Auf ein Glas Wein mit Ricarda Funk

Slalom-Kanutin Ricarda Funk kennt beide Seiten der Medaille: Bei den Olympischen Spielen in Tokio holte sie Gold. Wegen Corona nahm sie die Medaille vor leeren Zuschauerrängen entgegen. Bei den Spielen in Paris wollte sie ihren Erfolg wiederholen, diesmal vor den Augen der Fans. Doch der Traum platzte. Wie geht man mit so einer Niederlage um? Das hat sie Theresa Olkus bei einem Glas alkoholfreiem Sekt erzählt.

Foto: Felix Hartmann

Theresa: Der Podcast bringt uns an die unterschiedlichsten Orte in Deutschland, und heute sind wir in Augsburg. Mir gegenüber sitzt Ricarda Funk. Schön, dass es heute klappt.
Ricarda: Vielen Dank für die Einladung.

Theresa: Warum Augsburg?
Ricarda:
Es ist nicht die Augsburger Puppenkiste, die mich hierher gezogen hat. Es war der Sport, meine Leidenschaft. Ich bin damals nach dem Abitur hier in den Süden gegangen, damit ich Vollgas geben kann. Hier habe ich die besten Trainingsbedingungen.

Theresa: Augsburg ist eine Hochburg für den Kanusport?
Ricarda:
Genau.

Theresa: Eine Frage, die alle Gäste immer beantworten, ist: Was war denn dein letztes Glas Wein und wann?
Ricarda:
Grundsätzlich trinke ich wenig Alkohol. Ich bin da auch sehr streng, muss ich sagen. Ich hatte aber gerade eine trainingsfreie Zeit, und da habe ich tatsächlich hier und da ein Glas Wein getrunken.

Theresa: Man darf auch mal genießen, oder?
Ricarda: Ja, unbedingt. Man muss auch mal leben. (lacht)

Theresa: Wir haben heute ein Novum. Ich habe einen alkoholfreien Sekt mitgebracht. Ich bin gespannt. Eigentlich könnte man auch einfach Traubensaft verperlen, sprich mit Kohlensäure versetzen. Aber dieser Sekt ist tatsächlich entalkoholisiert über Vakuumverdampfung. Das bedeutet, dass man den Alkohol entzieht, vorher aber die Aromen extrahiert, also in seine Einzelteile zerlegt und später wieder zusetzt. Ich schenke mal ein. (Theresa öffnet die Flasche und schenkt ein)

Auch als Spitzensportlerin darf man mal mit einem Gläschen Sekt anstoßen, zumal es diesmal alkoholfreier ist. Foto: Felix Hartmann


Ich habe gelesen, dass du im Ahrtal groß geworden bist. Am Thema Wein kommt man da doch gar nicht vorbei, oder?
Ricarda:
Theoretisch nicht. Es gibt da unzählige Weinfeste. Komischerweise habe ich nie das große Bedürfnis gehabt, viel Wein zu trinken.

Theresa: Das Ahrtal ist eine Weinregion südlich von Bonn, in der die Leute nach meiner Erfahrung rheinische Frohnaturen sind und Menschen extra ins Ahrtal kommen, um dort Wein zu trinken.
Ricarda: Das Thema ist auf jeden Fall präsent. Ich habe jeden Tag auf der Ahr trainiert, und ich muss sagen, es ist wirklich schön dort.

Theresa: Du hast dich sehr früh dem Kanusport gewidmet. Dabei ist Kanuslalom nicht der typische Sport, den man als junges Mädchen beginnt. Wie kam es dazu?
Ricarda:
Genau. Wie kommt ein kleines junges Mädchen auf die Idee, sich in ein Boot zu setzen, und dann auch noch im Wildwasser? Natürlich bin ich nicht von allein auf diese Idee gekommen. Mein Bruder hatte zuerst mit dem Paddeln angefangen. Ich wollte damals viel lieber tanzen oder reiten. Ich war jahrelang im Tanzverein und habe mich nur ab und zu einmal ins Boot gesetzt. Ich würde sagen, ich war sechs Jahre alt, als ich mit dem Kanusport so richtig angefangen habe. Irgendwann habe ich gemerkt, wie großartig das Element Wasser ist und auch der Kanusport. Als mein Bruder die ersten Wettkämpfe bestritten und seine erste Medaille gewonnen hatte, dachte ich: Das will ich auch.

Theresa: Ist es in Ahrweiler, wo du aufgewachsen bist, einfach, mit dem Kanusport anzufangen?
Ricarda:
Es ist sehr ungewöhnlich, im Kreis Ahrweiler kommt man in der Regel nicht auf die Idee, mit Kanuslalom anzufangen. Das gibt es dort nicht. Mein Vater hat den Kanusport als Hobby betrieben. Er hat sich da richtig reingefuchst und zusammen mit meinem Bruder und mir auf der Ahr trainiert. Wir hatten nichts. Es gab keine Strecke oder Tore. Mein Vater hat anfangs einfach eine Angel, an der ein Stab hing, ins Wasser gehalten. Da bin ich am Anfang drum herumgefahren und hab so meine Grundtechniken gelernt.

Ricardas Leidenschaft für den Kanusport entfachte sich in ihrer Heimat im Kreis Ahrweiler. Foto: Felix Hartmann


Theresa: Wie ging es dann weiter?
Ricarda:
Irgendwann wird man entdeckt, man kommt in die Fördersysteme rein, dann reist man auf einmal viel und gewinnt vielleicht den ein oder anderen Wettkampf, und umso mehr oder umso höher der Erfolg ist, umso größer werden irgendwann die Ziele. Dann fängt man an zu träumen. Der Traum, an Olympischen Spielen teilzunehmen, ist in der Schulzeit gewachsen. Ich habe in der Oberstufe das erste Mal realisiert, dass dieser Traum auch greifbar ist. Und dann führte ein Schritt zum anderen. Nach meinem Abitur bin ich in die Sportfördergruppe der Bundeswehr gekommen und habe es geschafft, mich für die Nationalmannschaft zu qualifizieren. Das war für mich ein großes Ding.

Theresa: Ich mache jetzt einen kleinen Sprung. Dein größter Erfolg war Gold bei den Olympischen Spielen in Tokio. Kam das für dich überraschend, oder hattest du vorher schon ein gutes Gefühl?Ricarda: Ich bin in Tokio nicht als unbeschriebenes Blatt an den Start gegangen. Ich war damals Weltranglistenzweite und hatte schon drei WM-Medaillen gewonnen. Dass es am Ende Gold wird, war für mich unglaublich.

Theresa: Darf man dann seinen Erfolg auch feiern und Alkohol trinken oder fällt das noch in den Bereich Wettkampfphase, in der man streng mit sich sein muss?
Ricarda:
Verboten ist generell nichts. Alkohol passt aber einfach nicht zu meinem Lebensstil, es passt nicht mit dem Leistungssport zusammen. Aber nach einer Medaille feiert man natürlich auch mal. Gerade wenn man so lange auf etwas verzichtet und so hart gearbeitet hat.

Beim Gewinn einer olympischen Goldmedaille darf auch mal gefeiert werden. Foto: Felix Hartmann


Theresa: Olympia in Tokio fand während der Corona-Pandemie und damit unter besonderen Umständen statt.
Ricarda:
Das war eine ganz andere Welt als jetzt die Olympischen Spiele in Paris. Es war ein komplett anderes Erlebnis. In Tokio waren die Tribünen leer. Bei der Siegerehrung waren mein Team und die Teams der beiden anderen beiden Medaillengewinnerinnen anwesend, also jeweils eine Handvoll.

Theresa: Wenn man sich vorstellt, dass die Stimmung des Publikums einen noch mal so richtig pushen kann, ist es umso beachtlicher, dass du ohne diesen Support diese Leistung geschafft hast.
Ricarda:
Ich stand oben am Start, da war kein Publikum, das gejubelt hat, getobt hat, die ausgerastet sind, so wie in Paris. Nein, es war Totenstille. Es war eine riesengroße Leinwand aufgebaut, weil aber keine Zuschauer da waren, hat man die gar nicht gebraucht. Aber sie hat mir ein gewisses Wettkampf-Feeling gegeben.

Theresa: Bei den Olympischen Spielen in Paris hast du das echte Olympia-Feeling miterleben dürfen. Bevor wir darauf zu sprechen kommen, müssen wir aber anstoßen und probieren, wie alkoholfrei schmeckt. (beide nehmen einen Schluck)
Ricarda: Ich finde ihn auf jeden Fall sehr fruchtig. Sehr lecker.

Theresa: Er erfüllt auf jeden Fall seinen Zweck, da er etwas Erfrischendes hat. Es ist auf jeden Fall eine Alternative, und ich kann ihn mir bei Feiern vorstellen, weil es prickelt. Er ist sehr aromatisch. Also zum Anstoßen finde ich es eine echte Alternative.
Ricarda: Für mich definitiv, eben weil ich selten Alkohol trinke. Mir schmeckt es wahrscheinlich sogar besser als mit Alkohol.

Theresa: Dadurch, dass Alkohol zur Struktur beiträgt, hatte ich Sorge, dass ein alkoholfreier Sekt ein bisschen flach schmeckt. Er hat aber durchaus Komplexität. Ich bin froh, dass wir das heute ausprobieren.
Ricarda: Es ist immer gut, offen für Neues zu sein.

Theresa: Zurück zu Paris. Wie war es für dich, vor Ort zu sein?Ricarda: Ich bin sehr dankbar, dass ich dabei sein durfte. Klar, sportlich gesehen war es nicht das, was ich mir erhofft hatte, aber das Gesamtpaket, also das Team, das Publikum, das habe ich noch nie vorher so erlebt. Da war eine Euphorie, die man gespürt hat. Die Menschen waren froh, dass sie uns wieder anfeuern konnten. Meine Familie saß mit auf der Tribüne und durfte olympische Luft schnuppern. Das war für mich etwas ganz Besonderes.

Auch wenn der große Erfolg ausblieb, war Paris ein Highlight für Ricarda Funk. Foto: Felix Hartmann


Theresa: Wie groß war die Enttäuschung, dass es in Paris sportlich gesehen anders ausgegangen ist als erhofft? Ich kann mir vorstellen, dass der Support der ganzen Leute einem hilft.
Ricarda:
Definitiv. Es waren die Menschen, die mir geholfen haben, diese Niederlage zu ertragen. Ich habe unglaublichen Rückhalt gespürt. Die ganzen Nachrichten, die alle voller Liebe waren. Ich weiß nicht, ob ich das ohne das alles hätte wegstecken können. Schließlich habe ich jahrelang darauf hingearbeitet, und wenn es genau dann in diesem einen Moment nicht klappt, bricht natürlich kurz eine Welt zusammen.

Theresa: Ich stelle es mir schwierig vor. Der Druck muss enorm sein und dann Gefühle zuzulassen und zu sagen, so ist es jetzt: Ich kann mir vorstellen, dass es ganz viel mentale Arbeit erfordert, um das aufzuarbeiten.
Ricarda:
Ja, definitiv. Natürlich arbeite ich seit Jahren mit Sportpsychologen zusammen, und es war auch nicht meine erste große Niederlage. Trotzdem ist ein Traum zerbrochen. Ich mache mir aber keine Vorwürfe. Ich habe mein Bestes gegeben, und mein Bestes sollte gut genug sein, auch wenn es in diesem Fall leider nicht perfekt war.

Theresa: Was hat dir da am meisten geholfen? Was ist dein Tipp, mit Niederlagen umzugehen?
Ricarda:
Wenn ich mit angezogener Handbremse gefahren wäre, dann könnte ich mir wirklich in den Hintern treten. Aber ich bin auf Gold gefahren. Und wer riskiert, der kann verlieren, auch wenn es schmerzt. Aber es ist dann okay. Ich kann dann wieder nach vorne blicken und neue Ziele suchen und sehe es als Zeichen, dass ich mich noch verbessern und noch weiter an mir arbeiten kann. Verlieren und auch gewinnen muss man lernen. Es gibt viele Dinge, die man aus dem Sport ins normale Leben transferieren kann. Sich Ziele zu setzen, Teamfähigkeit, Durchhaltevermögen, Respekt und Fairness. Das sind Werte, die der Sport einem vermittelt, und sie helfen in allen Lebenslagen.

Theresa: Wie ist denn die Ricarda neben dem Sport?
Ricarda:
Natürlich bin ich nicht nur die Spitzensportlerin, die verbissen trainiert und immer extrem zielstrebig und ehrgeizig ist. Ich bin auch die Ricky, so wie mich eigentlich alle nennen, die Harry-Potter-Fan ist, die Schokolade liebt. Ich habe Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert.

Theresa: Du machst den Kanusport nun schon gut 25 Jahre. Wie geht es weiter?
Ricarda:
Ich bin noch nicht am Ende. Ich habe beim Kanufahren immer noch Aha-Momente, in denen ich spüre, jetzt weiß ich, wie es geht. Und diese Momente treiben mich an, weiterzumachen.

Theresa: Es gibt also noch viele kleine Schrauben, an denen man drehen kann. Danke, dass ich durch dich diese besondere Sportart besser kennenlernen durfte. Lass uns noch einmal anstoßen. Befürchten müssen wir ja nichts, da wir heute alkoholfrei unterwegs sind. Vielen Dank für deine Offenheit.
Ricarda:
Vielen Dank für den Austausch.

Ricarda Funk plant bereits für die Olympischen Spiele in Los Angeles 2028. Foto: Felix Hartmann

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