Das Beste aus meinem Leben

Einer der großen Trends unseres Zeitalters ist: dass man alles selbst machen muss.Neulich traf ich nach Jahrzehnten einen Sandkastenfreund wieder. Wir führten ein Weißt-du-noch-Gespräch. »Weißt du noch?«, fragte er mich, »wie früher jeden Morgen der Milchmann die Milch vor die Haustür stellte?« Ich sagte, das wüsste ich noch, »und weißt du noch, dass der Bäcker morgens die Semmeln in einem Leinen-beutel an die Türklinke hängte?« Ja, sagte er, das wüsste er noch.Für Jüngere muss das klingen wie eine Geschichte aus uralten Zeiten, denn heute holt man die Milch natürlich selbst und sogar die Semmeln grabscht man mit einer Zange aus einem Plastik-behälter im Supermarkt. Man baut seine Möbel selbst zusammen, man gibt seine Bank-Überweisungen selbst in ein Terminal ein. Seine Pakete stopft man selbst in ein Paketannahmegerät. Als mich eine Frau von der Telekom anrief, um mir einen neuen Tarif für Telefon und Internetanschluss anzubieten, flehte ich, man möge mir aber weiterhin meine Rechnung auf Papier und per Post zuschicken, damit ich sie nicht selbst unter www.telekom.de/kundencenter suchen und ausdrucken müsse. Sie verstand mich erst gar nicht und sagte dann zögernd: ja, Papierrechnung, ja.Ein paar Tage später kam dann ein Brief von der Telekom, in dem es hieß: »Bitte beachten Sie, dass Sie keine Papierrechnung mehr bekommen.« Meine Rechnung fände ich künftig unter www.telekom.de/kundencenter.So geht das Tag für Tag.Aber nun ein Wort zu Frühstücksbuffets. Zu Buffets überhaupt. Ich sage dazu Folgendes: Wenn morgen jemand eine Bürgerinitiative für ein Verbot von Frühstücksbuffets gründete – ich wäre dabei.(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Graben im Rührei)

Ich finde Buffets unwürdig. Dieses Gerangel und Gedränge schon frühmorgens. Dieses Betrachten von schon stundenlang herumliegenden Speisen. Dieses Herumschnüffeln an ihnen. Dieses Graben in Rührei. Dieses Schaufeln. Dieses Aufhäufen. Diese Tischgymnastik: hinsetzen, aufstehen, Essen holen, aufstehen, Essen holen, hinsetzen, aufstehen… Dieses Betrachten fremder Teller. Dieses Allesselbstmachen. Und haben Sie mal die Leute beobachtet, die mit ihrem Frühstück in der Hand zum Tisch zurückgehen? Der Mensch bekommt da so etwas Hastig-Tierisches, manche sehen aus wie Frettchen nach dem Raubzug, auf dem Weg zurück in ihren Bau. Bitte verstehen Sie das nicht falsch. Ich selbst sehe ja genauso aus. Das ist es doch, was mich so ärgert. Ich möchte so nicht aussehen. Ich möchte, gerade beim Frühstück, eine Form von Würde ausstrahlen.Den Rest, was Frühstückbuffets angeht, hat mir neulich ein Roman gegeben, Mona von Alexander Gorkow. Ein sehr lesenswertes, süffig geschriebenes Buch, dessen Hauptfigur Blum heißt und in einer Firma für Kühlkettensysteme arbeitet. Kühlkette heißt: Lebensmittel sollen auf ihrem Weg von A nach B frisch bleiben. Wird im Hotel A einer Hotelkette etwas nicht gegessen, wandert es via Kühlkette ins Hotel F derselben Hotelkette, auf ein Buffet. So schreibt der Autor.Weiter führt er aus: »Unter hygienischen Gesichtspunkten ist ein Buffet nicht zu empfehlen. Gehen mehr als ein Dutzend Menschen redend an einem Buffet vorbei, ist der nicht sichtbare, aber faktisch umhergesprühte Speichelregen von erstaunlicher Dichte, jedenfalls entkommt man ihm nicht. Ganz zu schweigen von den Lebensmitteln, die von Serviergabeln und Servierlöffeln wieder in die Schüsseln und auf die Teller gleiten, und zwar nachdem sie mit Hilfe von Fingern auf die Gabeln und Löffel gelegt worden sind. Berührt der Mensch Lebensmittel, sieht die Sache gleich mal verheerend aus. Derart Verkeimtes, zurückgefallen auf den Teller der Unschuld, ist unter dem Gesichtspunkt der Hygiene und Gesundheit eine grelle Katastrophe.«Bitte, ich kann seit Wochen kein Buffet mehr sehen, ohne an diese Zeilen zu denken. Mir schmeckt da nichts mehr. Ich trinke am Hotelbuffet nur noch Kaffee und bedecke die Tasse mit der Untertasse, gegen den Speichelregen. Oder ich frühstücke auf dem Zimmer. Wobei ich als einer, der viel herumkommt, darauf hinweisen möchte, dass neuerdings – früher gab’s das nicht – selbst in den Zimmern besserer Häuser ein Heißwasserbereiter steht.Warum?DAMIT MAN SICH SEINEN KAFFEE SELBST ZUBEREITEN KANN!

Illustration: Dirk Schmidt