Das Beste aus aller Welt

Was wollte Kim Jong-il neulich in China? In den Zeitungen stand, es sei um politische Fragen gegangen. Tatsächlich wollte der nordkoreanische Diktator aber etwas für seine Küche besorgen.

Vor ungefähr einem Monat las ich einen Artikel über thailändische Rossameisen, die immer wieder von einem Pilz namens Ophiocordyceps unilateralis befallen werden. Dieser Pilz dringt zu den Nervenzellen der Tiere vor und manipuliert sie dermaßen, dass sie jeden eigenen Willen verlieren; sie tun nur noch, was der Pilz will, verlassen die Baumwipfel des tropischen Waldes, in dem sie leben, wandern nach unten und verbeißen sich dort in die Hauptader eines Blattes, an dessen Unterseite, immer an der gleichen Stelle.

Der Pilz hat unterdessen für eine Lähmung des Mundwerkes der Ameise gesorgt, das heißt, kaum hat das Tier ins Blatt gebissen, kann es nicht mehr loslassen, es bleibt ans Blatt geheftet – die Ameise stirbt. Das war des Pilzes Absicht. Denn hier, ans Blatt, in der Nähe des Waldbodens, wollte der Pilz hin, dort lebt er gerne und in Freuden, an diesem Ort kann er sich ausbreiten, Sporen bilden, ja, wie eine Antenne wächst er nun aus dem Kopf der Ameise heraus, ein entsetzliches Bild, dieser Kopfpilz auf der Ameisenleiche, die keinen anderen Sinn mehr hat, als den Parasitenpilz mit Nährstoffen zu versorgen.

Das Foto der Ameise mit dem aus dem Kopf heraussprießenden Pilz erinnerte mich an ein Bild des Nordkoreaners Kim Jong-il, das ich mir im Februar aus der Zeitung ausgeschnitten hatte. Man sieht auf dem Foto Kim mit einer Otterfellmütze, die tatsächlich wie ein pilzartiger Bewuchs seines Kopfes aussieht, als sei also Kim von einer Art Otterfellpilz befallen, der ihm befohlen hat, sich in das Land Nordkorea zu verbeißen, damit Otterfelliceps unilateralis es aussaugen kann. Das Interessante an dem Foto war aber nicht einmal, dass Kim Jong-il diese Mütze trug, sondern dass hinter ihm sein Sohn Kim Jong-un stand: mit exakt der gleichen Mütze auf dem Kopf, auch er ein Pilzwirt, dem Otterfell wehrlos ausgeliefert.

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Von den Medien wurde die Mützengleichheit der beiden Männer dahingehend interpretiert, dass der Kimvater nun den Kimsohn offiziell als Thronfolger benannt habe, als sei die Mütze eine Krone; bisher habe nur der Vater seinen Kopf in dieser Art bedecken dürfen. In Wahrheit ist die Mütze aber, wie ich nun begreife, ein raubgieriger Parasit, und Nordkorea wird von zwei Schwammerlköpfen regiert.

Aus der Distanz kann man ja nicht umhin, solche Parasiten zu bewundern. Wie ein so simples Geschöpf wie ein Pilz es schafft, sich ein vergleichsweise komplexes System wie eine Ameise oder einen Diktator untertan zu machen und seinem Willen zu unterwerfen.

Aber die Natur ist ja ohnehin nur aus der Distanz erträglich, aus der Nähe wird sie widerlich. Eine Kuh während eines Spaziergangs aus hundert Meter Entfernung auf der Weide zu beobachten – wie idyllisch! Kommt man näher, wird man gewahr, dass es sich hier um ein Tier handelt, auf dem Unmengen von Fliegen sitzen und aus dessen Rückseite enterohämorrhagischer Schlamm quillt. Das ist ja auch so ein nur aus der Entfernung erträgliches Faszinosum: dass EHEC-Bakterien einerseits den Rinderdarm besiedeln, als könnten sie keiner Fliege was zuleide tun, andererseits im Menschen wüten wie die Teufel.

Wie aber lauten nun die aktuellen Befehle von Otterfelliceps unilateralis an Kim d. Ä.?

Dies erfahren wir aus Berichten über dessen jüngste, gerade zu Ende gegangene China-Reise. Dort besichtigte der Koreaner unter anderem eine Fabrik für Solartechnik. (Wahrscheinlich weil er nach der Atom- nun auch die Solarbombe bauen will.) Aber Herr K. suchte auch eine Shopping Mall auf, aus der überliefert wird, er habe sich an einen Angestellten mit der Frage gewandt: »Wo finde ich hier Salatöl?«

Das ist eine wahre Geschichte. Unwahr ist, Kims Kiefer hätten sich zu diesen Zeitpunkt bereits in die Unterseite eines Salatblattes aus spanischer Produktion verbissen gehabt.

Illustration: Dirk Schmidt