Tröstende Töne

Die Website 30 Days, 30 Songs veröffentlichte jeden Tag einen Song bekannter Musiker wie Moby oder Death Cab For Cutie für den Wahlkampf - und gegen Trump. Nach der Wahlnacht wirkt die Liste wie ein nostalgischer Gruß aus der Vergangenheit. Hier sechs - gerade jetzt - sehr hörenswerte Lieder.

Bis heute früh sollte diese Kolumne anders aussehen. Die Idee war, eine Playlist vorzustellen, 30 großartige Songs, die amerikanische Indie-Musiker speziell geschrieben hatten, um für ein »Trump-freies Amerika« zu werben. Mit dem Fazit: Hurra, die gute Musik hat mal wieder recht gehabt! Tja. Nun hat Donald Trump die Wahl gewonnen. Und die 30 Songs klingen plötzlich komplett anders: wie ein nostalgisch stimmender Gruß aus der Vergangenheit.

Die Songs findet man auf einer Website namens 30 Days, 30 Songs. Dort zählte in den letzten vier Wochen eine Art Adventskalender die Tage bis zur Wahl runter: Jeden Tag wurde ein neuer, bis dahin unbekannter Song freigeschaltet, den Musiker wie Moby oder Death Cab For Cutie speziell für den Wahlkampf geschrieben hatten. Heute sind alle Songs veröffentlicht (sollte man sich übrigens direkt als komplette Spotify-Playlist aufs Handy laden ). Und dass das Ziel der Webseite, ein »Trump-freies Amerika«, leider verfehlt ist, macht die Lieder nicht schlechter. Vielleicht sogar im Gegenteil.

Der US-Autor Dave Egger, der das Projekt im Sommer gestartet hat, beschrieb es damals als eine Art Gruppentherapie für sich und seine Musikerfreunde. Trump sei wie ein »Meteor, der auf uns zurast«. Nach den Monaten des hasserfüllten Wahlkampfs »kauern wir ängstlich in der Ecke und haben Angst vor der Apokalypse. Die Songs beruhigen und geben etwas Beistand«. Man hört das jedem der Lieder an - da musste was raus. Vielleicht ist das auch einer der wenigen tröstlichen Gedanken an diesem Tag: Angst ist offenbar kein schlechter Motor für große Kunst.

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Hier sind also, als letzter Gruß aus dem hellen, offenen Amerika, ein paar Höhepunkte der Anti-Trump-Playlist:

Death Cab For Cutie - Million Dollar Loan

Ein bewegender, gespenstischer Song. Ein Porträt von Donald Trump als stinkreicher Sohn, der mit seinem Vaterkomplex kämpft. Traumatherapie für Intellektuelle.

Franz Ferdinand - Demagogue

Die Band kommt aus Schottland, aber man hört, dass die Wut auf Trump auch über den Atlantik gereicht hat. Ein Song, der sich noch jahrelang für Festival-Moshpits zweitverwerten ließe.

Aimee Mann - Can't You Tell?

Interessantes Psychogramm: Der Song ist aus der Perspektive von Trump erzählt - und beschreibt, wie der Kandidat sich da aus gekränktem Stolz in etwas verrannt hat, das er längst bereut. »I don't want that job / Can't you tell, I'm unwell.«

Clipping - Fat Fingers

Ein Song aus purem Zorn. Schon der Beat ist aus dem Krachen des Vorschlaghammers zusammengebastelt, mit dem der Trump-Stern auf dem Hollywood Boulevard zertrümmert wurde. Und dann erst der Text! Man ist gespannt, wie das nächste Album von Clipping klingt, jetzt wo Trump es tatsächlich geschafft hat.

Josh Ritter - The Temptation

Auch eine Möglichkeit, das Trauma zu therapieren: Liebe! Liebe! Liebe!!!! Eine wirklich hübsche Lagerfeuerballade.

Cold War Kids - Locker Room Talk

Gitarrensoli, Tempowechsel, verzerrte Stimme: Ein wirklich toller Kiffer-Rocksong über Trump als falscher Pseudo-Jesus: »Versuch mal über Wasser zu laufen mit einem Ziegel im Schuh / Du wirst am Ende ertrinken.«