Grundfläche

Der Fotograf Matthias Schaller dokumentiert die Malpaletten berühmter Künstler - und schaut ihnen dadurch tief in die Seele.

Wenn man die Augen zusammenkneift, sehen die Paletten aus wie die Flügel sehr seltener Schmetterlinge, und schöner lässt sich ihr Zweck nicht beschreiben. Bevor die Farben auf der Leinwand landen, müssen sie Anlauf nehmen und fliegen, aus der Hand des Malers. Gleichzeitig ist »Palette« ein Bestandteil des französischen Worts für »Bremsklotz«, aber auch das passt gut. Denn natürlich landet in der Ölmalerei kein Einfall ungebremst im Bild, alles muss mühsam bedacht und zusammengesetzt werden, Farbschicht für Farbschicht. Wenn das Werk schließlich fertig ist, liegt es zugleich immer noch auf der Palette, in seinen ursprünglichen Einzelteilen.

Seine erste Palette entdeckte der deutsche Fotograf Matthias Schaller zufällig im Atelier des US-Künstlers Cy Twombly. Es ist eher unüblich, dass Paletten aufgehoben werden, wertvoll sind ja die Bilder, nicht die Werkzeuge. Aber Schaller fand die Palette plötzlich spannender. Matthias Schaller ist ein Spezialist für indirekte Porträts, das heißt: Er bildet das eine ab und zeigt dadurch das andere. Zum Beispiel hat er Kardinäle im Vatikan porträtiert, indem er nicht sie, sondern ihre Schreibtische fotografierte. Die Malerpaletten sind nun vielfache Porträts: Sie erlauben Rückschlüsse auf den Maler und auf das Bild, auf die Hand, den Schaffensprozess und sogar die Geschwindigkeit, in der das Bild entstanden ist. Nach der zweiten Palette setzte Schallers Ehrgeiz ein, inzwischen hat er weit über hundert Paletten fotografiert. »Es geht mir aber nicht darum, eine Kunstgeschichte zu schreiben«, sagt er. »Ich bin Trophäenjäger.« Einzig der Name des Malers ist entscheidend, ob er losfährt oder nicht.

Jedes Meisterwerk besteht aus Bindemittel und ein paar Gramm Farbpigmenten, die jemand mit Talent und Geduld auf die Leinwand gebracht hat. Auch auf der Palette haben Maler Farbe verteilt, die gleiche wie auf der Leinwand, mit demselben Pinsel. Warum sie auf der Leinwand Kunst ist und auf dem Brettchen nicht der Rede wert – das ist gar nicht so leicht zu begründen.

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Fotos: Matthias Schaller