Auf ein Glas Wein mit Max Mutzke

Es ist inzwischen ein Ritual geworden. Nach jedem Konzert lässt Sänger Max Mutzke eine Flasche Rotwein von seinem Team signieren und legt sie in seinen Weinkeller. Welche Schätze lagern dort inzwischen? Theresa Olkus hat ihn in Berlin auf ein Glas Spätburgunder getroffen.

Foto: Peter Wolff

Theresa Olkus: Wir haben an alles gedacht: Gläser, Wein – nur die Kerzen fehlen. Man könnte meinen, es sei Abend. Dabei haben wir 13:30 Uhr und wir treffen uns in Berlin zum Wein trinken.
Max Mutzke: (lacht) Jetzt haben die Leute ja einen total falschen Eindruck – treffen uns mittags zum Wein trinken, das mache ich normalerweise nie. Ich freue mich aber sehr, schön dass ich da sein darf

Hier in der Nähe wird deine Sendung „Lebenslieder“ aufgezeichnet – eine Art Talkshow mit Musik. Um was geht es in der Sendung?
In der Sendung erzählt uns mein jeweiliger Gast in Form von Liedern aus seinem Leben. Das funktioniert, indem er oder sie uns mit in besondere Augenblicke nimmt – Lustiges, Bewegendes aber auch mal dramatische, traurige Geschichten. Im besten Fall verbindet er ein Lied damit, das wir dann singen. Was ich wirklich toll an dem Format finde ist, dass man sehr viel mehr über eine Person erfährt als in einem „normalen“ Talk. Selbst eine Barbara Schöneberger – die ja eine unglaubliche Präsenz in Deutschland hat und bei der man glaubt, dass man sie gut kennt – dann Dinge erzählt, von denen ich wusste, dass sie sie zuvor noch nie so erzählt hat.

Foto: Peter Wolff

Welche wären deine „Lebenslieder“?
Ich habe natürlich so ein paar Stücke, die für bestimmte Momente stehen. Wenn ich aber das Lied auswählen müsste, bei welchem ich am meisten Emotionen entwickle, wäre es wahrscheinlich die Titelmelodie von Pippi Langstrumpf. Wenn das losgeht (singt die Melodie), passiert bei mir was. Genauso geht es mir bei Michel aus Lönneberga. Das waren Lieder, die ich als Kind aufgesogen habe. Meine Kindheit im Schwarzwald ist am besten beschrieben, wenn man Pippi vs. Michel vor sich hat. Wir leben heute noch da. Ich laufe den ganzen Tag barfuß rum, die Kühe kommen bis in den Garten rein, es ist idyllisch – genau wie wir aufgewachsen sind.

Deine Heimat liegt in Südbaden. In Waldshut-Tiengen wächst der Wein vielleicht nicht direkt vor der Haustüre, aber auch nicht weit entfernt. Oder?
Ja, tatsächlich ist die Weinregion Kaiserstuhl nicht weit entfernt. Es gibt viel Wein in unserer Gegend. Ich selbst bin tatsächlich weniger der Weißwein-Trinker, dafür liebe ich rote Weine.

Das wurde mir geflüstert. Ich habe deshalb einen Spätburgunder mitgebracht, die wichtigste Rebsorte für deine Heimat Baden.
Ich habe ein ganz schönes Wein-Ritual. Wenn wir als Band irgendwo auftreten, dürfen wir ein Dokument an den Veranstalter abschicken, in dem festgehalten wird, was wir alles benötigen, sprich welche Technik, Instrumente oder auch Catering wir gerne hätten. Da steht dann immer drin, dass gerne zwei Flaschen Rotwein da sein sollen für nach der Show, wenn man zusammensitzt. Die zweite wird meist nicht geöffnet. Die lasse ich mir immer von allen Leuten unterschreiben und wir halten das Datum des Konzerts auf der Flasche fest. Dann kommt sie in den Keller und ich kann sie irgendwann mal rausziehen, darüber sinnieren und sagen „Ach guck mal, das war letztes Jahr“. Das macht mir oft mehr Spaß, als wenn ich 12-mal den gleichen Wein im Keller habe.

Foto: Peter Wolff

Gibst du dabei an, welchen Wein du haben möchtest? Wer trifft die Auswahl?
Ich will das gar niemandem vorgeben. Immer wenn ich in Restaurants bin, privat oder geschäftlich, egal ob ich ein Bier oder einen Wein trinke – ich frage immer nach einer regionalen Empfehlung. Bei lokalen Weinen wird man sehr oft überrascht. Ich trinke gerne dunkle und beerige Rotweine – keinesfalls süße.

Kombinierst du die Weine mit passendem Essen?
Zwei oder drei Mal in meinem Leben durfte ich erleben, dass wir in einem Restaurant mit Michelin-Stern essen waren und jeweils eine Weinbegleitung zu jedem Gang hatten. Das fand ich total interessant, da sowohl das Kochen als auch der Wein für mich ein echtes Handwerk sind. Dann zu sehen, wie Menschen in so einer Küche arbeiten und man dann noch ein passendes Glas Wein serviert bekommt, das ist wirklich hochinteressant, und dann schmeckt es natürlich noch besser, als wenn man die Geschichten zum Wein nicht hören würde.

Wir reden schon die ganze Zeit über Wein, haben aber noch nichts im Glas. Ich schenke mal ein.
Man muss auch mal dazu sagen, dass wir aus extrem schönen, feinen, extravaganten Gläsern trinken. Der Wein riecht fantastisch, der Geruch verspricht extrem viel.

Foto: Peter Wolff

Ich habe mir beste Mühe gegeben, einen Wein auszuwählen, der dir gefällt.
Der Wein braucht noch etwas Zeit im Glas. Ich habe bei einem Winzer mal gelernt, dass man die Gläser vorher mit einem Schluck Wein ausspült. Ich finde es verrückt, welchen Unterschied es macht, wenn man das Glas vorab mit einem Schluck Wein statt Wasser auskleidet. Wenn wir Gäste haben, mache ich das inzwischen intuitiv, schenke überall ein Schlückchen ein, schwenke alle durch und schenke dann zehn Minuten später ein. Oft haben frisch gespülte oder aus dem Schrank genommene Gläser ja sonst einen Eigengeruch.

Klingt schon fast nach Profi. Was liegt noch in deinem Keller?
Das kann ich dir sagen. Mir ist eine lustige, aber auch coole Ehre zu teil geworden. 2018 habe ich den Champagner-Preis für Lebensfreude bekommen. Der Preis ist mit Champagner dotiert, entsprechend liegen neben anderen Weinen noch einige Flaschen davon im Keller. Dazu kamen vor kurzem ein paar Flaschen Rotkäppchen, da ich dort ein Konzert gespielt habe.

Wo kaufst du deinen Wein?
Unterschiedlich. Ein enger Freund von mir hat in Süddeutschland den größten Getränkevertrieb. Wenn ich bei ihm Wein hole, dann sage ich immer, er soll mir nach seinem Gefühl noch zwei, drei Weine dazulegen. Das Auspacken erfolgt dann immer mit den Nachbarn, mit denen wir ab und zu ein paar Weine probieren.

Im Winter fährst du Pistenbulli und betreibst sozusagen „Landschaftspflege“. Könntest du dir einen ähnlichen Beruf wie Winzer auch vorstellen?
Ich bewundere alle Winzer, wie ich das generell bei Landwirten mache. Wo ich aufgewachsen bin, waren im Dorf von drei Familien zwei mit landwirtschaftlichen Betrieben. Bei Winzern finde ich es noch eine Spur härter, weil sie so viel von Hand machen müssen. Und auch wenn ich sehr gerne etwas Handwerkliches mache und die Arbeit ehrlich und schön finde – in den Reben zu sein bei jedem Wetter und diese krasse Abhängigkeit von Sonne und Niederschlag, das ist schon hart. Als Künstler hätte ich zu sehr existenzielle Angst. Man spürt gerade jetzt, wie abhängig man ist, und wie unkalkulierbar alles ist.

Foto: Peter Wolff

Man muss schon einen besonderen Willen und eine Leidenschaft haben. Den Wein habe ich ausgewählt, da es ein Spätburgunder aus einer Grenzregion ist. Du kommst aus der Nähe der Schweiz, dieser Wein aus der Grenzregion zu Frankreich. Der Weinberg geht sogar über die Landesgrenze hinaus.
Spannend. Er hat etwas Zeit gebraucht, schmeckt jetzt aber absolut lecker und gefällt mir sehr gut. Ich habe erst mit Mitte 20 angefangen, Rotwein zu verstehen. In den Anfangsjahren habe ich mich mit deutschen Rotweinen zugegeben schwer getan, das verändert sich aber gerade sehr stark.

Das Klima verändert sich. Die Rotweine haben das Potenzial, sich kräftiger und noch powervoller zu entwickeln.
Die Sorten und der Geschmack gehen so langsam mehr in die Richtung, die ich schätze. Ich bin wirklich gespannt – meinst du, dass sich traditionelle Rebsorten klimatechnisch trotzdem halten werden in Deutschland?

Ich glaube, dass Rebsorten wie Riesling immer ihren Platz hier haben werden, einfach weil sie hier beheimatet sind. Man muss nur den Umgang damit lernen, wie zum Beispiel eine frühere Lese – auch damit der Wein nicht zu üppig und alkoholreich wird. Kommen wir zu deiner Musik. Was ist an der neuen Platte „Wunschlos süchtig“ anders als bisher?
Das Album hat eine ganz andere Attitude, weil ich das erste Mal auf deutsch singe. Es ist nah am Leben – mich haben viele Dinge sehr beschäftigt. Ich meine, ich bin 40 geworden im Mai (lacht).

Das hat dich sehr beschäftigt?
Das hat mich lustigerweise überhaupt nicht beschäftigt. Die Themen, die ich so hatte, sind viel politischer geworden, als ich zuerst dachte. Hätte man das alles auf Englisch gemacht, hätte sich das irgendwie widersprochen. Ich habe gemerkt, dass ich bei englischen Liedern erst viel später auf den Text achte, weil mir die Attitude gefällt. Im Fall meines neuen Albums wollte ich die direkte Ansprache, so dass man den Zugang zum Text schneller hat. Die Pandemie hat mir viel Inhalte geliefert. Dafür, dass so wenig war, war doch sehr viel los. In meinem Kopf, in der Gesellschaft.

Der Wein hat sich 45 Minuten später ganz schön geöffnet. Ich habe sogar noch etwas mitgebracht, was du dir in den Keller legen kannst – wie bei deinen Konzerten.
Dankeschön, das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Den öffne ich das nächste Mal zum Grillen. Vielen Dank.

Foto: Peter Wolff

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