Theresa: Wir sitzen in der Weinbar »Griabig« in München und machen uns jetzt etwas Schönes auf, Christian. Was ist denn das letzte Glas Wein, das du getrunken hast?
Christian: Ich habe gestern Abend einen 2014er Riesling getrunken. Großes Gewächs aus der Pfalz und der war schön gereift. Ich habe ihn immer schön kühl stehen lassen und kein Rieslingglas, sondern ein burgunder-ähnliches Glas genommen, damit der Wein schön Luft und Temperatur bekommt. Es war ein Hochgenuss über den gesamten Abend.
Theresa: Wir sehen schon, wir haben es heute mit einem Kenner zu tun. Darüber freue ich mich immer. Du sagst, du bist der größte Weinliebhaber, den es überhaupt gibt.
Christian: Nein, das sage ich nicht. Aber ich sage: Wein ist mein einziges Hobby. Stimmt nicht ganz. Ich habe ein zweites. Ich mache unglaublich gerne Yoga. Das klingt für viele so esoterisch. Aber wir sind eine kleine Männergruppe und wir machen ein- bis zweimal die Woche, seit sieben Jahren, ganz regelmäßig Yoga. Das ist also die zweite Leidenschaft. Das ist ganz großartig. Und beides tut dem Körper und dem Geist gut.
Theresa: Stimmt. Es gibt eine Gemeinsamkeit, nämlich dass man zur Ruhe kommt. Sich Zeit nehmen, das gilt für Yoga und für Wein. Was bedeutet Wein für dich? Geht es darum, sich etwas zu gönnen, oder ist es das Interesse am Geschmack, was ja bei einem Koch sehr naheliegt?
Christian: Ja, du hast es gerade ganz richtig gesagt, die deutsche Sprache ist da so genau – wir haben das Intransitive im Deutschen. Es heißt »sich etwas gönnen«. Dabei ist es egal, was es ist. Es gibt unglaublich viel Kraft, die den Geist befriedigt und im besten Sinne auch den Körper, wenn es nicht zur Sucht wird.
Theresa: Ich habe schon gehört, dass du reife Rieslinge magst.
Christian: Ich trinke auch sehr gerne junge Weine, aber wir lassen uns oft zu wenig Zeit, junge Weine reifen zu lassen. Die wenigsten kaufen sich zwölf Flaschen von einem Wein, sondern zwei. Die trinken sie dann relativ schnell aus, ohne die Kurve des Alterns abzuwarten.
Theresa: Heute trinken wir aber jung.
Christian: Ich bin gespannt.
Theresa: Es ist ein Rotwein auf Eis, weil wir heute sehr hitzige Temperaturen haben. Es geht heute an die Ahr.
Christian: Wenn Rotwein, dann von der Ahr. Das ist, glaube ich, das Kernland des deutschen Rotweins.
Theresa (erstaunt): Hast du das so gelernt oder ist das ein Credo von dir?
Christian: Das habe ich früher so gelernt. Und die Ahr ist auch durch die Geografie und die Topografie prädestiniert für tolle Rotweine. Jedes Gebiet hat schöne Rotweine, aber die Ahr hat spezielle, ganz tolle Rotweine, finde ich. Ich bin gespannt, was du heute dabeihast.
Theresa: Man muss sich einmal diese Kulturlandschaft vor Augen führen. Es gibt die steilsten Hänge, die man sich vorstellen kann. Sie sind bepflanzt mit Rebstöcken, die zum Teil für Maschinen total schwer erreichbar sind. Es ist sogar so, dass man da zum Teil nur mit dem Helikopter rankommt. Und es ist nun zwei Jahre her, dass die verheerende Flut kam und auch viele Weinbaubetriebe betroffen waren. Deswegen dachte ich mir, um sie zu unterstützen, dass wir jetzt einen Wein von der Ahr trinken, und zwar genau aus diesem Jahr des Hochwassers, 2021. Die Flut kam nämlich sechs Wochen vor der Ernte. Es ist ein Frühburgunder, kein Spätburgunder wie so oft. Die Ahr ist bekannt für Spätburgunder, aber zwei Prozent sind mit Frühburgunder bepflanzt.
Christian: Ich weiß nur, dass Frühburgunder ja eigentlich eine relativ neue Sache ist, ein Abkömmling vom Spätburgunder, wenn ich richtig informiert bin. Es ist irgendwie ein Derivat.
Theresa: Eine Art Verwandtschaft. (Sie öffnet die Flasche und hält Christian den Korken zum Riechen hin.)
Christian: Du hast mir gerade den Korken hingehalten. Ich habe nie so ganz nachvollziehen können, was das ganze Prozedere soll. Bei manchen Korken dachte ich: Oho, der Wein ist nichts, und im Glas war der Wein super. Und es gab Korken, die nur nach Korken gerochen haben, aber der Wein war nicht gut. Das heißt, es ist also doch nur Zufall oder man muss wirklich eine ganz geschulte Nase haben.
Theresa: Ja, es gehört immer beides dazu. Christian, du bist Saarländer. Was hat dich das Saarland über Kulinarik gelehrt?
Christian: Das Saarland ist eigentlich eher ein Bierland. Es gibt den Spruch: »Hauptsach gud gess, geschafft hann mir schnell.« Also, Hauptsache, gut gegessen, gearbeitet haben wir schnell. Das ist einfach ein Nationalspruch. Ich habe darüber gerade ein tolles Buch gemacht. Deutsche Küche, inspiriert von dieser Regionalität. Aus der Region, aus der meine Mutter und meine Großeltern hergekommen sind. Wir müssen nicht immer in die Welt hinausrufen. Wir haben in Deutschland so großartige Gerichte, die toll sind, und die habe ich ein bisschen entstaubt und einfach in moderner Art und Weise überführt. Genauso verhält es sich übrigens auch beim Wein. Wir haben heute junge Winzergenerationen, unglaublich viele Frauen, die aus der Hochschule in Geisenheim kommen, die die alten Betriebe der Eltern ummodeln und diese Knochenarbeit auf sich nehmen und völlig neue Stilistiken haben. Das ist toll. Hast du eigentlich schon probiert?
Theresa: Ich habe schon zweimal probiert. Ich bin da gerne etwas voreilig.
Christian: Dein erster Eindruck?
Theresa: Ich war etwas überrascht, denn das Jahr 2021 war ja eigentlich kühl. Aber ich finde, der Wein strahlt so eine Wärme aus. Er hat eine extrem schöne Dichte. Er hat trotzdem Würze. Also, er gefällt mir gut. Ich glaube, er braucht noch ein bisschen Luft.
Christian: Ja, absolut. Er hat vor allen Dingen eine beeindruckende Farbe. Das muss man sagen. Oft hat ja ein Frühburgunder oder auch ein Rheingau Spätburgunder eine ganz andere Farbe. Und ja, er ist ziemlich dicht, auch von der Farbe her. Er hat eine schöne, angenehme Frucht, aber er hat auch eine Struktur am Gaumen.
Theresa: Wenn ich dir so zuhöre und dich beobachte, fühle ich mich ein wenig an die Restauranttester-Zeiten erinnert. Ich habe mich gefragt, wie ist es, wenn du heute ein Restaurant betrittst? Wie viele Jahre gab es diese Sendung?
Christian: Ich habe 2003 damit angefangen und habe die Sendung über zehn Jahre gemacht. Da sprechen mich noch unglaublich viele Menschen darauf an. Warum? Es war einfach seriös gemacht. Ich war der Erste, der eine solche Sendung gemacht hat. Unser Drehteam bestand aus nur vier Leuten. Es gab kein Drehbuch. Es war nichts gefakt, auch wenn das immer mal wieder behauptet wird. Es gab nie eine Absprache mit irgendjemandem oder über irgendwas.
Theresa: Und wie reagieren die Leute jetzt, wenn du ein Restaurant betrittst? Wird man mit offenen Armen empfangen oder gehen die Betreiber erst mal in Deckung?
Christian: Heute in München war ich in einem Biergarten und da kam die Betreiberin direkt raus und rief mir zu: »Herr Rach, wollen Sie uns jetzt testen?« Das ist ein Dauerspruch. Er zeugt von Respekt und Freude. Also, in der Regel freuen sich die Leute.
Theresa: Lieber Christian, es hat mich sehr gefreut. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast.
Christian: Danke für die Einladung.