In Folge 87 seiner "Theme Time Radio Hour" griff Bob Dylan gestern ein besonders philosophisches Thema auf: Nichts. Beziehungsweise: Nothing. "As most of you know I've studied nothing my entire life", bekannte er gleich zu Beginn der Sendung, die allwöchentlich vom US-Satellitensender XM Radio ausgestrahlt wird. Dazu lief im Hintergrund "Nuthin' But A 'G' Thang" von Dr. Dre; Dylans naheliegender Kommentar: "For shizzle my fizzle".
Einer der vielen faszinierenden Randaspekte der Show, die ich aufs Nachdrücklichste empfehlen möchte, sind die lebenspraktischen Ratschläge, die Dylan von Zeit zu Zeit verkündet. Ich erinnere mich an einige Kochrezepte (es waren, glaube ich, Buletten und Tomatensoße) sowie an präzise Instruktionen, wie man seine Kleidung von Blutflecken reinigen kann. Diesmal verlas er eine Email, in der ein gewisser Bill Shield beklagte, dass er und seine Frau sich ständig streiten würden. Die Eheberatung sei erfolglos gewesen – ob Dylan vielleicht einen Rat hätte? Na klar, hatte er. "Here is what you do. You and your wife sit in a room. Just look at each other, and nobody says nothing. Just keep quiet. Eventually you're gonna wanna talk. Don't! This is where most people make their mistake. The frustration works its way to the surface and whatever you say will just make the other person angry. Keep quiet a while longer. Look at the other person. Remember why you were with them. Finally, you'll know it's time to talk – when you remember how much you've missed them. The silence you hear is what your life would be like without them. Sometimes it's important to just take the time to remind yourself why the other person is there. I guarantee it'll work."
Weitere Höhepunkte: ein Song von Marlene Dietrich, der Dylan zu dem Jubelausbruch "Boy, what can you say about that – just fabulous" veranlasste. Und Toussaint McCall's epochale Soul-Ballade "Nothing Takes The Place Of You", die übrigens zu den 1000 Songs der SZ-Diskothek gehört, und zwar im Jahr 1967. (Auch "Nuthin' But A 'G' Thang" ist Teil der SZ-Diskothek und auf dem Jahresband für 1992 zu finden.) Hier ist, als kleine Ergänzung zu Dylans gestriger Sendung, der Original-Text aus der SZ-Diskothek zu "Nothing Takes The Place Of You":
"Zum Musikgeschäft pflegte Toussaint McCall eine pragmatische Einstellung. Obwohl Mitte der Sechziger durchaus erfolgreich, hatte der Sänger aus Louisiana irgendwann keine Freude mehr an Aufnahmen und Auftritten; und ohne dem verpassten Ruhm hinterherzutrauern, begann er, wieder als Lehrer zu arbeiten. Zurück blieben eine LP und eine Hand voll Singles, darunter die meisterliche Soulballade »Nothing Takes The Place Of You«. Die von McCall selbst gespielte Hammondorgel prägt den warmen Sound dieses zeitlosen Tränenziehers; darüber singt McCall zart verhallt seine prototypische Geschichte der gescheiterten Liebe, auf dass jene, die dasselbe erlebten, in seiner Darbietung ein wenig Trost finden. Es ist ein Song, der den Hörer umschließen kann wie eine Heizdecke an einem kalten Winterabend – der einsame Höhepunkt von McCalls Schaffen. Erst 1987 kam der Sänger überraschend wieder einmal zum Vorschein, für einen denkwürdigen Kurzauftritt in John Waters' Kultfilm Hairspray."