Besser als ein Schnauzer

Jeden Abend nach der »Tagesschau« macht sich Linda Zervakis unsichtbar. Dazu braucht sie nur einen Handgriff – und ein Hilfsmittel, das man in der Drogerie kaufen kann.


Wer:
Linda Zervakis, »Tagesschau«-Sprecherin, Journalistin
Was: Haargummi, 10er-Pack, ca. 3 Euro
Warum: Sich nicht verfransen

Die meisten Menschen kennen mich nur aus dem Fernsehen, mit offenen Haaren. Sobald ich das Studio verlasse und mich abschminke, zücke ich automatisch ein Haargummi und beende damit den Arbeitstag. Davor gilt Haargummi-Verbot, auch zwischen den Sendungen. Jede Frau weiß warum: Auf Kinnhöhe entsteht sonst ein Knick in den Haaren. Die Handbewegung, die den Zopf einfängt, leitet sozusagen meinen Feierabend ein.

Der Gummi im Haar wirkt wie ein Tarnmantel. Menschen sind Gewohnheitstiere, deshalb erkennen mich viele Leute überhaupt nicht mit Pferdeschwanz, oder müssen zweimal hinsehen: »Ist das nicht... ja, die Frau vom Markt, die Kartoffeln verkauft.«

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Wenn ich dringend ein Haargummi brauche und keines finde, werde ich nervös. Früher habe ich manchmal in der Not rote Haushaltsgummis als Ersatz genommen. Aber wer sich einmal unter Schmerzen eines dieser fiesen Dinger aus den Haaren operieren musste, gewöhnt sich schnell an, immer für ausreichend Gummis zu sorgen. Wenn nur noch eines in der Schublade liegt, bin ich alarmiert: Achtung! Haargummi-Engpass!

Ich mag das Wort nicht, aber ich mag es praktisch. Erst recht, seit ich Mutter bin. Offene Haare vertragen sich gar nicht gut mit kleinen Kindern. Sie hängen überall dazwischen und schreien förmlich: Reiß mich aus. Eine Kurzhaarfrisur kommt mir nicht auf den Kopf. Abgesehen davon leide ich unter einem handfesten Frisur-Trauma. Ich war schon als kleines Kind nicht sonderlich glücklich über meinen Mireille-Mathieu-Bubikopf – und dann kam mein 18. Geburtstag: Ich saß als Haarschneidemodell bei Vidal Sassoon. Nachdem der Friseur mit mir fertig war, bin ich heulend aus dem Salon gelaufen. Er hatte mir einen Altherrenschnitt verpasst. Ich sah aus wie ein Mann. Seit diesem Tag wachsen meine Haare.

Mein Haar ist sehr schwer. Um mal vom Pferdeschwanz wegzukommen und hipper aufzutreten, habe ich versucht, mir einen Blogger-Knoten zu machen; so nennt man den Fashionista-Dutt mitten auf dem Kopf. Aber es geht nicht, ich habe einfach zu viele Haare. Wenn das hier irgendeine Frisuren-Bloggerin da draußen liest: Bitte! Wie bekomme ich das hin? Welcher Haargummi schafft das?

Störrisch sind meine Haare auch. Sie müssen geglättet werden sonst sehe ich aus wie ein aufgeplatztes Sofakissen. Ein einziges Mal ließen meine Maskenbildnerinnen im Studio von tageschau24 meine Haare luftgetrocknet. Ich war mit dem Rad gekommen und hatte vom Fahrtwind eine irre 80er-Jahre Föhnfrisur. Vor dem Spiegel dachte ich tatsächlich noch: Hat was! Während der Sendung verselbstständigten sich die Haare allerdings und ab Stunde drei fragte man sich: Warum gibt denn niemand der armen Frau ein Haargummi?

Die ARD schreibt mir nicht vor, wie lang oder kurz meine Haare sein dürfen. Da herrscht ein Urvertrauen in die weibliche Vernunft. Äußere Veränderungen von Nachrichtensprechern sind auch sofort ein Thema in den Medien. Bei Frauen sind es die Haare; bei Männern die neue Brille oder wie bei Ingo Zamperoni der Bart. Mich würde interessieren, was passiert, wenn ich mir einen Schnauzer stehen lasse. Das könnte ich noch anbieten, mit meinem Haupthaar betreibe ich nämlich wenig Aufwand. Die Wahrheit ist ja: Meinen Beruf habe ich nur gewählt, damit mir regelmäßig jemand die Haare föhnt.

Soeben erschien Linda Zervakis Autobiografie »Königin der bunten Tüte« im Rowohlt Verlag.


Foto: Marcus Höhn