Ja heißt Ja

Im Leben von Mädchen und Frauen dreht sich schon früh vieles um das Nein. Eine Bar hingegen ist ein Ort des Ja-Sagens – und kann einem das glückselige Gefühl schenken, sich für etwas entschieden zu haben.

Foto: Erli Grünzweil

Eine Bar ist ein Ja-Ort, vielleicht mag ich Bars deshalb so gern. Die Regeln sind herrlich einfach. Man setzt sich und wird gefragt, ob man was trinken möchte, kann Ja sagen. Dann bekommt man die Karte und wird gefragt, ob man sich schon entschieden habe, kann wieder Ja sagen. Und dann bestellt man, irgendwie auch ein Ja.

Am Ende des Abends verlässt man den Ja-Ort mit dem guten Gefühl, sich für etwas entschieden zu haben und nicht immer nur dagegen. Als Frau ist das gar nicht mal so häufig. Ein Leben im Ja muss man sich erarbeiten. Denn im Aufwachsen als Mädchen dreht sich sehr vieles um das Nein. Was man nicht soll, was man nicht darf, was sich nicht gehört, und kaum ist man in der Pubertät, was man besser nicht will. Manchmal scheint es, als würde Frauen als höchste Stufe der Selbstermächtigung, quasi als Formvollendung der Individualität, die Abwehr beigebracht. Noch bevor sie wissen, was sie wollen könnten, bekommen sie gesagt, was sie nicht wollen sollen.

Vielleicht ist das nur logisch: Nach Jahrhunderten, in denen Männer Frauen dominierten, für unmündig erklärten, abhängig hielten und straffrei über deren Körper bestimmen durften, ist das Leben im Nein für die Frau eine historisch gewachsene Figur. Im besten Fall konnte man sich erfolgreich verweigern. Die Reste dieser Welt finden sich auch in der Gesetzgebung. In vielen europäischen Ländern muss eine Frau durch einen Kampf beweisen, dass sie keinen Sex will. Die EU wollte das neulich ändern. Dann hätte es heißen können: Ja heißt Ja, nur Konsens-Sex ist straffrei.

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Klingt wie eine Binsenweisheit, ist aber auch in Deutschland nicht geltende Rechtslage. Der Default-Modus ist ihr Einverständnis. Die Frau muss Nein sagen, sonst gilt sie nichts. Das ist frauenfeindlich. So wie die ganze Denke freiheitsfeindlich ist. Denn ein weiteres Opfer dieser aufs Neinsagen, Sich-Wehren und Abgrenzen bedachten Selbstbestimmungslogik ist doch die Entfaltung – und zwar lange bevor man mit einer Sexualstraftat konfrontiert ist.

Das Neinsagen scheint eine wuchernde Monokultur zu sein

Man muss nur einen Vormittag auf dem Kinderspielplatz verbringen, eine Pause auf dem Schulhof, einen Nachmittag in der Frauensauna, den Nachbartisch beim Lunch belauschen, abends auf der Clubtoilette zuhören: Überall bekommen Mädchen erklärt, dass sie sich wehren müssen, oder Frauen bestärken einander darin, dass sie sich da ruhig wehren können. Ermächtigung ist, wenn man dies und das nicht mehr mit sich machen lässt. Nein sagen als Emanzipation. Klar, dass es gelegentlich nicht anders geht, und jedes klare Nein ist richtig. Bloß scheint mir das Neinsagen eine wuchernde Monokultur zu sein. Alles immer nein. Ein Selbst kann sich doch nicht nur im Ablehnen formen. Auch deshalb muss eine neue Gesetzgebung her. Aus Nein heißt Nein muss Ja heißt Ja werden.

Juristisch kehrt das die Beweislast um. Ob das in der Praxis sofort etwas verändert, ist gar nicht mal sicher. Auch Richter und Richterinnen sind ja seit vierzig Jahren in einem Patriarchat lebende und ebenda ausgebildete Menschen und werden nicht von heute auf morgen verinnerlichen können, dass Dominanz niemandem qua Geschlecht zusteht. Für die jungen Frauen aber wäre eine andere Rechtsprechung ein Signal, das sie noch verinnerlichen können. Mit einem »Ja heißt Ja«-Gesetz würde ihnen neben der Garantie ihrer körperlichen Integrität noch etwas anderes winken: das Jasagen. Die Option im Kopf: Ich sage Ja! Die Weltsicht: Es gibt tausend tolle Sachen, zu denen ich Ja sagen kann. Ich entscheide. Womöglich ein ganzes Sein im Ja. Und da geht es um mehr als um einen Besuch in der Bar und ein paar selbstbestimmte Kurze. Es mag mit dem Nebeneffekt einhergehen, am Ende ein anderes Leben zu führen. Mit mehr von allem. Ja, Prost!