Auf ein Glas Wein mit Felix Neureuther

Der Rausch der Geschwindigkeit war für ihn Antrieb und täglicher Begleiter. Das hat sich nach seiner Profikarriere als Skirennfahrer geändert. Statt auf Medaillen macht Felix Neureuther jetzt auch mal Jagd auf Wein. // Was das mit seinen Kindern zu tun hat, das hat er Theresa Olkus bei einem Glas Weißburgunder erzählt.

Oben in den Bergen herrscht Ruhe. Für Felix Neureuther bedeuten sie »Lebensgefühl«, das man unbedingt bewahren muss. Foto: Lucas Pretzel

Theresa: Es gibt einen Bezug zwischen Felix Neureuther und Wein. Aber bevor du das erzählst: Was trinkst du denn sonst so in der Regel?
Felix: Ich trinke gerne Bier, weil ich aus Bayern komme und wir ein Bierland sind. Ich bin jetzt aber nicht so der große Trinker, früher als Leistungssportler eh nicht. Und auch jetzt mache ich mir abends allein zu Hause keine Flasche auf. Aber langsam kommt das bei mir auch mit dem Wein. Zu einem schönen Essen ein gutes Glas Wein, das hat was mit Lebensqualität zu tun. Innerhalb kürzester Zeit habe ich zwei besondere Flaschen Wein gekauft. Völlig unterschiedliche Flaschen, die auf einmal eine wahnsinnig große Bedeutung bekommen haben.

Theresa: Dann erzähl uns mal, was es damit auf sich hat.
Felix: Die eine Flasche habe ich von einem Golfturnier, bei dem es eine Verlosung für einen guten Zweck gab. Da gab es eine Flasche Wein von 1938, die hatten die in irgendeinem Keller hinter einer Mauer gefunden. Von diesem Wein gibt es nur noch sechs Flaschen. Da ich weiß, wie gerne mein Vater Wein trinkt, dachte ich, das wäre ein cooles Geschenk. Dann ging die Versteigerung los und das Startgebot lag bei 1.500 Euro, also richtig viel. Dann habe ich die Hand gehoben. Dann hat jemand anderes die Hand gehoben und es ging auf 1.600 Euro, wieder jemand anderes hat dann auf 1.700 erhöht … 1.700 zum Ersten, zum Zweiten … und dann habe ich wieder die Hand gehoben: 1.800 Euro. Ich habe die Flasche Wein für 1.800 Euro ersteigert. Und dann dachte ich mir: Was hast du gemacht? So viel Geld für eine Flasche Wein. Ist es das wert?

Theresa: Weißt du, von welchem Weingut der Wein ist?
Felix:
Ja. Deidesheimer Leinhöhle, das ist eine Riesling Auslese von 1938. Weingut Reichsrat von Buhl. Das ist gut, oder?

Theresa: O. k., Felix. Ich glaube, die 1.800 Euro sind sehr gut investiert. Das ist ein Traditionsweingut aus Deidesheim, das seit jeher für Riesling bekannt ist. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht mit diesem Wein. Und was war die zweite besondere Flasche, von der du anfangs gesprochen hast?

Felix Neureuther war früher eher der Clubgänger. Jetzt sitzt er gerne mit Freunden zusammen. Foto: Lucas Pretzel

Felix: Wir waren im Toskana-Urlaub. Da dachte ich, dass es toll wäre, eine Flasche Sassicaia von meinem Geburtsjahr zu haben. Ich bin 1984 geboren. Dafür habe ich 800 Euro gezahlt. Das ist schon ein stolzer Preis. Dazu habe ich noch je eine Flasche von dem Jahrgang meiner Kinder gekauft. 2017, 2020 – und 2022 kommt erst noch. Und ich freue mich jetzt schon irgendwie auf die Momente, wenn sie später ein besonderes Ereignis haben, ob das eine Hochzeit ist oder der Schulabschluss, und den dann trinken.

Theresa: Das hat mein Papa tatsächlich auch gemacht, meinen Geburtsjahrgang zurückgelegt. Und wenn man dann mal so alt ist, dass man den Wein trinken kann, ist das etwas extrem Besonderes. Deswegen werden es deine Kinder sicherlich sehr wertschätzen. Nur eine Flasche ist fast zu wenig. Ich hab mich auch mal informiert, wie dein Jahrgang so war: 1984.
Felix: Der war gar nicht so gut (lacht).

Theresa: Stimmt. Ich habe extra einen Winzer gefragt aus Baden. Der Jahrgang scheint doch mehr gute Skifahrer hervorgebracht zu haben als Weine. Aber wir trinken jetzt mal. Ich mache die Flasche auf. Das ist ein Weißburgunder 2021. Er kommt vom Bodensee, das Weingut liegt am See, die Weinreben reichen direkt bis zum Ufer und man hat einen Blick auf die Berge.
Felix: (trinkt) Oh ja, der ist aber sehr gut. Sehr, sehr gut.

Für Ex-Skiprofi Felix Neureuther gehört zu einem schönen Essen ein gutes Glas Wein, das habe was mit Lebensqualität zu tun. Foto: Lucas Pretzel

Theresa: Lass uns vom Wein zum Sport schwenken. Du bist jetzt bayerischer Botschafter des Sports. Was machst du in dieser Funktion?
Felix: Da habe ich lange überlegt, ob ich das mache. Es ist unglaublich schwer, wenn man sich für so etwas engagiert, dass man da tatsächlich was bewegen kann, nämlich dass die Politik das Thema Sport viel mehr unterstützt. Denn das Erste, was in der Schule gestrichen wird, ist der Sport. Mein großes Ziel ist, den Unterricht zu revolutionieren, dass das Thema Bewegung – auch während des Unterrichts – nicht zu kurz kommt. Genau deswegen habe ich das letztendlich auch gemacht, weil ich durch die Position als Sportbotschafter diesem Ziel etwas näherkomme. Ich kann Dinge ganz klar sagen, und zwar direkt zu den Entscheidungsträgern. Ich will, dass die Kinder gesund in die Zukunft geschickt werden.

Theresa: Apropos Zukunft. Da gibt es noch ein Projekt, das »Unsere Alpen« heißt. Ein Buch, in dem du über die Einzigartigkeit der Berge berichten darfst. Du sagst, es soll auch ein Aufruf sein, die Schönheit der Alpen zu erhalten. Das hat auch Parallelen zu den Weinbergen. Wir genießen die Weinberge und die Berglandschaft und konsumieren den Wein und die Skigebiete. Was kann ich denn tun, um die Alpen zu schützen?
Felix: Sie einfach so zurücklassen, wie man sie vorgefunden hat. Dass man nicht den Müll zurücklässt. Was wir hier in Garmisch-Partenkirchen erleben, ist der Wahnsinn. Es ist zum Party-Ort geworden. Das ärgert mich. Wir brauchen die Berge, das ist Lebensgefühl.

Theresa: Jetzt sind wir hier in Garmisch-Partenkirchen, wo es viele Pisten gibt. Was macht denn eine richtig gute Piste aus? Im Weinbau sind das ja die Hangneigung, der Boden, die Sonneneinstrahlung, die Waldnähe, die Winde usw.
Felix: Da gibt es schon viele Gemeinsamkeiten. Definitiv. Der Wind spielt eine große Rolle, die Konsistenz des Schnees, die Neigung, die Sonneneinstrahlung. Man kann schon sagen: So ein Schneekristall ist wie eine kleine Weintraube. Die perfekte Piste für mich als Profiskifahrer muss so schwer wie möglich zu fahren sein. Ich will immer die maximale Herausforderung. Also steil, Übergänge, Schrägen, unruhige Piste, blankes Eis.

Theresa: Horror. Als normaler Skifahrer würde ich da nicht runterwollen. An welche Piste wirst du dich immer erinnern?

Felix Neureuther ist in seiner Heimat Garmisch-Partenkirchen ein ganz normaler Bewohner. Er und seine Familie haben hier ihre Ruhe. Foto: Lucas Pretzel

Felix: Kitzbühel. Ganz klar. Da bekomme ich immer Gänsehaut. Das ist die maximale Herausforderung und Skifahren pur. Da sind sie vor 80 Jahren auch schon runtergefahren. Das ist auch das Schöne, dass das Stadel an derselben Stelle steht wie damals, als mein Vater runtergefahren ist. Man muss Respekt haben. Furcht nein, Respekt ja. Dieser Rausch der Geschwindigkeit hat schon was.

Theresa: Wo lebst du den Rausch heute aus?
Felix: Es hat sich viel geändert, seitdem ich Vater bin. Früher habe ich immer die Extreme gesucht. Seitdem die Kinder da sind, bin ich sehr vorsichtig geworden, also nicht was die Kinder angeht, sondern ich persönlich. Die Kinder sollen auf Bäume klettern und sich ausprobieren. Die sollen ganz normal aufwachsen. Und da haben wir ein wahnsinniges Glück, dass wir hier unsere Ruhe haben und ganz normal leben können.

Theresa: Und wo gehst du hier ein Glas Wein trinken?
Felix: Zu Hause (lacht). Wir haben drei Kinder und bei uns geht es eher laut zu. Wir wollen den anderen Gästen das Rumgehüpfe ersparen. Das passiert nämlich, wenn wir essen gehen. Der eine oder andere, der uns schon mal als Familie im Restaurant erlebt hat, möge uns verzeihen.

Theresa: Danke für das Glas Wein, das wir zusammen getrunken haben. Ich bin gespannt, was ich noch höre von diesem Wein, den du ersteigert hast. Das Wichtige ist, dass er irgendwann auch getrunken wird. 
Felix: Nein, vergiss es. Das kann ich nicht. Wenn jemand kommt und einen guten Preis zahlt, dann gebe ich den Wein her und das Geld kommt in meine Stiftung, dann habe ich viel mehr Spaß daran.

Theresa: Na gut, ich bin gespannt, was sich daraus ergibt. Vielen lieben Dank für deine Zeit.
Felix: Danke schön.

Theresa Olkus hat Felix Neureuther in Garmisch-Partenkirchen im Cuatro Hombres auf ein Glas Wein getroffen. Foto: Lucas Pretzel

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