Fische haben keine Lobby

Jeder dritte gefangene Fisch wird weggeschmissen – und es interessiert kaum jemanden. Wenn man jedes dritte neue Auto direkt auf den Schrottplatz fahren würde, wäre die Empörung dagegen groß. Was läuft da schief?

In einem Bericht der FAO – das ist die für Ernährung und Landwirtschaft zuständige Organisation der Vereinten Nationen – lese ich, 35 Prozent aller Fische und sonstigen Seetiere, die man weltweit fängt, würden niemals auf dem Teller landen, sondern einfach weggeschmissen.

Wir reden von etwa achtzig Millionen Tonnen Meeresfisch, Garnelen, Muscheln, Tintenfischen (man nennt das »marine Gesamtfang­menge«), die pro Jahr aus dem Wasser gezogen werden, das ist nicht jedes Jahr gleich, ich verlasse mich da auf die FAO. 35 Prozent wären 28 Millionen Tonnen Meerestiere, die völlig ohne Grund gefangen und umgebracht werden. Acht Prozent der Fangmenge, das sind 6,4 Millionen Tonnen, landen übrigens gleich vom Schiff wieder im Meer.

Nicht lebend, leider. Sondern tot. Vieles verwest auch beim Transport auf dem Wasser oder an Land.

Ein Afrikanischer Elefantenbulle wird ungefähr fünf Tonnen schwer. Wir reden also davon, dass man Jahr für Jahr 5,6 Millionen aus­gewachsene männliche Afrikanische Elefanten ums Leben bringt, um sie einfach vergammeln zu lassen. Oder ins Wasser zu schmeißen. Genau, so viele gibt es gar nicht. Kein Wunder.

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Ich versuche gerade, mir vorzustellen, dass man jeden dritten Baum, der gefällt wird, im Wald liegen lässt. Oder dass jedes dritte neue Auto direkt auf den Schrottplatz gebracht wird. Dass man jedes dritte Kalb, das im Schlachthaus getötet wird, umstandslos auf die Müllkippe fährt. Oder wie wäre es, jede dritte Straße, die gebaut worden ist, würde von Amts wegen für unbenutzbar erklärt und stillgelegt?

Unvorstellbar. Passiert aber. Nur eben mit Meerestieren.

Die FAO sagt, bei einem Viertel der ins Meer zurückgeworfenen Tiere handele es sich um solche, die einfach zu klein seien oder irgend­wie unerwünscht, die man nicht essen könne oder die niemand kaufen würde. Aber die meisten, also drei Viertel, wanderten aus Unkenntnis wieder ins Wasser oder weil es auf den Trawlern nicht genug Kühlanlagen gebe, um sie frisch zu halten.

Ich versuche nun, mir vorzustellen, ein Drittel aller in den Fabriken gebauten Geschirrspülmaschinen würde diskret auf einer Deponie entsorgt, weil man feststellt, dass man nicht genug Lastwagen hat, um sie zu den Elektrosupermärkten zu transportieren. Auch taucht in mir der Gedanke auf, 35 Prozent aller neuen Rasenmäher landeten direkt in der Schrottpresse, weil jemand in der Auslieferungsabteilung einfach keine Ahnung von Rasenmähern hat, sondern sich nur mit Nassrasierern auskennt. Und wie wäre es, man brächte ein Drittel aller Schweine aus den Zuchtställen um und vergrübe die Kadaver im Wald, weil jemand gesagt hat: Die sind zu klein?

Undenkbar. Ja. Passiert mit Fischen trotzdem.

Es wird daran liegen, dass Fisch draußen auf dem Meer gefangen und weggeworfen wird, wo die meisten von uns sich selten aufhalten. Es wird auch damit zu tun haben, dass in den Weiten der Ozeane niemand sich so richtig um alles kümmern kann. Vermutlich käme auch eine Partei mit dem Slogan Wir stoppen das Fische-Versenken auf den Weltmeeren! nicht über die Fünf-Prozent-Hürde.

Ich stelle mir nun vor, ein Drittel aller frisch renovierten Badezimmer würde mit dem Vorschlaghammer stante pede wieder zerschlagen. Ich fantasiere ebenfalls, jede dritte, frisch in unseren Parks und Gärten gepflanzte Blume risse man auf der Stelle wieder heraus. Und hier, bitte, wäre es eine gute Idee, die Angestellten von Starbucks würden mit einem von drei frisch gebrühten Chai latte automatisch auf die Straße gehen, um ihn dort in den Gully zu gießen? Quatsch, was? Würde niemand dulden.

Das mit dem Fisch kann sich eben im Grunde auch keiner vorstellen. Wer denkt denn an so was!? Ich habe die Informationen auch nur zufällig im Internet gefunden.