Das Leben, all inclusive

Ökonomen wollen das Bargeld abschaffen. Unsere Autorin ist begeistert: Endlich wird sich das Leben anfühlen wie eine einzige, große Kreuzfahrt! Oder etwa nicht?

Einmal habe ich – beruflich, nicht freiwillig – ein paar Tage meines Lebens »all inclusive« verbracht. Auf einem Kreuzfahrtschiff. Und ich muss gestehen: Es war das Paradies. Zumindest was den Zahlungsverkehr betrifft. Du checkst ein, legst die Kreditkarte hin, bekommst dafür ein Gummiband um den Arm - und kannst Tage und Nächte lang essen, trinken, shoppen, kaufen – ohne ein einziges Mal zahlen zu müssen. Genial!

Nicht in die leere Geldbörse gucken, keine Münzen oder Scheine befühlen, nicht zögern und dann doch die Kreditkarte zücken. Einfach nicht darüber nachdenken: Wo das Geld für, sagen wir mal, die Badelatschen mit dem Kreuzfahrer-Emblem eigentlich her kommt? Wie es erarbeitet werden muss? Ob der Preis gerechtfertigt und in irgendeiner Weise gedeckt ist? Einfach nur konsumieren ohne zu kalkulieren! So wie das viele verschuldete Menschen tun, die einfach mit mehreren Kreditkarten jonglieren. Und auch ich, wenn ich im Netz nur ein Mal zu klicken brauche, zack, und schon hab ich die Schuhe oder das Buch gekauft. Was hat's noch mal gekostet? Egal! Jetzt hab ich's ja.

Insofern – weil ich anfällig bin – finde ich die gerade von namhaften Ökonomen verbreitete Idee super: das Bargeld abzuschaffen. Die meisten meiner französischen oder amerikanischen Freunde verzichten im Alltag längst auf Bargeld. Und wundern sich, wenn der Bäcker bei uns um die Ecke ihre Kreditkarte für zwei Schrippen nicht akzeptieren mag. Wir Deutschen sind ja, technische Entwicklungen betreffend, oft etwas zurückhaltender als andere. Meine italienischen Freunde hatten schon Mitte der Neunziger Handys ans Ohr geheftet, um überall und jederzeit mit der Mama telefonieren zu können. Aber mehr als die Hälfte von uns Deutschen bezahlt, laut einer aktuellen Umfrage, immer noch am liebsten bar. Mit echten Münzen und Scheinen. So retro!

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Das liegt bestimmt an der Erziehung. Die haben, das Geld betreffend, bei uns die Großeltern meiner Kinder übernommen. Sie kennen die Kindsmutter zu gut. Jedes Mal, wenn meine Jungs zu ihrer Oma kommen, drückt sie ihnen ein Säckchen mit Cent-Stücken in die Hand. Die hat sie gespart. Und die werden dann von meinem Großen akribisch gezählt. »So erfährt er den Wert von Geld«, sagt die Großmutter stolz. Um meinem Sohn diesen Wert auch mal selbst zu vermitteln, ließ ich ihn kürzlich sieben mit Erde gefüllte Balkon-Kästen fünf Stockwerke hinunter schleppen. Er hatte darum gebeten, er wollte »mal Geld verdienen«. Anschließend seufzte er: »Ich werde doch lieber Fußballstar.« Bringt mehr Spaß. Und mehr Moneten.

Wenn Sie jetzt denken: Das ist der Untergang des Abendlandes – die jungen Leute haben ja überhaupt kein Verhältnis mehr zu nichts! Dann ist das nicht nur nicht falsch. Sondern: so gewollt. Es liegt nicht an etwaigen verschwörungstheoretischen Neigungen meinerseits. Es liegt nur im System. Das will ja immer mehr, mehr Wachstum, mehr Konsum, mehr Wertschaffung, Akkumulation etc. Und deswegen werden wir uns – sogar wir Deutschen, zumindest einige von uns – auch eines Tages Chips zwischen Daumen und Zeigefinger implantieren. So wie die Mitarbeiter dieser schwedischen Firma, die gerade testen, wie das ist, wenn man: keinen Knopf mehr drücken muss, kein Geld und keine Karte hinlegen und keine Daten mehr aushändigen muss. Alles wird da vollautomatisch registriert. Es wird überhaupt keinen kognitiv oder haptisch erfahrbaren Geldverkehr mehr geben, es werden die Chip-Implantate kommen! Da wette ich drauf (und werde endlich reich).

Weil, es ist für den Waren- und Werteverkehr viel besser, wenn ich den Wert des Geldes gar nicht erst zu spüren bekomme. Mein Leben soll sich anfühlen wie auf einer Kreuzfahrt: all inclusive. Und dann nehm' ich noch das Badetuch da, den Animateur mit den knusprigen Beinen und eine Magnum Champagner, wie im Paradies!

Was ich mit meinen Konto-Auszügen mache? Die lasse ich mir einfach nicht mehr schicken. Hat meine Bank schon vor Jahren vorgeschlagen. Was soll der Papierkram? Ist doch viel praktischer so.

Foto: DPA