerzen oder parfümierten Bügelwasser sind hier noch nicht mitgerechnet.

Frank Schnitzler, der Gründer der Düsseldorfer Parfümerie Schnitzler, hat mehr als 36 Jahre lang die wohl wichtigste Parfümerie Deutschlands geführt. Letztes Jahr hat der 66-Jährige sie an die Douglas-Gruppe ver-kauft, der er heute noch als Berater zur Verfügung steht. Unter anderem wird Schnitz-ler Douglas dabei helfen, aus 28 ihrer 420 deutschen Geschäfte sogenannte Premium- Filialen zu machen, in denen es exklusivere Parfums zu kaufen gibt.

Er hat deutliche Veränderungen im Verhalten der Kunden beobachtet: Sie möchten heute Geschichten über die Parfums hören. Und sie wollen mehr über die Herstellung der einzelnen Düfte erfahren. Nicht zuletzt deshalb gibt es bei Schnitzler einen Maître de Parfum, einen Mitarbeiter, der ganz besonders in Sachen Duft weitergebildet wird. Er verkaufe nicht nur sehr gut, so Schnitzler, Kunden melden sich auch vorher im Laden an, nur um von ihm beraten zu werden.

Auch die Unternehmen haben die vermeintlich umsatzsteigernde Kraft der Düfte entdeckt: Damit sich die Kunden wie zu Hause fühlen, riecht es in den Lobbys der amerikanischen »Sheraton Hotels« nach Apfelkuchen. Die Stewardessen der Singapur Airlines müssen das Singapur-Airlines-Parfum auftragen. Und manche Autofirma versprüht den Duft von Leder in ihren Neuwagen. Marketingexperten nennen Gerüche schon die Kaufhausmusik des 21. Jahrhunderts. Dabei geht es den Unternehmen im Grunde um das Gleiche wie den privaten Duftbenutzern: Sie wollen in einem Markt, in dem sich die Produkte immer mehr gleichen, als einzigartig wahrgenommen werden.

Für den Wirtschaftsprofessor und Autor des Buches Marketing mit Duft, Bernd Schubert, ist das die negative Seite des derzeitigen Booms im Bereich Duftmarketing. »Die Leute hören nur, mit Duft lasse sich der Umsatz steigern. Schon kaufen sie einen Duftspender, sprühen Frühlingsaroma in ihre Verkaufsräume und merken gar nicht, dass die Kunden mit dem Duft nur ›Badezimmer‹ assoziieren.«