Schlicht am Ende des Tunnels

Es hat lang gedauert. Aber nach den Fassaden und Wohnzimmern kommt die kluge Reduktion des Bauhauses jetzt auch in unseren Garderoben an.

Eigentlich erstaunlich: Das Bau- war kein Modehaus. Bei der ra­dikalen Neugestaltung der Alltagswelt hatte man einfach nicht bedacht, was die Menschen denn tragen sollten, während sie in den ästhetisch entschlackten Meisterwerken der Neuen Sachlichkeit wohnten oder Platz nehmen durften.

Hatte Anna Muthesius, die Frau des Werkbund-Gründers, noch aktiv an der Reformkleidung der modernen Frau mitgestaltet, war Mode im Bauhaus auf Stoffentwicklung in der Webwerkstatt reduziert. Wenn sich also Modedesigner von heute auf das Bauhaus berufen, müssten sie schon bei  Meisterin Gunta Stölzl in die Farbenlehre gehen. Stilbildend ist auch der Farbcode aus sattem Rot und Blau im Bauhaus-Gebäude in Dessau, den Raf Simons für Jil Sander aufzugreifen scheint. Bewusst oder unbewusst – das Bauhaus-Erbe ist pünktlich zum 90. Jubiläum auch modisch spürbar: In den Kollektionen dieses Jahres findet sich nicht nur bei traditionellen Minimalisten wie Yohji Yamamoto ein Element, das man die Fortsetzung eines eleganten Freischwingers von Mies van der Rohe mit anderen Mitteln nennen könnte. Von Dries Van Noten über Yamamoto bis Balenciaga feiert man das Lineare, Schlichte, als wär’s ein Bild von Klee. Und macht so ein historisches Versäumnis wett – zum Bauhaus-Jubiläum holt die Mode als Inspiration nach, was sie damals hätte sein können: Teil einer Jugendbewegung.