Der Name der Hose

Eigentlich sollte die teure Designer-Jeans gespendet werden. Nun möchte die Freundin, die die Spendenaktion organisiert, das Kleidungsstück aber gern selbst behalten. Ist das in Ordnung?

Illustration: Serge Bloch

»Eine Freundin verteilt über einen Kontakt gut erhaltene Kleidung an Bedürftige in Ungarn. Nach längerem Überlegen gab ich ihr eine hochwertige, ungetragene Markenjeans, die mir nie passte, mit der Vorstellung, dass sich dort jemand genau über diese Jeans freut. Nachdem sie meinen Stapel durchgeschaut hatte, rief meine Freundin mich an und sagte, dass sie die Jeans selber behalten möchte. Die Freundin ist nicht arm, darum war ich alles andere als erfreut, dass meine Jeans nun nicht zu jemandem gelangt, der sich vielleicht so ein Kleidungsstück nicht leisten kann. Ich finde, das macht man nicht. Was meinen Sie?« Lydé E., Starnberg

Versetzen wir uns zum Aufwärmen kurz in Ihre Freundin hinein. Einerseits will man ja wirklich helfen, will bedürftigen Menschen etwas Gutes tun. Andererseits ist da eben diese wunderschöne, ungetragene Hose, die bestimmt relativ viel wert ist und einem, man hat sie direkt anprobiert, einfach perfekt passt. Wie angegossen. So was aber auch. Was nun? Im Grunde hätte ebenso gut Ihre Freundin hier eine Frage einsenden können: Muss ich eine perfekt sitzende, hochwertige Jeans an arme Ungarinnen weitergeben, oder kann ich eine Ausnahme machen, die ich mir bestimmt schon schöngeredet habe – mit A) Die wissen dort diese Marke gar nicht zu schätzen; B) Für Jeans ist es dort viel zu warm; oder C) Ungarinnen haben für diese Hose bestimmt nicht die passende Figur. Ist kein schöner Zug von Ihrer Freundin, sich die Spende unter den Nagel zu reißen, aber es ist nicht unvorstellbar, dass manch eine, die das gerade liest, Hand aufs Herz, ähnlich gehandelt hätte. Hinzu kommt, dass man natürlich nie weiß, an wen die Jeans letztlich geraten wäre. Am Ende wäre es wirklich jemand gewesen, der sie nicht so zu schätzen gewusst hätte, wie Sie sich das vorstellen. Es ist ja doch so, dass man die Wirkung seiner eigenen ­guten Werke gerne überschätzt.

Dennoch: Sie haben alles Recht der Welt, auf Ihre Freundin mindestens sauer zu sein, falls Sie nicht sogar die Hose zurückfordern möchten. Denn wenn Sie sie ihr hätten schenken wollen, hätte Sie ja wohl nichts daran gehindert. Wollten Sie aber nicht. Und nun hat Ihre Freundin sie sich gewissermaßen selbst geschenkt. Lassen Sie uns das Wort stehlen nicht aussprechen, vielleicht ist aneignen passender, ich spendiere noch ein »unrechtmäßig« dazu. Wie wäre folgender Gedanke zur Besänftigung Ihres Zorns: Bitten Sie Ihre Freundin, Ihnen für die Hose Geld zu geben, das Sie hinwiederum spenden.