»Meine Karriere ist eine Achterbahnfahrt, bei der es öfter runter geht als rauf«

Der Countrysänger Jim Lauderdale hat schon so viele Flops gelandet, dass sein Name in Nashville für kommerziellen Misserfolg steht. Hier erklärt er, warum er trotzdem nicht den Mut verloren hat.

Foto: Scott Simontacchi

In Deutschland ist der amerikanische Sänger und Songwriter Jim Lauderdale allenfalls ein Geheimtipp. In den USA ist das anders. Zwar konnte er auch dort keine großen Verkaufserfolge verbuchen, man kennt ihn aber zumindest als langjährigen Gastgeber der seit 2002 verliehenen Americana Awards, mit denen Musiker geehrt werden, die zwar im weitesten Sinne Countrymusik machen, aber zu schräg und widerspenstig fürs Country-Establishment in Nashville sind. Lauderdale kommt auch aus dieser Ecke, auf zahlreichen tollen Platten arbeitet er sich seit Anfang der Neunziger an Helden wie Gram Parsons, George Jones, Merle Haggard und Johnny Cash ab. Seine anhaltende Erfolgslosigkeit ist im Lauf der Jahre so etwas wie ein Markenzeichen geworden, angeblich soll in Nashville die Redewendung »the Jim Lauderdale phenomenon« kursieren – damit ist gemeint, dass ein Künstler von einem großen Label umstandlos gefeuert wird, obwohl die Kritiker seine Platte bejubeln. Kürzlich ist sein neues Album London Southern (Proper/H'art) erschienen und ich hatte Gelegenheit, mit ihm zu telefonieren.

Zwei Songs auf Ihrem neuen Album London Southern haben Sie zusammen mit dem legendären Songwriter Dan Penn geschrieben. Wie kam es dazu?
Jim Lauderdale: Ich bin schon seit Jahren ein Riesen-Fan von ihm und hatte immer den Traum, mal mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich wusste, dass er Neil Brockback kennt, der das Album produziert hat, deshalb habe ich mir ein Herz gefasst und und ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, mit mir was zu schreiben.

Hat es Sie nicht eingeschüchtert, mit dem Schöpfer von Klassikern wie »The Dark End Of The Street« zusammenzuarbeiten?
Ein bisschen schon. Aber er ist ein echt netter Typ. Er weiß, was er tut, und ist immer noch sehr kreativ, schnell und vital. Was für ein Meister!

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Vor einer Weile habe ich gelesen, Nick Lowe sei auch am Album beteiligt gewesen, nun habe ich seinen Namen darauf allerdings vergeblich gesucht.
Ich hatte ursprünglich den Plan, dass Nick und Neil das Album zusammen produzieren. Nick möchte jedoch, wenn er so etwas macht, schon vorher die Songs kennen, um die es geht. Und die hatte ich noch nicht, außer einem. Den Rest habe ich während der Aufnahmen geschrieben. Nick hat also nichts mit der Platte zu tun, aber die Musiker, die man hört, sind aus seiner Band.

Das Album ist auch ohne Nick Lowe toll geworden, ich finde es aber trotzdem schade, dass er nicht dabei war, dann hätten nämlich schon drei Schwiegersöhne von Johnny Cash Alben von Ihnen produziert! Nick Lowe war mit Cashs Stieftochter Carlene Carter verheiratet, Rodney Crowell und John Leventhal, die zusammen Ihr Debüt produzierten, haben sich als Ehemänner von Cashs Tochter Rosanne abgelöst.
Stimmt, da haben Sie Recht. Ich weiß gar nicht, ob das schon mal jemandem aufgefallen ist!

»Als ich Ende zwanzig war, dachte ich immer, verdammt, die Beatles hatten sich in deinem Alter schon wieder aufgelöst. Und du sitzt hier und hast noch nichtmal ein einziges Album veröffentlicht!«

Auch Cashs Tochter Kathy ist mit einem Musiker verheiratet, Jimmy Tittle. Vielleicht sollten Sie sich mit dem für ihr nächstes Album zusammentun?
Ha, keine schlechte Idee. Jimmy ist ein guter Typ, ich respektiere ihn sehr. Ich habe ihn allerdings schon seit einer Weile nicht mehr gesehen.

Ihr von Rodney Crowell und John Leventhal produziertes Debütalbum Planet Of Love erschien 1991. Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an diese Zeit zurückdenken?
Dass sie sehr aufregend für mich war. Ich hatte schon vorher ein Country-Album im Bakersfield-Sound aufgenommen, welches dann allerdings zu der Zeit nicht veröffentlicht wurde. Deshalb war Planet Of Love mein Debüt. John Leventhal und ich waren damals ein großartiges Team, acht der zehn Songs haben wir zusammen geschrieben. Und Rodney war sowieso schon lange ein Held für mich.

Dafür, dass es sich bei dem Album um Ihr Debüt handelte, waren Sie aber schon ziemlich alt, richtig?
Ja, 34. Und schon davor, als ich Ende zwanzig war, dachte ich immer, verdammt, die Beatles hatten sich in deinem Alter schon wieder aufgelöst. Und du sitzt hier und hast noch nichtmal ein einziges Album veröffentlicht!

Man sollte sich nie mit den Beatles vergleichen!
Auch nicht mit Bob Dylan, da kann man nur verlieren. Heute denke ich, dass ich wahrscheinlich einfach so lange gebraucht habe, um bereit zu sein.

Ihre Karriere verlief bis heute sehr wechselhaft. Trotz etlicher Alben blieb der große Hit aus, und mehrmals wurden Sie von großen Plattenfirmen bald wieder fallengelassen. Wie haben Sie all die Jahre durchgehalten?
Meine Karriere ist eine Achterbahnfahrt, bei der es öfter runter geht als rauf. Zum Glück sind aber neben all den Enttäuschungen immer auch gute Sachen passiert. Jeder dachte zum Beispiel, dass mein Debütalbum ein großer Erfolg werden würde. Stattdessen wurde es ein Flop, was sehr frustrierend war. Dann haben aber andere Künstler auf ihren Platten acht der zehn Songs meines Albums gecovert, auch so große Stars wie George Strait. So konnte ich überleben und meine Rechnungen bezahlen. Auch die Zusammenarbeit mit von mir verehrten Musikern wie Harlan Howard, Melba Montgomery oder Ralph Stanley hat vieles wettgemacht.

Mit Bluegrass-Legende Ralph Stanley haben Sie zwei Alben gemacht. Wie war's?
Er war sehr nett zu mir, sehr großzügig. Die wenigsten würden wahrscheinlich vermuten, dass er einen guten Humor hatte. Aber er hat mich oft zum Lachen gebracht. Er hatte eine sehr eindrückliche Präsenz - stark, aber nicht dominierend. Etwas an seiner Stimme und seinem Material war wirklich einzigartig. Schon als er jung war, hat sich seine Stimme uralt angehört - uralt und irgendwie jenseitig. Sein Gesang hat mich immer sehr berührt.

Mit George Jones haben Sie zwar nicht zusammengearbeitet, aber Sie haben einen tollen Song über ihn geschrieben: »King Of Broken Hearts«.
Schon als Teenager war ich Riesenfan zuerst von George Jones, dann von Gram Parsons. Später bin ich sogar nach Kalifornien gezogen, um die Atmosphäre aufzusaugen, in der Gram seine Platten gemacht hat. In der Gram-Parsons-Biographie von Sid Griffin habe ich die Anekdote gelesen, wie Gram bei einer Party etliche George-Jones-Platten aufgelegt und irgendwann mit Tränen in den Augen gesagt hat, George sei der »King of Broken Hearts«. Ich hatte gleich die Idee, daraus einen Song zu machen und auch schnell eine Melodie im Kopf. Ein paar Tage später bin ich in den Joshua-Tree-Nationalpark gefahren und war in einer Vollmondnacht am Cap Rock – das ist der Ort, an dem Phil Kaufman versucht hat, Grams Leiche einzuäschern. Dort habe ich den Song fertiggeschrieben. Später habe ich ihn einmal für George gesungen - bei seiner Geburtstagsparty in der Grand Ole Opry.

Wie hat Ihre Darbietung George Jones gefallen?
Ich denke, gut. Er hat mich danach zum Essen eingeladen. Und zusammen mit Patty Loveless einen anderen Song von mir auf genommen, »You Don't Seem To Miss Me« - einer der Höhepunkte meiner Karriere. Sein Gesang war einfach perfekt und hat mich jedes Mal wieder umgehauen.

Warum hat man das Gefühl, dass es Künstler wie George Jones, Ralph Stanley und Johnny Cash im heutigen Musikgeschäft eigentlich nicht mehr gibt?
Gute Frage. Vor allem, wenn man bedenkt, dass diese Typen alle schon in ganz jungen Jahren fantastische, geradezu magische Sänger waren. Ich denke, es hat damit zu tun, dass es damals noch kein Fernsehen gab und man Musik auf ganz andere Art erlebt hat als heute. Und vielleicht liegt es auch daran, dass sie in einer Zeit aufgewachsen sind, die in vielerlei Hinsicht viel härter als die Art war, wie wir heute leben.

Johnny Cash hat Zeit seines Lebens davon geredet, wie prägend es für ihn war, als Junge mit seiner ganzen Familie auf den Baumwollfeldern zu arbeiten.
Ja, genau. Wer macht das heute noch? Niemand.