Das müssen Sie gesehen haben

Auch Modedesigner gehen gern ins Kino. Hier verraten sie, von welchen Filmen Sie sich inspirieren lassen.


    Giorgio Armani


    Giorgio Armani:
    »Ein Film, der mich buchstäblich überwältigt hat, ist Kagemusha von Akira Kurosawa, ein kraftvolles und visionäres Porträt über das feudale Japan. Ich fand ihn ästhetisch derart eindrucksvoll, dass ich mich davon für unsere Damenkollektion im Herbst/ Winter 81/82 inspirieren ließ. Rückblickend betrachtet, sehe ich in der Kollektion eine Exzentrizität, die sich dann in meinem Stil über die Jahre manifestiert hat. Ich beschloss aber auch, mir diesen Film nie wieder anzusehen, um mir dieses Gefühl zu bewahren, das ich hatte, als ich ihn 1980 sah. Ich weiß noch, dass mich vor allem die vielen Kampfszenen gefesselt haben. Die kunstvollen Rüstungen der Soldaten werden großartig in Szene gesetzt. Die Eleganz der Komposition und der Kostüme kann ich bis heute nur bestaunen.«

    Thom Browne

    Meistgelesen diese Woche:

    Thom Browne: »Bei meinen Shows gibt es immer Theater- oder Performance-Elemente, manche stammen aus einem Film: Einmal habe ich eine Kollektion an einem Ort gezeigt, der mich an ein Raumschiff erinnerte, genauer gesagt an Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum. Ich wollte, dass alle Models Raumanzüge und Helme über ihren Outfits tragen, die sie später auszogen, um die Kollektion zu zeigen. Natürlich hatte ich bei der Choreografie die Szene vor Augen, in der die Kellnerin den Astronauten ihr Essen auf einem Tablett serviert. Sie läuft dabei schwerelos an der kreisrunden Zimmerwand hinauf. Meine Models sollten sich während der Show auch auf diese mechanische, etwas steife Weise fortbewegen.«

    Dolce & Gabbana

    Domenico Dolce & Stefano Gabbana: »Einer unserer Lieblingsregisseure ist Luchino Visconti. Wir haben sein kreatives Genie immer bewundert, viele seiner Filme waren Inspirationsquellen für uns, vor allem seine Fähigkeit, die reale Welt nachzubilden, mit extremem Augenmerk aufs Detail. Vielleicht war Bellissima der Film, der uns am meisten beeinflusst hat - die Szene, in der sich Anna Magnani in Unterwäsche und Jacke vor dem Spiegel die Haare kämmt, ist ein Stück Stilgeschichte. Eine Frau, die die besten Teile ihres Kleiderschranks trägt: die pure Verführung, dennoch natürlich, unangestrengt. Alles ist perfekt in dieser Szene: die Kostüme, die Szenerie, die Harmonie.«

    Kostas Murkudis

    Kostas Murkudis: »Kino war schon immer meine Leidenschaft. Speziell haben es mir Filme wie Luis Buñuels Auseinandersetzung mit der gehobenen Gesellschaft in Der diskrete Charme der Bourgeoisie angetan. Buñuel zeigt eine Welt, die mir weitgehend fremd ist - charmant und überholt, lächerlich und bezaubernd. In einer Szene sieht man Gäste einer Abendgesellschaft, wie sie vergeblich vor der Tür der Gastgeber warten. Die vergnügen sich nämlich währendessen im Garten und betreten schließlich zerzaust das Bild. Diese Idee der ›beschmutzten Etikette‹ hat mich zu Kleidern inspiriert, die auf der einen Seite elegant, auf der anderen Seite derangiert bis exhibitionistisch sind, was aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedliche Schlüsse auf die Trägerin zulässt.«

    Viktor & Rolf

    Viktor Horsting & Rolf Snoeren: »Die Modenschau in George Cukors Film Die Frauen aus den Dreißigerjahren war eine besonders wichtige Szene für uns. Der Schwarz-Weiß-Film erzählt die Geschichte einiger Frauen und ihrer Liebesbeziehungen, Freundschaften, Konkurrenzkämpfe. Es entsteht eine unnatürliche Stimmung, auch deshalb, weil weder Männer noch Außenszenen vorkommen - ein künstlicher, stilisierter Kosmos. Nach der Hälfte des Films besuchen die Frauen eine Modenschau. In diesem Moment wechselt der Film von Schwarz-Weiß auf Farbe. Die Modenschau funktioniert als einzigartiger, verändernder Moment, aus der Realität genommen, seiner eigenen Logik folgend. Es ist genau dieses Mysteriöse in der Mode, das uns dazu bewegt hat, Designer zu werden. Natürlich geht es in der Mode auch um Tragbarkeit und ums Geschäft. Aber es ist immer noch möglich, der Mode eine geheimnisvolle Poesie wie in diesem Film einzuhauchen.«

    »Modell ›Unbefleckte Turteltaube‹ bis ›Schneller ins Paradies‹«

    Hugo

    Bart de Backer: »Mein Lieblingsfilm, ganz klar, ist Basquiat von Julian Schnabel. Ich habe ihn sicher zwanzig-, dreißigmal gesehen, das erste Mal, als ich noch Mode in Antwerpen studierte. Immer macht er mich nachdenklich, aber es gibt nicht die eine Szene, bei der das geschieht, es ist die Geisteshaltung des gesamten Films. Und die besagt, dass Künstler zu sein immer bedeutet, gleichzeitig auch ein Leben als Grenzgänger zu führen. Basquiat war ein Rebell, vorgegebene Werte stellte er in Frage oder ignorierte sie. Das gefällt mir. So will ich Mode machen, Mode, die Regeln in Frage stellt, die beispielsweise klassische Herrenmode mit neuesten Erkenntnissen aus der Freizeitmode kombiniert. Mit schwebt dabei ein Mann mit hohen Ansprüchen vor, der gleichzeitig ein Rebell geblieben ist.«

    Augustin Teboul

    Annelie Augustin & Odély Teboul: »Als wir unsere Sommerkollektion 2013 planten, hatten wir beide diesen wunderbaren Film von Federico Fellini vor Augen, Roma, weil es da eine Szene gibt, die uns nicht mehr losließ: In einer völlig absurden Modenschau im Vatikan präsentieren Priester und Nonnen extravagante Modelle für Messdiener, Geistliche und Päpste. Fachmännisch kommentiert ein Moderator die verschiedenen Looks, vom Modell ›Unbefleckte Turteltaube‹ bis ›Schneller ins Paradies‹, einer Robe, die auf Rollschuhen vorgeführt wird. Die Szene ist witzig, surreal, unheimlich und avantgardistisch zugleich. Unsere Sommerkollektion nannten wir übrigens Holy Me

    Rochas

    Marco Zanini: »Il Lavoro von Luchino Visconti ist eine Episode des italienischen Vierteilers Boccaccio 70. Der Film erzählt von der lieblosen Beziehung eines jungen, vom Reichtum verhätschelten Paares und ihrem Leben in einem luxuriösen Mailänder Anwesen. In meiner Lieblingsszene macht sich Pupe (Romy Schneider), die Tochter eines deutschen Großindustriellen, nach ihrem abendlichen Bad gerade für ihren Opernbesuch in der Scala fertig. Geistesabwesend diskutiert sie dabei mit ihrem Ehemann Ottavio, einem faulen italienischen Aristokraten, während das Dienstmädchen ihr still und aufmerksam ein Chanel-Schmuckstück nach dem anderen bringt, den Reißverschluss des goldenen Chanel-Lamé-Kleides schließt, den Zobelhut von Chanel reicht, den Pupe zerstreut über ihre noch feuchten Haare stülpt. Eben noch komplett nackt, ist sie eine Minute später bereits angezogen und ausgehfertig. Überhaupt wirkt Pupe stets völlig unbekümmert, besitzt dabei dennoch Selbstsicherheit und Souveränität. Sie verkörpert, was die Franzosen Nonchalance nennen. Die Mühelosigkeit dieser Szenerie ist unglaublich inspirierend. Als ich die Herbst-/Winterkollektion 2013 für Rochas entworfen und gestylt habe, hatte ich Pupes faszinierende Erscheinung im Kopf.«

    Dries Van Noten

    Dries Van Noten: »Filme von Fassbinder, Visconti oder Almodóvar haben mich oft bei meinen Entwürfen inspiriert. Wahrscheinlich aber war Das Piano von Jane Campion am wichtigsten für meine Arbeit: Die Szene, in der Adas geliebtes Klavier auf hoher See versenkt werden soll und sie sich entschließt, mit ihm unterzugehen, hat mich zu einer kompletten Kollektion animiert. Die Kleidungsstücke waren hauptsächlich schwarz und sahen aus, als klebten sie nass und verknittert am Körper. Der Schmuck dazu, den die großartigen Amerikaner Erickson Beamon für uns entworfen haben, erinnerte an Seegras und Strandgut.«

    Redaktion: Almut Vogel; Mitarbeit: Denise Amend, Katharina Seifert