Mach die Flatter

Viele Harry-Potter-Fans haben sich Eulen als Haustiere gekauft. Jetzt ist der Hype vorbei - und der lästige Fanartikel soll weg. Nur: wohin?     

Vor rund zehn Jahren hatte Pamela Toothill sechs Eulen aufzupäppeln in ihrem Tierheim in Corwen, im Norden von Wales. Die hießen Wendy, Gabby, Bibo, Jenny, Woody und Madeline. Heute hat sie 104 Eulen, und fast alle heißen Hedwig. So wie die Schneeeule des Romanhelden Harry Potter. 1997 kam das erste Buch der siebenteiligen Reihe auf den Markt, 2001 der erste Teil der Verfilmung ins Kino. Der Zauberlehrling Harry wurde weltbekannt. Und nachdem die Fans mit Potter-Schulmäppchen, Bettwäsche und Zauber-Kit nicht mehr glücklich zu machen waren, bekamen sie eben Eulen als Haustiere. Zumindest in Großbritannien, denn dort können sich, anders als in Deutschland, Frankreich oder den USA, auch Privatpersonen ein solches Tier einfach in der Tierhandlung oder beim Züchter kaufen. Aber der Zauber lässt nach. Die Geschichte ist auserzählt und abgedreht. 2012 ist das erste Jahr ohne neuen Film, und Hunderte Potter-Fans wollen ihr Haustier loswerden, diese Eule, den komplizierten Fanartikel.

Vor ein paar Monaten fing es an: Pamela Toothill wurden ständig Eulen zur Verwahrung in ihr Tierheim gebracht. Von Tierschützern, die die Tiere angefahren an Schnellstraßen gefunden oder in Hinterhöfen aus Taubennetzen befreit hatten. Aber auch von Besitzern, die schlichtweg die Freude an ihrem Haustier verloren hatten. »Die Leute haben Harry Potters Eule im Film gesehen und gedacht, Eulen seien süß und weich und zutraulich. Und jetzt, wo der Potter-Hype vorbei ist, merken sie, dass sie viel Arbeit machen, und wollen sie loswerden«, sagt Pamela Toothill. Auch viele andere Tierheime in England sind völlig überfüllt. Auf der Großbritannien vorgelagerten Isle of Wight wurde sogar ein neues Tierheim eröffnet, um die ausgesetzten Eulen der Potter-Fans aufzunehmen, die in den bestehenden Einrichtungen nicht mehr untergebracht werden konnten.

Selbst die Autorin der Saga, Joanne K. Rowling, hat sich schon eingeschaltet, um Aufklärung zu leisten. Immerhin klang es in ihren Büchern ganz einfach, eine Eule zu halten: Als Elfjähriger bekommt der Zauberlehrling Hedwig geschenkt. Die Eule lebt zunächst mit ihm in einem Verschlag unter der Treppe und später in einer Klause unter dem Dach. Nachts öffnet er ihr immer das Fenster, und Hedwig jagt sich dann draußen einen Snack. Wenn sie satt ist, kommt sie zurück. Zum Transport sperrt Harry die Eule in einen runden Käfig, von dem Tierschützer selbst für Kanarienvögel abraten, weil er wenig Grundfläche hat. »Falls irgendjemand durch mein Buch den Eindruck gewonnen hat, Eulen seien glücklich, wenn sie in einem Käfig in einem Haus leben, dann möchte ich diesen Menschen sagen: Ihr irrt«, sagt die Autorin jetzt.

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Tatsächlich wussten die meisten Fans gar nichts über Eulen. Nicht mal, dass die meisten Arten in Gefangenschaft bis zu 30 Jahre alt werden. Eine ältere Frau etwa habe ihr zwei Eulen gebracht, die sie jahrelang in einem Kleiderschrank gehalten hatte, erzählt Pamela Toothill. Eine Familie hatte ihre Eule kaum gefüttert, weil sie dachte, das Tier jage sich schon selbst seine Mahlzeiten. Völlig abgemagert und mit schlechtem Federkleid lieferten sie ihre Hedwig vor vier Wochen bei Pamela Toothill ab. Britische Tierschutzorganisationen befürchten, dass die meisten Potter-Fans ihr Tier nicht im Heim abgegeben, sondern irgendwo im Wald ausgesetzt haben – im Glauben, sie täten etwas Edelmütiges. Auch Malcolm Jones, der seit 46 Jahren mit Eulen arbeitet und in Ebbw Vale, im Süden von Wales, ein Eulenheim führt, hat neuerdings mit Harry-Potter-Fans zu tun. Ein Mädchen habe seine Eule bei ihm abgegeben, weil die einfach nicht auf seiner Schulter sitzen wollte. Ein anderer junger Fan hatte seiner Eule eine Kordel um den Fuß gebunden und versucht, mir ihr spazierenzugehen.

Tiere aus Kinderfilmen haben es immer schwer. Sie werden im Fan-Rausch gekauft und danach recht schnell vernachlässigt. Das war schon bei den Schildkröten so, die sich viele Fans der Hero Turtles gewünscht hatten. Anfang der Neunziger waren die britischen Seen, Flüsse und Kanäle voller Schildkröten. Tausende, schätzte man damals, wurden von gelangweilten Fans einfach in irgendein Gewässer in der Nähe entsorgt. Nicht lange nachdem der Film 101 Dalmatiner im Kino gelaufen war, landeten in deutschen Tierheimen auffällig viele Dalmatiner. Und die Tierheime in Los Angeles organisierten, schon bevor der Film Beverly Hills Chihuahua in die Kinos kam, Dutzende kleine Zwinger. Wissend, dass die bald gebraucht werden würden.

Foto: dpa

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