Mir san mim Radl da

Die schönsten Radtouren Deutschlands - aus dem SZ-Magazin vom 20.4.2000 Ausgewählt von den Experten: Wolfgang Große, Ex-Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs, e.V.; Hanka Kupfernagel, Deutschlands erfolgreichste Radsportlerin, Weltranglisten-Erste und Rad-Cross-Weltmeisterin; Henning Scherf, Ex-Bürgermeister von Bremen; Rudolf Scharping, Ex-Bundesverteidigungsminister; Karl Eichinger, Sänger der Gruppe Münchner Zwietracht ("Ja, mir san mit'm Radl da")

    Rund um die Hamburger Elbinsel Wilhelmsburg, 35 km

    Wenn man Wilhelmsburg im Zug oder auf der A 1 überquert, wirkt die Insel recht trostlos. Doch sie ist interessanter, als man denkt - und das erschließt sich am besten auf dem Fahrrad. Los geht's am S-Bahnhof "Harburg Rathaus". Über die Alte Elbbrücke fahren wir hinüber nach Wilhelmsburg und dann an der alten Windmühle vorbei nach Moorwerder. Ich raste meist an der "Bunthausspitze", wo man von einem kleinen Leuchtturm einen schönen Blick auf die Norder- und Süderelbe hat. Danach fahren wir weiter zum Naturschutzgebiet Heuckenlock, dem letzten Tide-Auenwald Europas. Der Rückweg nach Harburg führt dann leider an der Autobahn entlang. Wolfgang Große

    Am Elbufer entlang von Dannenberg nach Wittenberge, 90 km

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    Die Elbe habe ich von der Quelle im Riesengebirge bis zur Mündung in Cuxhaven bereist und die Tour von Dannenberg nach Wittenberge, durch die Elbauenlandschaft, gehört zu den schönsten Abschnitten dieser vielfältigen Route. In Dannenberg nehmen wir den Radfernweg Hamburg-Schnackenburg und fahren flussaufwärts bis zur Brücke in Dömitz. Hier mache ich in der Regel einen Abstecher zur Wanderdüne Klein-Schmölen - ein echtes Erlebnis. Danach geht es zur Elbe zurück und auf dem Deich weiter bis Mödlich. In Lenzen setzen wir mit der Fähre über und treffen wieder auf den Radfernweg, der uns direkt nach Schnackenburg führt, der kleinsten Hafenstadt Deutschlands. Nun fahren wir rechts der Elbe entlang, an Kranich- und Reiherkolonien vorbei, und sind schon bald in Wittenberge.

    Wolfgang Große

    Von Berlin-Wannsee nach Petzow und wieder zurück, 100 km

    Als Radprofi sitze ich fast täglich im Sattel, ich muss schließlich trainieren. Eine meiner liebsten Trainingsstrecken führt von Wannsee nach Petzow, vorwiegend über kaum befahrene Straßen und durch schöne Brandenburger Landschaft. Von Wannsee fahren wir über Kleinmachnow, Stahnsdorf und Güterfelde nach Schenkenhorst und biegen dort links ab, Richtung Sputendorf. Über Ludwigsfelde, Gröben, Saarmund kommen wir nach Michendorf, wo wir 800 Meter auf der B 2 fahren müssen und dann links nach Caputh einbiegen. Von Caputh nach Ferch führt ein neuer Holzfahrradweg am Ufer des Schwielowsees entlang - so etwas habe ich noch nirgendwo sonst gesehen, und ich kenne wirklich viele Fahrradwege. In Ferch folgt dann ein Stück Straße mit Kopfsteinpflaster, da muss ich immer an den Radsportklassiker Paris-Roubaix denken. Dann geht's geradeaus nach Petzow, wo man im Restaurant "Zur Schmiede" einkehren kann - wenn man nicht gerade auf Zeit fährt. Der Rückweg führt über Geltow, Potsdam und die Glienicker Brücke nach Berlin-Wannsee. Nur 100 Kilometer lang, die Strecke. Dafür brauche ich drei bis vier Stunden. Und Sie?

    Hanka Kupfernagel

    Rund um die Burg Ranis, 70 km

    Als Kind habe ich im thüringischen Ort Neustadt/ Orla gewohnt und Rad fahren gelernt. Noch heute trainiere ich gern in der Gegend, vor allem weil die kleinen Straßen in Thüringen in den vergangenen Jahren alle neu asphaltiert wurden und weil es viel bergauf und bergab geht - gut für die Muskeln. Eine meiner Lieblingstouren startet in Neustadt/Orla und führt über Kospoda, Quaschwitz, Keila, Moxa und Schmorda hinauf zur Burg Ranis. Die Festung ist über 1000 Jahre alt und nahezu komplett erhalten - da lohnt sich eine Rast. Dann fahren wir weiter nach Pößneck und dort rechts auf der B 281 Richtung Neustadt, dann aber links Richtung Freienorla/Orlamünde. Über Kleindembach, Langendembach und Lichtenau gelangen wir zurück nach Neustadt/Orla. Ende Juli/Anfang August bin ich übrigens wieder in Thüringen, zur Internationalen Thüringen-Rundfahrt für Frauen.

    Hanka Kupfernagel

    Durch die Wümmewiesen nach Fischerhude, 76 km

    Links und rechts der Wümme ist die Landschaft so norddeutsch, norddeutscher geht's nicht: Wildblumen, von Gräben durchzogene Moorlandschaften, wiederkäuende Kühe. Durch diese Wiesenlandschaft gibt es viele Wege, einer meiner liebsten führt in das Künstlerdorf Fischerhude. Wir starten am Bremer Hauptbahnhof, nicht weit vom Haus meiner Hausgemeinschaft in der Innenstadt. Durch den Tunnel neben dem Bahnhofsgebäude fahren wir Richtung Universität. Dann folgen wir der Parkallee, bis sie einen Bogen nach rechts macht. Wir fahren geradeaus und nehmen den Rad- und Wanderweg am Kuhgraben, der uns zu einer kleinen Schleuse bringt, dem Kuhsiel. Wir passieren das Schöpfwerk und machen nach zirka 300 Metern einen kleinen Linksschlenker. Ab jetzt geht's weiter auf dem Wümmedeich, bis wir nach ein paar Kilometern auf eine Radwegekreuzung kommen und uns links halten, Richtung Lilienthal. Über Borgfeld kommen wir schließlich in das Künstlerdorf Fischerhude. Wir haben jetzt etwa Halbzeit und sollten eine Pause machen, vielleicht durch Fischerhude schlendern und das Otto-Modersohn-Haus besuchen. Hier hat Otto Modersohn nach dem Tod seiner Frau Paula Modersohn-Becker die letzten 35 Jahre seines Lebens verbracht. Für den Rückweg fahren wir auf der anderen Seite der Wümme in Richtung Bassen, Oyten und Rockwinkel. Über die Rockwinkler Landstraße kommen wir in die Bremer Innenstadt. Wenn wir in die Hollerallee abbiegen, sind wir wieder am Hauptbahnhof. Ich fahre noch ein bisschen weiter geradeaus und bin in fünf Minuten zu Hause.

    Henning Scherf

    Von Bremen nach Bremerhaven, 60 km

    Wiesen und Deiche, so weit das Auge reicht, Siele und Sperrwerke, fruchtbare Marschen mit Rindern und Schafen, mittelalterliche Dorfkirchen, Seefahrtsromantik und schließlich eine Prise Meerluft - diese einzigartige Mischung ist es, die ich an dieser Tour entlang dem Weser-Radweg so liebe. Wir starten mitten im Stadtzentrum an der Weserpromenade und queren die Weser über die Stephanibrücke, halten uns rechts, passieren das Gebäude am Neustadtsbahnhof und zweigen hinter diesem nach rechts in die Woltmershauser Straße. Über die Simon-Bolivar-Straße, die Mittelkampstraße, die Butjadinger Straße und den Kamphofer Damm gelangen wir auf den Neuen Schutzdeich und über diesen schließlich zur Stromer Landstraße. Links stoßen wir auf die Senator-Apelt-Straße, auf der wir den Containerterminal am Neustädter Hafen passieren und sodann in die Wesermarsch eintauchen. Von Seehausen aus steuern wir das Seehauser Ufer an - hier bietet sich eine wunderbare Sicht auf die weitläufigen Bremer Hafenanlagen. Mit dieser maritimen Einstimmung geht es weiter am Fuß des Weserdeiches nach Tecklenburg und Deichshausen. Über Ritzenbüttel, Bardenfleth, Motzen und Ganspe fahren wir nach Warfleth - hier lohnt sich ein Blick auf die in den Deich hineingebaute Schifferkirche St. Marien aus dem 15. Jahrhundert. Wir begleiten den Weserdeich bis zur Siedlung Ohrt, orientieren uns dort landein und gelangen über die Hunte nach Elsfleth. Am Ortsende passieren wir den Straßenabzweig zum Huntesperrwerk und gelangen wieder an den Weserdeich. Nun heißt es radeln, radeln am Fuße des Deiches entlang. Als nächste Station erwartet uns die Seehafenstadt Nordenham, einst der erste deutsche Petroleumhafen. Dann sind wir bald am Fähranleger Blexen, wo wir auf Deutschlands größter Flussfähre nach Bremerhaven übersetzen. Eine halbe Stunde können wir uns hier, an der fast zwei Kilometer breiten Mündung der Weser, die Seeluft um die Nase wehen lassen. Zurück nach Bremen fahre ich bequem mit dem Zug und lasse die vielen Eindrücke noch einmal in Gedanken vo- rüberziehen.

    Henning Scherf

    Kreuz und quer zwischen Rhein und Lahn, Westerwald und Taunus, 130 km

    Ob rund um schleswig-holsteinische Seen oder längs der Saale in Sachsen-Anhalt, ob in Ostfriesland, im Münsterland, in der Lüneburger Heide oder sogar im Ruhrgebiet - überall in Deutschland habe ich schon reizvolle und sportlich herausfordernde Radtouren gemacht. All dies gibt es auch in meiner Heimat. Los geht's in Lahnstein, wo ich wohne. Gegenüber von Schloss Stolzenfels fahren wir ein kurzes Stück am Rhein entlang und dann auf einem gut ausgebauten Radwanderweg nach Bad Ems. Von dort geht es über Arzbach nach Montabaur. Ein paar Kilometer, teils steil bergan, fordern auch die sportlich ambitionierten Fahrer. Aber von Montabaur aus können wir das Rad laufen lassen, durch das Gelbtal mit seinen ansehnlich gepflegten kleinen Ortschaften. Wieder an der Lahn, stehen wir vor der bekannten Alternative: rechts oder links? Links heißt Richtung Obernhof, wo wir nach einigen Kilometern mit dem ebenso unbekannten wie guten Lahn-Wein den Durst stillen. Aber dann geht es über den Taunus zurück. Das ist im Mittelgebirge eine echte Herausforderung, die nach insgesamt zirka 130 Kilometern in Lahnstein endet. Zurück nach Lahnstein kommen wir aber auch über den Lahntal-Radwanderweg, wenn wir rechtsherum fahren, also lahnabwärts. Dann emp-fehle ich eine Pause in Nassau, wo man auf den Spuren des Freiherrn vom Stein wandeln und über seine Ideen der Selbstverwaltung als der Grundlage freier Gemeinden nachdenken kann. Schließlich kann es nicht schaden, zusammen mit dem Körper auch den Geist zu trainieren.

    Rudolf Scharping

    Durch München an der Isar entlang, 15 km

    Das Gute an dieser Radtour: Zum einen kann man, wenn man zeitig aufbricht, immer mit dem Gesicht zur Sonne fahren, zum anderen für die lästige Rückfahrt die U-Bahn benutzen. Start ist beim Tierpark Hellabrunn, wegen der guten Parkmöglichkeiten und der guten U-Bahn-Verbindung (U3). Am Flaucher vorbei (Vorsicht, Nackerte) geht's in Richtung Norden. Wir radeln durch die Isarauen und am Deutschen Museum, dem Müller'schen Volksbad und der Praterinsel vorbei zum Maximilianeum. Es geht weiter zum Friedensengel und in Richtung Tivolibrücke. Besonders Durstige fahren nun über die Brücke in den Englischen Garten, zum Chinesischen Turm. Hier winken Brotzeit, eine gute Maß Bier, sonntags Blasmusik und immer ein freies Platzerl. Wir fahren jedoch geradeaus weiter Richtung Unterföhring. Nach dem Stauwehr und einer kurzen Fahrt durch die Auen folgt die wohl schwierigste Entscheidung des Tages: rechts in den Biergarten "Emmeramsmühle" mit seinen herrlichen Brotzeiten oder links zum Endspurt in den "Aumeister", den großen Biergarten am Föhringer Ring? Vom "Aumeister" aus sind es jedenfalls nur wenige Meter bis zum U-Bahnhof "Studentenstadt", von dem uns die U-Bahn bequem zum Tierpark zurückbringt.

    Karl Eichinger