Rentner an Bord

Unsere Senioren-Kolumnistin musste ihr Auto abgeben. Und sie hätte es eigentlich schon viel früher tun sollen. Denn sie findet, dass alte Menschen hinter dem Steuer viel zu häufig eine Gefahr sind.

Illustration: Nishant Choksi

Ich fahre ihn zum letzten Mal aus der Tiefgarage. Dann stelle ich ihn ab, schiebe die Automatikschaltung auf Parken und mache noch einmal das Handschuhfach auf. Es ist leer bis auf die Fahrzeugpapiere. Alles draußen, selbst die Zwei-Euro-Stücke und die Papiere von den Salbeibonbons, die ich gerne gegen Halskratzen lutsche. Ich öffne die Tür, steige aus und drücke der Frau, die neben dem Auto steht, die Schlüssel in die Hand.

Tschüss, mein lieber treuer Golf. Ab jetzt fährst du eine junge  Frau zu Tennisverabredungen, Geschäftsterminen und Wanderausflügen. Aber ich werde nie wieder hinter dem Steuer eines Wagens sitzen.

Ich hätte mein Auto schon vor langer Zeit verkaufen sollen. Ich war immer eine passable Autofahrerin, gut im seitlichen Einparken und im Fahren auf kurvigen Waldstraßen sowieso. Aber ich sehe immer schlechter. Seit einigen Monaten fahre ich nur noch Strecken, die ich gut kenne und bei denen ich die Ortsschilder nicht lesen muss. Aber ich weiß: Meine Zeit auf dem Fahrersitz muss enden. Ich bin eine Gefahr.

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Das Auto zu verkaufen fiel mir trotzdem schwer. Als alte Frau muss ich ständig mit Einschränkungen zurechtkommen. Damit, dass ich nicht mehr viel tragen kann. Damit, dass ich Menschen nicht mehr gut verstehe. Damit, dass ich morgens die Zeitung kaum noch lesen kann. Das Auto war für mich ein letzter Rest Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Ich konnte meine Einkäufe erledigen und wann immer ich wollte aus der Stadt rausfahren, auf der Landstraße durch die Gerstenfelder fliegen, es in einem kleinen Ort abstellen und loslaufen.

Ich kenne niemanden, der das Autofahren im Alter gerne aufgegeben hat. Es kratzt am Stolz, an der Mündigkeit, an der Selbstbestimmung. Und viele meiner Bekannten wollen das nicht wahrhaben und machen sogar noch Witze darüber, dass sie nur wegen ihrer langen Erfahrung als Autofahrer noch keinen Unfall gebaut haben. Ich finde das unverantwortlich.

Die Senioren müssen runter von der Straße. Genauso übrigens wie Hitzköpfe und andere Autofahrer, die aus Unsicherheit nicht gut reagieren. Die Politiker diskutieren ja immer wieder darüber, ob es im Alter verpflichtende Fahrtests geben soll. Eine gute Idee! Aber doch bitte für alle Altersstufen. Ich bin mir sicher, dass der Verkehr viel ruhiger und sicherer wäre, wenn alle Autofahrer ihr Können und ihre gesundheitliche Eignung in regelmäßigen Abständen überprüfen lassen müssten. Als jemand, der auf Landstraßen schon vielen Menschen hinterhergefahren ist, die wirr bremsen, beschleunigen und die Spur nicht halten können, weiß ich, wovon ich rede.

Ich habe jetzt auch meinen Stellplatz in der Tiefgarage gekündigt. Schade, dass die Entwicklung dieser selbstfahrenden Autos so langsam vorwärts geht. Das wäre meine liebste Lösung gewesen. Einsteigen zu können, mein Wunschziel zu nennen und einfach von dem Auto dorthin gefahren zu werden. Zu dem Berg mit der schönen Aussicht, dem Lokal mit den guten Bratwürsten, dem Bauernhof mit dem guten Holzofenbrot. Ein Stückchen Freiheit. Arbeitet mal daran, ihr jungen Leute.