Lampedusa auf St. Pauli

Seit einigen Monaten leben einige Dutzend afrikanische Flüchtlinge in der Hamburger St. Pauli Kirche. Die Fotografin Maria Feck dokumentiert ihren Alltag.

Name: Maria Feck
Geboren: 1981 in Hamburg
Ausbildung: Fotojournalismus FH Hannover
Website: www.mariafeck.de

Frau Feck, Sie haben seit Juni 2013 die rund 80 Flüchtlinge in der Hamburger St. Pauli Kirche begleitet. Wie sind Sie auf die Idee gekommen und welche Intention steckt hinter Ihrer Fotoreportage?

Im Sommer fiel mir eine Gruppe afrikanischer Immigranten auf, die sich unweit meiner Wohnung am Hauptbahnhof versammelten. Ich kannte bereits die Flüchtlingsproblematik aus den Medien und nun fand sie direkt vor meiner Haustür statt. Das regte mich zum Recherchieren an und brachte mich zur St. Pauli Kirche. Ich wollte mit meinen Bildern die Auswirkungen der EU-Flüchtlingspolitik verdeutlichen. Eine Dokumentation vom langen Warten auf das Bleiberecht. Ein ständiges Hin- und Hergeschiebe zwischen einzelnen Ländern, das zuvor in einem derartigen Ausmaß nicht existierte.

Wie sind Sie bei der Reportage vorgegangen?
Ich musste mir für die Reportage sehr viel Zeit nehmen, da es ein sehr sensibles Thema ist. Die Flüchtlinge haben aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen große Skepsis gegenüber Fremden. Das Vertrauen musste ich langsam aufbauen. Währenddessen war die Kirche für mich der schönste Ort, ein Ort der Menschlichkeit, ein Ort an dem ich mich gern aufgehalten habe. Es kamen so unterschiedliche Menschen zusammen, die sich gemeinsam für eine Sache eingesetzt haben und sich sonst vielleicht nie getroffen hätten. So schön es dort auch war, so hemmend war es zugleich für mich. Ich wollte nicht einfach nur ein paar schöne Bilder suchen. Die Situation erforderte Geduld und Respekt.

Auf Ihren Fotos werden die Lebensumstände der Flüchtlinge in der St. Pauli Kirche dokumentiert. Können Sie uns diese genauer beschreiben?
Die Flüchtlinge befinden sich in einem belastenden Wartezustand. Sie wohnten zuvor auf der Straße oder in Obdachlosenunterkünften. Die St. Pauli Kirche bot ihnen einen Platz zum Schlafen und einen Ort der Ruhe an, aber das war nur als Zwischenlösung gedacht. Etwa 80 Männer leben seit Juni auf engem Raum, ohne Rückzugsmöglichkeit und gerade jetzt, in der kälteren Jahreszeit, wird es problematisch, auf dem kalten Kirchenboden zu schlafen. Als die Polizeikontrollen intensiviert wurden, trauten sich die Flüchtlinge nicht mehr auf die Straße. Nicht einmal das Kirchengelände betraten sie. Die Angst erneut abgeschoben zu werden, war und ist noch immer zu groß. Bemerkenswert ist die Unterstützung aus dem Stadtteil, von der Bevölkerung. Ehrenamtliche Helfer kümmern sich Tag und Nacht um die Flüchtlinge und spenden Kleidung und Lebensmittel.

Wie sind die Flüchtlinge nach Hamburg gekommen?

Obwohl sie aus unterschiedlichen Regionen stammten, haben sie eines gemeinsam und zwar Libyen. Dort haben sie als Bauarbeiter und Handwerker gearbeitet und sich eine Existenz aufgebaut. Als in Libyen der Krieg ausbrach und die rassistischen Übergriffe zunahmen, wurden sie aus dem Staat vertrieben. Sie flüchteten mit Booten nach Lampedusa. Italien war überfordert und die Flüchtlinge wurden indirekt aufgefordert das Land zu verlassen. Sie strandeten mit einem Visum für den Schengen-Raum und ein paar Hundert Euro in Hamburg. Das Schengen-Visum ermöglicht einen dreimonatigen Aufenthalt. Die Flüchtlinge hoffen, bleiben zu können. Wenn die Stadt sie nicht nimmt, wer dann? In ihren Herkunftsländern werden sie verfolgt und in Italien haben sie keine Perspektive, um sich ein menschenwürdiges Leben aufzubauen.

Meistgelesen diese Woche:

Wie empfinden Sie die aktuelle EU-Flüchtlingspolitik und was würden Sie ändern?
Die Haltung an sich muss geändert werden. Immer werden die armen EU-Länder, wie Griechenland und Italien, mit dem Aufenthalt der Flüchtlinge konfrontiert. Sie sind überfordert und werden mit der Problematik ganz allein gelassen. Die reichen EU-Länder sollten mehr Engagement zeigen.

Fotos: Maria Feck