Wenn Friedrich Nietzsche recht und die Syphilis seinen Nervenbahnen noch nicht zu heftig zugesetzt hatte, als er seinen Zarathustra niederschrieb, dann will alle Lust Ewigkeit. Dummerweise hält alle Lust aber nicht ewig an: Die sexuelle Gewöhnung führt bereits nach drei bis vier Jahren dazu, dass die körpereigene Euphoriedroge Dopamin nur noch spärlich aus den Nervenzellen abgegeben wird. Die Lust aufeinander und miteinander ist eingeschlafen. Oder sie richtet sich auf andere, neuere und aufregendere Objekte der Begierde.
Denn ein Dauerzustand ist die hormonelle Flaute ja nicht. Wählt der Mann eine neue Sexualpartnerin, steigt sein Dopaminspiegel sofort wieder an. Er ist plötzlich wieder leidenschaftlich und voller Hingabe entflammt. Bei Frauen ist das Phänomen kaum erforscht, aus Umfragen weiß man jedoch, dass zum Beispiel in den USA 70 Prozent der über 35-jährigen Frauen bereits mindestens einmal fremdgegangen sind. Warum wird dann etwa in Deutschland nur jede dritte Ehe geschieden? Und was hält Paare zusammen, wenn der Dopaminschub hartnäckig ausbleibt?
Sex ist überschätzt
Es muss kein schlechtes Zeichen sein, wenn nach vier Jahren Partnerschaft im Bett nur noch wenig läuft. Wissenschaftlich ist der Zusammenhang erhärtet: Sofern nicht schon jedes Interesse für-einander erloschen ist, deuten seltenere Intimkontakte in einer längeren Paarbeziehung sogar darauf hin, dass sich beide Partner sicher geborgen fühlen und keiner ständigen Liebesbeweise bedürfen. Sie müssen nicht befürchten, dass einer die Beziehung bald verlassen wird. Der sparsame Sex spricht für eine feste Bindung und wenig Verlustangst. Wer ständig mit dem langjährigen Partner Sex haben will, mahnt die Wissenschaft, ist sich seiner Sache hingegen nicht so sicher, und muss sich daher immer wieder vergewissern, dass die Beziehung noch hält.
»Dauerhafte Sicherheit und häufiger, guter Sex schließen sich aus«, sagt die Psychotherapeutin Kirsten von Sydow von der Universität Hamburg. Dazu kennt man sich einfach zu gut - und dann ist es schwer, den anderen noch zu überraschen. Deshalb ist es aus wissenschaftlicher Sicht absolut nachvollziehbar, wenn Paare von ihrer »reifen Liebe«, einer »neuen Phase der Partnerschaft« reden oder davon, dass »Sex sowieso überschätzt« wird: Sie sind in einem besonders stabilen Stadium ihrer Beziehung angekommen - oder stehen kurz vor der Trennung.
»Im Sexualverhalten, in der Art und Weise, wie wir Beziehungen führen, und in den entsprechenden Wünschen spiegeln sich frühe Bindungserfahrungen wider«, sagt Karl Heinz Brisch, Facharzt für Psychosomatik und Bindungsexperte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Wenn Sex nur noch als Aufbauhilfe für ein angeknackstes Selbstwertgefühl dient, stabilisiert er weder die Beziehung noch ist er dann besonders befriedigend. »Melancholischer Sex ist allerdings sehr verbreitet«, sagt Kate White, Therapeutin am Bowlby Centre in London. Sie meint damit das traurige Miteinander, wenn beide spüren, dass Nähe ziemlich trostlos sein kann. Deshalb der Rat für dauerhafte Partnerschaft: lieber wenig als schlechten und lustlosen Sex.
Stabil unglücklich
Weitere Tipps für dauerhafte Beziehungen gefällig, die man vielleicht in keiner Frauenzeitschrift findet, dafür aber in wissenschaftlichen Fachzeitschriften? Fortwährendes beiderseitiges Unglück und Resignation wirken häufig stabilisierend, besonders auf dem Land: Julia Berkic vom Bayerischen Staatsinstitut für Frühpädagogik hat Paare in Süddeutschland untersucht, die im Durchschnitt schon 28 Jahre miteinander verheiratet waren. Sie waren keineswegs alle zufrieden und hatten es sich in ihrer Beziehung alles andere als gemütlich gemacht. Im Gegenteil: Mehr als ein Drittel bezeichnete sich als »stabil unglücklich« oder »unsicher und resigniert«.
Diese Eheleute hatten sich in chronischer Zerrüttung eingerichtet - was sich schlimm anhört für alle, die noch an die romantische Liebe glauben. Sie schwiegen sich an, ignorierten oder verachteten einander gar, konnten sich aber trotzdem nicht aus der Verstrickung lösen, in die sie finanzielle Nöte, Schuldvorwürfe und moralische Hemmungen gebracht hatten. Gemeinsame Kinder, gemeinsame Projekte wie der Hausbau oder Abhängigkeiten in der beruflichen Entwicklung hielten sie zusammen, obwohl da längst nichts anderes mehr war, was sie zusammenhalten könnte.
Unsicher und treu
Natürlich gibt es auch angenehmere »Schutzfaktoren« für eine verlässliche Zweisamkeit: Wer als Kind Sicherheit und Geborgenheit in der Familie erlebt hat, trennt sich später seltener. Er nimmt den Partner auch aufmerksamer wahr und vermag besser auf seine Wünsche und Sehnsüchte einzugehen. Das stabilisiert die Bindung weiter.
Solche Menschen findet man allerdings selten - oder sie sind bereits vergeben. Deshalb muss es gar nicht der in sich ruhende Partner sein, den nichts erschüttern kann. Wer silberne oder goldene Hochzeit feiern will, sollte sich sogar bewusst einen unsicheren oder ambivalenten Partner suchen. Die Angst vor der Entscheidung, den anderen zu verlassen, ist dann so groß, die Zerrissenheit zwischen verschiedenen Möglichkeiten so quälend, dass eine Trennung nicht infrage kommt.
Ängstliche, zögernde Frauen haben zwar womöglich früher den ersten Sex und häufiger wechselnde Partner - weil sie die eigene Unsicherheit immer wieder zu anderen Männern treibt. Sind sie jedoch einmal fester gebunden, trennen sie sich nur ungern. Und Männer, die Konflikten aus dem Weg gehen und Entscheidungen meiden, sind sowieso gut für stabile Beziehungen. »Ein unsicherer Mann und eine sichere Frau - das ist oft ein ziemlich haltbares Paket«, sagt Julia Berkic. »Männer, die jede Auseinandersetzung scheuen, haben ja naturgemäß eine große Scheu davor, ihre Frauen zu verlassen.«
Wahre Größe
Wahre Größe
Auch ein paar Äußerlichkeiten sind zu beachten: Große Männer jenseits der 1,90 Meter sind weniger eifersüchtig und generöser als kleinere, hat die Forschung ergeben. Sie zweifeln weniger an der Treue des Partners, zudem wissen sie, dass sie bessere Erfolgsaussichten bei den Frauen haben. Aus dieser entspannten Haltung heraus halten ihre Beziehungen oft länger. Bei Frauen ist eine mittlere Größe zwischen 1,68 und 1,76 Meter vielversprechend. Außerdem haben Studien ergeben, dass Frauen mit diesen Maßen auch am gesündesten bleiben und die meisten Kinder bekommen - und deshalb sicher sein können, immer wieder umworben zu werden.
Die wahre Größe eines Partners zeigt sich aber auch in kleinen Gesten: Schon Händchenhalten stabilisiert eine Beziehung. Dadurch sinken das Bedrohungsgefühl, die motorische wie die emotionale Anspannung und sogar die Schmerzwahrnehmung; all das festigt das Miteinander. Das gilt übrigens auch für Freunde: Der Hirnforscher James Coan von der University of Virginia hat zum Beispiel herausgefunden, dass auf einer Bergtour der Anstieg umso flacher wirkt, je länger und besser man den Freund oder Partner kennt, der einen begleitet.
Geruch und Gefühl
Ein klassischer Test, ob eine Beziehung passt, ist bereits in den ersten Momenten der Kontaktanbahnung möglich: Man muss einander riechen können. Im Wortsinne, denn wer sich riechen mag, bleibt länger zusammen. Evolutionär ist das sinnvoll, da ein als attraktiv empfundener Geruch darauf hinweist, dass der potenzielle Partner ein deutlich anderes Immunsystem hat. Tun sich die beiden zusammen, bedeutet dies, dass sich die Abwehrsysteme in den gemeinsamen Nachkommen mischen und diese daher widerstandfähiger gegen diverse Keime wären.
Bedauerlicherweise ändert sich der Hormonstatus und damit der Eigengeruch von Männern wie Frauen mit den Jahren. Warum und in welche Richtung, ist noch unbekannt. Kann sie ihn - oder er sie - nach langen Jahren der Beziehung nicht mehr riechen, ist das ein Alarmzeichen. Es kann auf eine baldige Trennung hindeuten, auch wenn die Waffen im Zerrüttungskampf noch gar nicht geschärft worden sind.
Stress? Bloß nicht reden!
Solchen Krisen gilt es vorzubauen, und auch hierbei hilft die Wissenschaft: In belastenden Situationen stehen Männer ihren Frauen oder nicht verheirateten Partnerinnen am besten bei, wenn sie ihnen den Nacken massieren und ansonsten schweigen, berichtet Markus Heinrichs von der Universität Freiburg. Diese Art der Zuwendung senkt die Stresshormone, und Puls, Atmung und Blutdruck nähern sich wieder Normalwerten an. Versuchen Männer hingegen, gestresste Frauen mit Worten zu beruhigen, hat dies kaum positive Auswirkungen auf den Körper.
Für Männer gilt die umgekehrte Regel: Stehen sie unter Druck, wollen sie vor allem mit der Partnerin reden und Verständnis signalisiert bekommen. Fühlen sie sich auf diese Weise unterstützt und gestärkt vor einer schwierigen Aufgabe und zudem ihrer engen Bindung an den Partner versichert, reagieren sie weniger stark auf Stress und sind bei anschließenden psychischen Belastungen robuster. Sie haben weniger Angst und reagieren dann auch bei schwierigen Aufgaben nicht so nervös.
Liebe heilt alle Wunden
Entscheidend für die Dauerhaftigkeit einer Beziehung ist auch der Umgang mit Streit. Stress, den man sich gegenseitig macht, hindert sogar die Wundheilung, hat ein Forscherteam um die Psychologin Janice Kiecolt-Glaser von der Ohio State University herausgefunden. Um dies zu erforschen, wurden Ehepaaren kleine Wunden am Arm zugefügt. Zunächst bekamen sie eine unterstützende Beratung von Psychologen, wie sie etwaige Paarprobleme besser lösen konnten. In einer zweiten Versuchsreihe wurden sie aufgefordert, sich über ein heikles Thema ihrer Beziehung zu unterhalten, was fast immer in eine aggressive Diskussion mündete.
Egal, wie sich die Paare während der Beratung oder im Streit verhielten, bei allen heilten die Wunden nach den hilfreichen Gesprächen besser. Die Blutgerinnung und das Abwehrsystem waren aktiviert, Stressmoleküle ließen sich kaum im Körper feststellen. Nach dem Streit lief das Alarm- und Kampfsystem des Körpers hingegen auf Hochtouren: Die Wunden heilten langsamer und feindliche Erreger konnten nicht so gut bekämpft werden.
Besonders interessant: Bei Paaren, die sich auch in der Auseinandersetzung freundlich und zugewandt verhielten, war die Wundheilung kaum beeinträchtigt. Wer dagegen feindselig und verletzend, ärgerlich und aggressiv gegenüber dem anderen auftrat, bei dem blieben die Wunden länger bestehen. Der Fortschritt der Wundheilung bei den Streithähnen unter den Paaren betrug nur 60 Prozent im Vergleich zu jenen, die sich auch ihre Wertschätzung zeigten, wenn sie anderer Meinung waren. Konstruktiv streiten ist also gesünder und lässt den Partner länger leben - auch nicht ganz unwichtig für eine Beziehung, die lange halten soll.