Burger statt Möpse

Das drohende Verbot sexistischer Werbung macht die Werbewirtschaft nervös. Womit noch werben, wenn nicht mit Brüsten? Bei der Agentur »Schulz und Söhne« suchen die kreativsten Köpfe der Branche nach neuen Konzepten.

52 Prozent aller Beschwerden, die im vergangenen Jahr beim Deutschen Werberat eingegangen sind, betrafen sexistische Werbung. Also Werbung, in der zum Beispiel nackte Frauen lasziv an prallen, harten Winterreifen lecken, weil »Mann« so besser ans Ziel »kommt«. Das ist sexistisch. Ein lächelndes Model im Bikini ist nicht unbedingt sexistisch – sofern es sich um Bikini-Werbung handelt. Soweit zu den Unterschieden zwischen Erotik und Sexismus, die für viele hart zu begreifen sind. Denn nun, da Justizminister Heiko Maas sexistische Werbung per Gesetz verbieten will, herrscht Unruhe im Land. »Spießig« findet das zum Beispiel FDP-Vorsitzender Christian Lindner, der die Brust- und Dekolleté-Kompetenz seiner Partei einmal mehr in den Vordergrund rückt. »Eine Geste der kulturellen Unterwerfung« vor dem Islam sei das, schreibt die WELT, und barmt, ob Models denn wohl in Zukunft Burka tragen müssten. Auch in der Werbewirtschaft zeigt man sich nervös. Uns liegt ein Gesprächsmitschnitt aus dem Headquarter der Werbeagentur »Schulz und Söhne« vor, das wir hier exklusiv veröffentlichen:

Schulz: Jungs, der Maas will Tittenwerbung verbieten, wir brauchen neue Ansätze für unsere Kunden. Die neue Kampagne für den Reifenhersteller Lundop steht an. Vorschläge?

Sohn 1: Vielleicht was mit Ärschen?

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Schulz: Die gehen auch nicht mehr, jedenfalls nicht mehr nackt und im Zusammenhang mit Autoreifen. Also, was ist jetzt: Wie lösen wir das Problem?

Sohn 2: Mit Ironie. Ironie ist gerade voll angesagt. Wenn in den Slogans bestimmte Begriffe in Anführungsstriche gesetzt werden, entsteht der sexuelle Kontext einfach beim Betrachter im Kopf. Also: Die Bahn »kommt«, anstatt: Die Bahn kommt. Für die Winterreifen vielleicht so was wie: Fahrspaß, der »befriedigt«.

Schulz: Zu subtil, nicht knallig genug. Die Leute sollen ja nicht nachdenken, sondern gleich in ihrem Unterbewusstsein angesprochen werden. Wir müssen das Reptilienhirn triggern. Also: Was finden die Leute genauso geil wie Brüste?

Sohn 3: Katzenbabys?

Sohn 2: Ja, super. Katzenbabys sind mega Eyecatcher. Statt Brüsten jetzt immer Katzenbabys.

Sohn 1: Aber Katzenbabys und Autoreifen, da denkt doch jeder, wir wollen die überfahren.

Schulz: Okay, Katzenbabys funktionieren nicht. Wo ist eigentlich die Praktikantin? Die hat doch Brüste, vielleicht kann die was Schlaues sagen.

Sohn 1: Haha, was Schlaues. Wohl eher was »Schlaues«. (allgemeines Gelächter)

Sohn 2: Es muss ja in jedem Fall mit Sex zu tun haben, denn Sex sells, wie schon Don Draper sagte.

Praktikantin: Das hat er eigentlich nie gesagt. Und es stimmt auch nicht. Es gibt Studien, die eindeutig widerlegen, dass...

Schulz: Egal, wir machen weiter was mit Sex. Nur eben ohne Titten. Die Kunden stehen drauf und das ist das Wichtigste.

Praktikantin: Wenn wir in unseren Kampagnen keine Subjekte mehr objektivieren dürfen, dann müssen wir eben Objekte subjektivieren.

Sohn 3: Hä?

Praktikantin: Na, man sagt doch, Essen sei der Sex des Alters. Warum dann nicht was mit Essen?

Sohn 2: Super Idee, gerade sind doch Burger total hip. Überall machen die Leute jetzt Edel-Burger, Vintage-Burger, Vegan-Burger, Asian-Burger...

Schulz: Guter Plan, Burger statt Bürger.

Praktikantin: Das müsste aber dann doch Burger statt Bürgerinnen heißen...

Schulz: Jetzt reicht`s mal langsam mit dem Gender-Gewäsch. Hast Du nichts zu tun, Puppe? Kaffeekochen zum Beispiel? (Praktikantin verlässt das Meeting)

Sohn 1: Burger auf allen Plakaten! Aber richtig schön saftige, pralle, dicke Dinger. Mit doppelt Fleisch und mindestens drei verschiede-nen Saucen, die an der Seite langsam runtertropfen. Mindestens zwei Sorten Käse. Vielleicht noch Jalapeños.

Sohn 2: Genau, soll ja »scharf« sein.

Sohn 3: Der neueste heiße Scheiß im Burger-Business sind ja Eier. Also Spiegeleier auf dem Burger. »Eier«, versteht ihr?

Sohn 1: Sollten wir nicht auch noch Rucola drauf machen, um auch die Kundinnen anzusprechen? Frauen mögen Rucola.

Schulz: Ne, sorry, aber Rucola ist echt so 2004. Wenn schon, dann muss da Kale drauf.

Sohn 2: Was soll das denn sein?

Schulz: Na: KALE. Englisch für Grünkohl. Total angesagt bei den Weibern gerade, vor allem in Smoothies. Detox, versteht ihr?

Sohn 1: Aber Grünkohl auf Burgern? Ist doch abartig!

Sohn 3: Ich hab das Gefühl, wir kommen ein bisschen weit ab vom Thema Sex. Die Sache mit den Burgern ist gut, aber sollten wir nicht irgendwie phallischer denken? Um den sexuellen Bezug noch klarer zu machen? Was ist mit Burritos? Oder Dürüm?

Sohn 2: Alter, das ist ja krank. Dürüm und Autoreifen, also ich bitte dich.

Schulz: Männer, ich hab’s! Ich hab DIE Idee. Überlegt doch mal: Was finden die Kunden genauso geil wie Titten? Und vielleicht sogar noch geiler als Burger?

Söhne 1, 2 und 3: Keine Ahnung.

Schulz: Autos! Fette, schnelle Autos! Stellt euch doch mal vor: Ein Ferrari 488GTB in laszivem Rot! Das ist doch der ultimative Blickfang. Wem da keiner abgeht, dem ist eh nicht zu helfen.

Sohn 1: Fast so gut wie Brüste.

Sohn 2: Und passt thematisch ja irgendwie auch ganz gut zu Autoreifen.

Sohn 3: Chef, Sie sind einfach brillant!

Illustration: Eugenia Loli