Der Dschungelvamp

Jennifer Lopez trägt neuerdings wieder das Muster, für das sie schon vor zwanzig Jahren gefeiert wurde. So fragwürdig der Dschungel-Komplettlook auch sein mag – dahinter steckt eine ziemlich kluge Marketingmasche.

Jennifer Lopez zitiert sich mit diesem Outfit selbst. 

Action Press

»Anlassmode« beschreibt üblicherweise Taft-intensive Bekleidung für Konfirmation, Abiball, Schützenfest und Co. Ebenfalls angemessen ist der Begriff im Falle von Jennifer Lopez’ neustem Brunch-Outfit in Miami. Anfang des Monats erschien die Sängerin zum späten Auswärtsfrühstück als wandelnder Farn im Komplettlook aus Bluse, Skinny-Jeans und Kettentäschchen im selben Dschungelprint, der die Worte »Miami Beach« nur so zu schreien schien. 

Nun handelt es sich bei diesem Druck selbstverständlich nicht um irgendein Fauna-Motiv, sondern um das vermutlich berühmteste der Welt, erdacht von Modedesignerin Donatella Versace. Im Februar 2000 führte J.Lo dieses zum ersten Mal aus – gedruckt auf ein sehr luftiges, sehr tief ausgeschnittenes Seidenkleid bei den 42. Grammy Awards. Zwar gab es schon vorher berühmte Trägerinnen – bereits im Jahr zuvor zeigte sich Versace selbst zur Met Gala in einer ärmellosen Version, Spice-Girls-Mitglied Gerri Halliwell erschien im Dschungelprint-Kleid in Cannes und auch Sandra Bullock trug zu den Vogue Fashion Awards eine feuerrote Abwandlung. Doch es war Lopez, die mit dem »Jungle Dress« Geschichte schrieb.

Im damals noch in den Kinderschuhen steckenden Internet suchten nach der Grammy-Verleihung 2000 so viele Menschen auf Google nach Bildern von J.Los Kleid, dass die Suchplattform daraufhin seine heute so beliebte Bildersuche ins Leben gerufen haben soll.

Das Kleid ging nicht nur in die (Mode-)Historie ein, wurde bereits in Museen ausgestellt und verfügt über einen eigenen Wikipedia-Artikel. Es ist auch Sinnbild für die engen Celebrity-Designer-Bindungen, die für Modefirmen von höchster kommerzieller Bedeutung sind. Gucci und Jared Leto, Dior und Jennifer Lawrence, Juicy Couture und Paris Hilton: Solche Beziehungen, von denen oft beide Seiten profitieren, ergeben sich mal mehr, mal weniger selbstständig. Im Falle Lopez, ohnehin dem extrovertierten, körperbetonten und oft glitzernden Kleidungsstil verfallen, scheint die Partnerschaft mit Versace extrem natürlich. Einen weiteren Höhepunkt erlebte diese im vergangenen September, als Donatella Versace Lopez in der 2019er-Version des Jungle Dress über den Laufsteg ihrer Frühjahr/Sommer-Show bei der Mailänder Fashion Week schickte – zur Begeisterung aller Anwesenden. Geschätzter Medienwert des Aufritts (laut Launchmetrics): 31,8 Millionen US-Dollar.

Es war die Ankündigung für eine ganze Kollektion an Stücken mit Dschungel-Print zum 20. Jubiläums des Versace-Kleides, und so gibt es derzeit im Online-Shop des Hauses nicht nur verschiedenste Kleider, Shirts, Röcke und Blusen mit dem ikonischen grünen Blätterdruck, sondern etwa auch Leggings, Sport-BHs, Badeanzüge, Turnschuhe, Kinderbekleidung und Tapeten. Der völlige Ausverkauf eines einstigen Luxussymbols? Immerhin hat Versace einen starken Wiedererkennungswert geschaffen – und der passt ganz hervorragend zu einem anderen Phänomen: Der derzeitigen Begeisterung für die frühen 2000er und ihre Celebrities.

Neben Jennifer Lopez selbst, die spätestens seit ihrer Golden-Globe-Nominierung für »Hustlers« und ihrer Super-Bowl-Halbzeit-Performance im Februar wieder ganz oben im Prominenz-Ring steht, sind das unter anderem Brad Pitt und Jennifer Aniston, die nicht nur beide gerade wichtige Schauspiel-Preise (bei den Oscars beziehungsweise SAG Awards) abräumen konnten, sondern mit ihrem gemeinsamen Smalltalk bei der letzteren Verleihung auch – ähnlich wie Vorbild J.Lo – das Internet zum Explodieren brachten.

Die Stars von damals erfreuen sich größter Beliebtheit (und sehen erstaunlicherweise auch zum Großteil genau so aus, wie vor 20 Jahren), gerade feierte man begeistert das »Friends«-Jubiläum, die It-Girls von heute wie Bella Hadid oder Kendall Jenner bedienen sich ohnehin permanent der Ästhetik ihrer frühen Lebensjahre, und die Laufstege beherrschen Strass, Cowboystiefel und Hüfthosen schon länger. Da treffen ein bisschen too much und ein Styling am Rande der Schmerzgrenze doch genau den Zeitgeist. Auch, wenn das Dschungelcamp für dieses Jahr schon vorbei ist.

Wird getragen mit: komplett verspiegelter Sonnenbrille, Strass-Bauchkette, Tribal-Tattoo
Trageanlass: Versteckspiel im Dschungel, Ausflug nach Miami Beach, 2000er-Party
Nicht verwechseln mit: Hawaii-Hemd