Aufruhr an der Altpapiertonne

Kaum etwas stiftet in einem Mehrparteienhaus größeren Unfrieden, als wenn Nachbarn ihre Kartons unzerkleinert in die Tonne stopfen, so dass diese immer gleich wieder voll ist. Was tun?

Illustration: Serge Bloch

»Ich ärgere mich oft über Nachbarn, die ihre Kartons ­unzerlegt in die Papiertonne werfen. Vier leere Kartons aufeinander, Tonne voll, nichts passt mehr rein. Aber Nachbarn wegen so etwas Lächerlichem wie Müllentsorgung ansprechen? Geht einfach nicht. Spießerblockwarttotalhölle. Was also tun: Irgendwann doch was sagen und mich dafür hassen – oder mich still weiter ärgern und mein Altpapier halt in der Wohnung stapeln, bis die Tonne­ ­wieder geleert ist?« Max F., München

Müsste ich aus den Einsendungen, die zu dieser Rubrik bei mir ­ankommen, ableiten, worüber Deutsche sich am meisten ärgern, so muss ich Ihnen die vielleicht etwas enttäuschende Mitteilung machen, dass Sie absoluter Durchschnitt sind. Es ist überhaupt nichts Besonderes, sich über Nachbarn zu ärgern, das tun wahnsinnig viele, es scheint schon eine kollektive Obsession zu sein, auf jeden Fall ersetzt sie, was den Energieaufwand angeht, der da freiwillig und ohne Bezahlung betrieben wird, mehrere Hobbys.

Und es ist ja auch so: Nachbarn sind das Letzte. Sie laufen in der Wohnung über einem hin und her, nehmen manchmal keine Päckchen für einen an, hören Musik. Ich hatte mal einen Nachbarn, der – wahre Geschichte – bedroht wurde. ­Irgendwann war sein Briefkasten auf­gebrochen, und für alle gut leserlich lag im offenen Fach eine Botschaft an ihn, er ­solle irgendjemandem, vermutlich dem Absender, endlich seine Schulden zurückzahlen, er Schwein. Wenig später zog dieser Nachbar aus, soll sich sogar ins Ausland abgesetzt haben, wie ein vor Entsetzen bleicher Hausmeister berichtete, der eben die hinterlassene Wohnung besichtigt hatte, die dann erst mal wochenlang gelüftet werden musste, weil sie wegen der vielen Kothaufen, die sich auf Kleiderbergen befanden, etwas müffelte. Na ja, aber das ist natürlich eine Geschichte aus Berlin.

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Sie merken also, ganz unbefangen bin ich nicht. Was ich Ihnen rate? Gründen Sie eine Kryptowährung, werden Sie ganz schnell vielfacher Millionär und kaufen Sie sich ein Schloss, wo alle die Auffahrt säumenden Mülltonnen Ihnen alleine gehören. Nein, ernsthaft: Bei mir im Haus haben wir gute Erfolge damit erzielt, ganz höflich formulierte Botschaften schriftlich über der Tonne anzubringen. Seit-her falte ich meine Kartons immer zusammen.