Der Babymoon ist aufgegangen

Schwanger in den Wellness-Urlaub zu fahren, wird als neuer Trend vermarktet. Daran findet unsere Autorin etliches fragwürdig.

Viele Wellness-Hotels bieten inzwischen spezielle Babymoon-Pakete an. Sich einfach nur am Pool zu entspannen, gehört natürlich auch dazu.

Foto: Sakepaint/istockphoto.com

Es gibt einen neuen Trend im an Trends nicht armen Lebensbereich »Elternschaft«: Den Babymoon, analog zum Honeymoon, also zur Hochzeitsreise – eine Wellness-Auszeit für werdende Eltern. Entstanden ist er so, wie die meisten Trends entstehen: Ein Industriezweig erfindet ein Bedürfnis, sucht dafür einen griffigen Namen, bezahlt ein paar Influenzer*innen für entsprechende Instagram-Auftritte, woraufhin mehr und mehr Medien über den »neuesten Trend« berichten.

Bis vor einiger Zeit bezeichnete man als »Babymoon« übrigens die Tage nach der Geburt, in denen sich die frisch gebackenen Eltern einfach mit ihrem Baby ins Bett zurückzogen, um verliebt das kleine Wunder zu betrachten. An dieser Art von Babymoon kann man aber natürlich nichts verdienen, es sei denn, man betreibt einen Pizza-Service. Deshalb hat die Reiseindustrie den Begriff kurzerhand umgedeutet und aus dem Umstand, dass sich manche Eltern vor der Geburt nochmal etwas Gutes tun wollen, Wellness-Pakete und Reise-Arrangements geschnürt: Schnuckelige Hotels, nicht zu weit von Entbindungskliniken entfernt, bieten schwangerentaugliche Verwöhnwochenenden an, mit Partnermassagen, Babybauch-Fototermin und »Papaführerschein«-Kursen.

Der Babymoon als neuer Trend ist  ein Indiz dafür, dass wirklich jeder Aspekt von Elternschaft inzwischen auf seine kapitalistische Vermarktbarkeit abgeklopft wird

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Jetzt ist es weder ungewöhnlich noch verwerflich, wenn werdende Erstlingseltern vor der Entbindung gemeinsam verreisen. Man kann sich dann immerhin in schöner Umgebung Sorgen um fehlende Kitaplätze, mangelnde Hebammenbetreuung und die Sicherheit des eigenen Jobs machen, in den man nach der Babypause wieder zurückkehren möchte. Aber der Babymoon als neuer Trend ist doch ein Indiz dafür, dass wirklich jeder Aspekt von Elternschaft inzwischen auf seine kapitalistische Vermarktbarkeit abgeklopft wird.

Elternsein scheint nur noch denkbar als eine Abfolge von Kaufentscheidungen und Events: Nachdem Schwangere einmal durch die komplette Vorsorgemühle gedreht wurden, teure Schwangerschaftsvitaminpräparate geschluckt, Yogakurse absolviert und wacker gegen die unvermeidlichen Dehnungsstreifen angecremt haben, gehört nun also auch ein Instagramtauglicher »Babymoon« zum Programm, dicht gefolgt von der »Babyshower«, bei der Freund*innen schon mal Geschenke für ein ungeborenes Kind kaufen müssen und im Gegenzug mit großem Überraschungsbrimborium mitgeteilt bekommen, welche primären Geschlechtsorgane auf dem letzten Ultraschallbild zu erkennen waren.

Dann nach der Geburt schnell ein Mama-Fit-Kurs, das strahlenärmste Babyfon erwerben, den Baby-Rücken-schonendsten Kinderwagen kaufen und schon mal ein bisschen was zur Seite legen, denn spätestens mit dem dritten Lebensjahr beginnen im Umfeld die Motto-Kindergeburtstagsfeiern, für deren Ausgestaltung es wieder einen eigenen Industriezweig und Dienstleistungssektor gibt. Einschulungsfeste, Kommunions- und Konfirmationsfeiern werden inzwischen geplant und ausgestattet wie kleine Hochzeiten, selbst das Ende der Sommerferien und der lästige Großeinkauf an Heften, Stiften und anderen Utensilien wird als großes »Back to school«-Shopping-Event beworben.

Klar, man muss da nicht zwingend überall mitmachen, aber wie schwierig es sein kann, sich Trends zu entziehen, die irgendwann zum Mainstream werden, kann jede*r bestätigen, der oder die beim letzten Kindergeburtstag kleine Geschenketütchen für die Gäste packen musste und sich dabei fragte, wer mit diesem Quatsch eigentlich angefangen hat. Je weiter das Leben mit Kindern von der Zeugung bis zum Schulabschluss durchkommerzialisiert wird, desto ausgrenzender wird es für alle, die da finanziell nicht mitspielen können. Mit jedem neuen heißen Ding, das man angeblich haben oder machen muss, um so viel wie möglich »richtig« zu machen als Eltern, bekommen alle anderen suggeriert, dass sie es eben nicht richtig machen.

Schön wäre, die Politik würde Eltern als Wähler*innen ebenso umgarnen wie der Markt Eltern als Kund*innen umwirbt. Dann gäbe es genug Kitaplätze, Hebammen würden vernünftig bezahlt, die Angst um den Job wäre unnötig, Schulen würden so ausgestattet, dass alle Kinder die gleichen Materialien gestellt bekämen – das Leben wäre soviel entspannter. Das wäre natürlich schlecht fürs Geschäft, denn dann könnte es passieren, dass werdende Eltern gar keinen Babymoon brauchen und stattdessen einfach zuhause auf dem Sofa bleiben, weil es da am Gemütlichsten ist.