Auf ein Glas Wein mit Roland Trettl

Als Spitzenkoch hat Roland Trettl etliche Länder bereist und stellte im legendären Salzburger Restaurant Ikarus Spitzenköche aus aller Welt vor. Dann entdeckte er das Fernsehen für sich. In TV-Shows wie »The Taste« »Kitchen Impossible« oder »First Dates« dreht sich alles ums Essen und um die Liebe. Diese Kombination macht Roland Trettl zum idealen Gastgeber, wie Theresa Olkus bei ihrem Besuch erfahren durfte.

Spitzenkoch Roland Trettl ist stets auf der Suche nach dem perfekten Match, sei es bei »The Taste« oder »First Dates«. Foto: Lucas Pretzel

Theresa: Wir stehen heute im Weinkeller von Roland und suchen uns einen Wein aus.
Roland: Genau. Ich dachte mir, wenn du mein Gast bist, wäre es beschämend, wenn du einen Wein mitbringst. Du gehst jetzt natürlich das Risiko ein, dass ich etwas kaltgestellt habe, das dir nicht schmeckt.

Theresa: Ich habe wenig Sorge, dass ich nichts finde. Lass uns schauen, was du überhaupt alles da hast. Es gibt wenig Spannenderes, als im Weinkeller von Privatleuten zu stöbern.

Theresa Olkus hat Roland Trettl in seiner Heimat Salzburg besucht. Foto: Lucas Pretzel

Roland: Ich habe mit dem Weintrinken eigentlich sehr spät begonnen, weil ich ganz und gar Koch bin. Ich bin elf Jahre unterwegs gewesen, habe weltweit Gastköche besucht und habe in all den geilen Restaurants, in denen ich war, nie Wein getrunken. Wenn ich koche, konzentriere ich mich auf das reine Essen. Dafür brauche ich einfach meine ganze verfügbare Kapazität. Wenn ich Wein trinke beim Kochen, fange ich nach dem dritten Gang an, ein bisschen Laisser-faire zu werden, was ja schön ist, aber nicht beim Arbeiten.

Theresa: Das ist ja auch gut. Kochen und Wein sind ja beides ein extremes Handwerk, das Konzentration erfordert (schaut sich einen der Weinkühlschränke an). Lass uns schauen, was aus deutschen Anbaugebieten da ist. Wobei mich natürlich auch sehr interessiert, was hier noch liegt.
Roland: Sehr viel Frankreich, hauptsächlich Burgund. Ich bin zum Burgunder Wein gekommen durch Freunde. Das ist jetzt fünf, sechs Jahre her und seitdem hat mich das Thema gepackt. Aber wir reden und wir reden und reden.

Theresa: (öffnet einen der Weinkühlschränke) Stimmt. Also los. Hach, das ist ein schönes Gefühl. Einfach mal die Schubladen aufzuziehen, manche Flaschen herauszuziehen und sich zu erinnern. Wie kommt die Flasche hierher? Wer hat die mal mitgebracht? Und bei manchen weiß man es, weil man sie selbst irgendwo zu einem besonderen Anlass gekauft hat.
Roland: Definitiv, aber es tut mir fast leid, wenn ich bei der Flasche nicht weiß, woher sie kommt. Man sollte eine Art Wein-Tagebuch schreiben: War es ein Geschenk von jemandem oder ein Mitbringsel aus woher auch immer? Ich würde dann beim Weintrinken noch einmal an den Menschen denken, der mir den Wein geschenkt hat. Hier zum Beispiel, bei diesem Riesling, weiß ich nicht, von wem ich ihn habe. Es ist nur eine Flasche.

Theresa: Du hast mir ja vorab verraten, dass du dich noch an Riesling herantastest. Dafür bist du übrigens schon relativ gut bestückt. Ich will dich ja noch mehr in Richtung Riesling bringen. Deswegen machen wir das jetzt und trinken einen Riesling von dir von 2018 aus der Pfalz. (Roland öffnet die Flasche und schenkt ein. Beide trinken.)

Anstoßen wird gnadenlos überschätzt. Da sind sich beide einig. Foto: Lucas Pretzel

Roland: Er schmeckt so völlig anders, als er riecht. Ich habe natürlich dieses Süße als Allererstes im Geschmack und dann öffnet er sich und wird auch wahnsinnig interessant. Aber ich rieche das nicht.

Theresa: Also dafür, dass Riesling ja immer spitz und säurebetont ist, ist dieser hier sehr weich und harmonisch. Die Textur überrascht mich. Wenn du diesen burgundischen Stil magst, ist dieser Riesling von der Textur her gar nicht so weit entfernt.
Roland: Ja, das Buttrige. Der Wein hat etwas von weicher, zerlassener Butter. Ich habe etwas in der Art, glaube ich, noch nie getrunken. Ich weiß nicht, was man dazu essen sollte. Ich glaube, dass viel gehen würde.

Theresa: Ich glaube auch. Ich könnte mir den sogar zum Schnitzel vorstellen.
Roland: Ich bin ein guter Gastgeber und es wird später Wiener Schnitzel geben und wir werden es ausprobieren. Ich backe das Wiener Schnitzel in Butterschmalz aus. Ich glaube, das passt sehr gut.

Am besten ist es, wenn ein Wein nach Butter riecht. Foto: Lucas Pretzel

Theresa: Wir starten heute also das Wiener-Schnitzel-Riesling-Experiment (lacht). Aber wenn wir bei Salz, Süße usw. sind: Wie gut kannst du aus deiner Vorliebe beim Essen ableiten, was du gerne trinkst? Ich bin zum Beispiel jemand, der schon als Kind immer lieber sauer als süß gegessen hat. Diese Vorliebe mündet bei mir komplett in Riesling, weil er oft mineralisch und salzig ist und auch säurestark. Gibt es so etwas bei dir auch?
Roland: Absolut. Du hast quasi alle Vorlieben genannt. Säure und Salz sind das perfekte Match. Und: kein Gericht ohne Butter. Butter oder Öle. Ich mag Burgunder, weil er für mich etwas Salziges hat, dann die Säure und bei ganz vielen Burgundern rieche ich flüssige Butter. Süße verstehe ich am allerwenigsten. Und da versteht mich auch keiner, dass ich bei Salz und Säure nicht an Riesling denke, sondern eher an etwas Liebliches. Aber: Ich will immer mehr lernen und bloß nie stillstehen.

Theresa: Übung macht den Meister. Je mehr man von einer Rebsorte trinkt, desto mehr kann man sie zuordnen, desto besser versteht man deren Hauptcharakter. Sie kann ja dennoch so unterschiedlich sein, wie wir jetzt sehen. Ich habe jetzt natürlich keine Prozentzahlen parat, aber ich würde schon behaupten, dass in Deutschland der Riesling größtenteils trocken ist.
Roland: Kann ich noch einen zweiten Wein holen?

Theresa: Ja, gerne. Wir halten fest, dass der erste gar nicht so schlecht war.
Roland: Ich finde, es ist eine Hassliebe. Ich rieche was Wildes und das mag ich sehr. Aber: Ich habe den Wein im Mund und schmecke als Erstes etwas Liebliches. Und das ist für mich so dieser Sprung, mit dem ich am Anfang nicht klar kam.

Theresa: Dann bin ich mal gespannt, was du als zweiten Wein heraussuchst. (Roland und Theresa holen eine neue Flasche Wein.)

Riesling gehört nicht zu seinen Favoriten. Dieser hat ihm dennoch geschmeckt. Foto: Lucas Pretzel

Theresa: Wir haben entschieden, einen zweiten Riesling aufzumachen. Wieder aus der Pfalz, aus 2020. (Roland öffnet die Flasche, beide trinken einen Schluck)

Theresa: (grinst) Mir gefällt er sehr gut.
Roland: Den finde ich richtig geil. Beim ersten Wein denke ich direkt an ein Gericht. Das brauche ich bei dem zweiten Wein nicht. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt.

Theresa: Was die Säure und Salzigkeit angeht, die wir ja beide offenbar so gerne mögen, ist der zweite Wein ein sehr schönes Beispiel. Ich habe mich gefragt, nachdem du ja viel im Fernsehen bist: Warum gucken wir so gerne jemandem beim Kochen zu? Warum sind Kochsendungen erfolgreich? Warum gelingt es uns nicht mit dem Wein?
Roland: Meine Antwort dazu ist: Wir überleben ohne Wein, wir überleben aber nicht ohne Essen und wir überleben nicht ohne Liebe. Das ist in unseren Köpfen fest verankert. Alles andere ist Genuss.

Theresa: Ich warte trotzdem weiter auf eine Weinsendung. Ich gebe nicht auf.
Roland: Gib nicht auf. (lacht)

Theresa: Jetzt hast du dich als Koch – so würde ich behaupten – sehr frei gemacht. Freigemacht von Bewertungen, von Testern, von Kritikern. Wie ist es beim Wein? Schaust du da auf Bewertungen?
Roland: Ich gehöre zu den Köchen, die sagen, dass sich die ganze Branche zu sehr abhängig macht von einem Michelin-Stern, von den ganzen Typen, die uns bewerten. So denke ich als Koch. Wenn ich jetzt als Mensch spreche, der in das Thema Wein neu einsteigt, dann ertappe ich mich dabei, dass ich auf Bewertungen und Punkte schaue, wohlwissend, dass ich es für mich selbst nie mehr zulassen würde, dass man mich bewertet. Wenn ich einen 99-Punkte-Wein sehe, nehme ich ihn extra nicht. Manchmal zumindest. Ich erwische mich auch dabei, dass ich auf den Preis besonders achte. Der Wein muss teuer sein. Das ist für mich Orientierung. Nehmen wir deutschen Riesling. Es muss schon einen Grund geben, warum einer 15 € kostet und ein anderer 120 €.

Roland Trettl hat sich mittlerweile von der Spitzengastronomie verabschiedet und ist deutlich zufriedener. Foto: Lucas Pretzel

Theresa: Ich denke, was in Handarbeit erzeugt wird, das muss seinen Preis haben.
Roland: Definitiv.

Theresa: Roland, abschließend müssen wir noch klären, welcher der beiden Weine besser geschmeckt hat. Wir müssen keine Punkte vergeben. Es ist ja eh immer subjektiv.
Roland: Und deshalb belassen wir es dabei, dass es beide tolle Weine sind. Der eine passt zu einem Essen, der andere hat Leichtigkeit. Das zeigt uns auch, wie unterschiedlich ein Wein sein kann, obwohl er nur aus einer Traube gewonnen wird.

Theresa: Das war wirklich ein außergewöhnliches Gespräch. Danke, dass ich dein Gast sein durfte.
Roland: Sehr gerne.

Foto: Lucas Pretzel

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