Ozonschicht ums Herz

Unsere Autorin hat den Winter ganz ohne Infekte überstanden und glaubt den Grund dafür gefunden zu haben: tägliches Schwimmen im Chlorwasser des Hallenbads.

Foto: Maurizio di Iorio

Wie oft hab ich mir das Ding angesehen – diesen Lip-Sync-Clip von Sarah Cooper, in dem sie Donald Trumps vollidiotische Theorie nachstellt, man müsse gegen Covid-19 nur mal ein bisschen UV-Licht zu sich nehmen, oder am besten gleich Desinfektionsmittel. Kaputtgelacht hab ich mich …! Und jetzt? Bin ich tatsächlich überzeugt davon, dass ich nur deshalb als quasi einziger Mensch der nördlichen Hemisphäre komplett erkältungsfrei durchs vorige halbe Jahr gekommen bin, weil ich mir seit nunmehr vierzehn Monaten fast jeden Morgen locker einen halben Liter gechlortes Wasser durch die Nase ziehe. Einen Teil davon schlucke ich auch einfach runter. Der Beifang besteht aus Spuren von Dreck und allem, was Menschen sonst so im Becken eines Hallenbads hinterlassen und was den charakteristischen Chlorgeruch des urprünglich geruchlosen Gases erst möglich macht, aber damit möchte ich mich nicht näher beschäftigen müssen, wenn das okay ist.

Jetzt bin ich natürlich nicht Donald Trump und trompete haltlos irgendwelchen Mist durch die Gegend. Ganz im Gegenteil, ich stütze meine Theorie auf Tatsachen, und die sagen Folgendes: Die DIN-Norm 19643 zu Schwimmbädern verlangt im Beckenwasser zwischen 0,3 und 0,6 Milligramm pro Liter an freiem Chlorgas, das Gas wird meistens in Flaschen geliefert und dem Wasser über die Aufbereitungsanlage zugeführt. Im Periodensystem (Achtung,Chemie!) liegt Chlor in der 7. Hauptgruppe und der 3. Periode, trägt das Elementsymbol Cl und die Ordnungszahl 17. Es tritt als gelbgrünes Gas auf, daher auch der Name, der vom griechischen Wort chlorós kommt, was grün bedeutet. Chlor ist sowohl Bestandteil von Vulkangasen und hat Einfluss auf die Ozonschicht, es ist ein hochreaktives Gas, es reagiert mit nahezu allen Elementen.

Ich fühle, dass es etwas mit meinen inneren Vulkanen zu tun haben muss, mit der Ozonschicht um mein Herz

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Besonders heftige Dinge passieren, wenn es aufgeschmolzenes Natrium trifft: Unter spektakulär hellem Licht entsteht Kochsalz, also Natriumchlorid. Erhitzte Eisenwolle fängt an zu brennen, wenn sie mit Chlor in Berührung kommt, Kupfer zersetzt sich selbst. Chlor zerstört auch pflanzliches und tierisches Gewebe, verletzt also angeblich unsere Haut und Atemwege, aber da gehe ich nicht ganz mit, weil ich nicht das Gefühl habe, dass es mir etwas antut. Vielleicht liegt es daran, dass ich in Wahrheit doch eine Selkie bin (halb Frau, halb Robbe), vielleicht ist es aber auch einfach der Trick meiner Freundin Tina, die darauf schwört, sich direkt nach dem Duschen einzucremen, noch nass, ohne sich vorher abzutrocknen– also, meine Haut ist bummsweich trotz des ständigen Chlorwassers. Und meine Lunge lässt mich eine 25-Meter-Bahn durchtauchen. Das kann ich beweisen.

Aber warum zum Teufel beschützt mich das Chlor offenbar vor jeder Art von Infekt? Weil es Bakterien, Viren und Pilze tötet? Sollte es so simpel sein? Ich denke: nein. Es muss so viel größer sein – ich bin im Sternzeichen Fische geboren, glaube also an allen möglichen Quatsch. Was kein Quatsch ist: In Form von Chloridionen kann das Element regulierend auf unseren Säure-Basen-Haushalt wirken, was ja bekanntermaßen der Trick ist, um gesund zu bleiben. Ich fühle aber, dass es außerdem etwas mit meinen inneren Vulkanen zu tun haben muss, mit der Ozonschicht um mein Herz, mit den Zahlen 7, 3, 17 und eventuell auch mit der 25, und in meiner Brust spüre ich fast täglich die lodernde Eisenwolle.

Kupfer kann ich nicht leiden, ich trage nur Goldschmuck, bin aber sicher, dass in meinem Magen eines Tages eine Tropfsteinhöhle entstehen kann, wenn meine Tränen sich nur genug anstrengen. Wo ich mir jetzt gar nicht sicher bin, ist, ob ich in meiner gechlorten Form überhaupt schon in Europa zugelassen wurde, aber zur Not tauche ich eben ab, nehme einen großen Schluck Chlorwasser und verwandle mich selbst in ein neues chemisches Element.