Auf ein Glas Wein mit Verena Pausder

Sucht man im Internet den Namen Verena Pausder, findet man neben Bezeichnungen wie Unternehmerin, Podcasterin, Keynote-Speakerin oder Expertin für Digitale Bildung auch Wörter wie Antreiberin, Brückenbauerin und – FC Viktoria Berlin. Theresa Olkus hat sie in ihrer Wahlheimat Berlin besucht – mit zwei Flaschen Sekt aus Rheinhessen im Gepäck.

Voller Ideen und keine Angst vorm Ausprobieren. Foto: Lucas Pretzel

Theresa: Verena, du bist Podcast-Profi. Du hast heute bereits eine Folge aufgenommen, das heißt, die Stimme ist schon aufgewärmt. Dabei hätte ich etwas zum Wärmen dabei. Ungewöhnlich bei dieser Podcast-Aufnahme ist vermutlich, dass du währenddessen etwas trinkst.
Verena: Genau, das mache ich in der Regel nicht. Wir nehmen meist so gegen 11 Uhr vormittags auf. Das ist nicht gerade die Zeit, in der ich mir erst mal eine Flasche Wein aufziehe.

Theresa: Das brechen wir heute. Ich habe etwas mitgebracht und das werde ich auch gleich mal einschenken. Ich bin sehr gespannt, weil du viele Themen besetzt, die für die Weinwelt doch noch weit weg sind. Die Themen Digitalisierung, Wirtschaft, Leadership, aber auch die Förderung von Frauen. Was man so liest oder hört, machst du immer 100 Sachen gleichzeitig. Wenn du drei Kernprojekte nennen müsstest, die am meisten Spaß machen und dich inspirieren, welche drei wären das? Und ich öffne währenddessen die Flasche. (Theresa öffnet eine Flasche, der Korken poppt)
Verena: Nummer eins ist der FC Viktoria Berlin, ein Fußballverein, den ich diesen Sommer mit fünf Co-Gründerinnen übernommen habe. Das ist ein Frauen-Regionalliga-Team, also dritte Liga, das wir in fünf Jahren in die erste Liga bringen wollen. Wir haben diesen Club einfach übernommen und gesagt: Das machen wir jetzt. Jeden Sonntag ist Spieltag und jeden Sonntag geht es um alles. Du merkst, wie mich das euphorisiert. Das ist auf jeden Fall aktuell »Love Project Number one«. Das zweite ist auf Instagram Verena’s Book Club. Den habe ich erst vor ein paar Wochen ins Leben gerufen, weil ich einfach leidenschaftlich gerne lese, seitdem ich Kind bin.

Theresa Olkus hat Verena Pausder zu Hause in Berlin besucht. Foto: Lucas Pretzel



Theresa: Das sieht man an deinem Bücherregal.
Verena: Immer wenn ein Buch fertig ist, denke ich: So, jetzt will ich aber gerne zwölf Leute einladen und mit denen darüber diskutieren. Es sind häufig Sachbücher und da möchte ich wissen: Was sagt ihr? Seht ihr das auch so? Bei Verenas Buchclub lesen wir Sachbücher zusammen und diskutieren einmal im Monat live auf Zoom. Das dritte Projekt ist mein Podcast »Fast & Curious«, den ich mit Lea-Sophie Cramer mache. Da senden wir seit März einmal die Woche und reden über Business-Themen – was Menschen bewegt, was wir bewirken können, wie Frauen sich mehr zutrauen, wie Männer Führung neu definieren. Ich denke, Podcast ist das Medium unserer Zeit.

Theresa: Absolut. Da hat man Platz. Natürlich habe ich lange überlegt, was ich zu unserem Podcast mitbringe, und habe mich auch erkundigt, was du gerne magst.
Verena: Sehr gut.

In Hamburg geboren, in Bielefeld aufgewachsen, in St. Gallen studiert, heute lebt Verena Pausder in Berlin. Foto: Lucas Pretzel



Theresa: Es kam raus, dass du gerne Crémant trinkst. Ich habe einen Schaumwein mitgebracht. Oft kommt der aus Frankreich. Dieser ist aber aus Rheinhessen. Er ist nämlich von einer Winzerin. Sie kommt auch aus einem Familienunternehmen. Es sind zwei Schwestern, sie haben den Betrieb vom Vater übernommen. Beide haben erst in Richtung Betriebswirtschaftslehre studiert und dann Weinbau. Sie haben einen Wein-Club an ihrer Uni gegründet und sie haben bei einem Buch mitgeschrieben. Wenn ihre Vita neben dem liegt, was ich über dich gelesen habe, dann gibt es da einige Parallelen.
Verena: Toll.

Theresa: Ich hoffe, dass er schmeckt (schenkt ein …), und natürlich habe ich gleich mal Sauerei gemacht.
Verena: (lacht) Das sind wir hier gewohnt, in einem Haus mit Kindern kleckert immer irgendwer.

Verena Pausder liebt Bücher. Vor allem Sachbücher haben es ihr angetan. Foto: Lucas Pretzel

Theresa: Du bist in Hamburg geboren, in Bielefeld aufgewachsen, hast in St. Gallen studiert und lebst jetzt in Berlin. Wo kommen bei dir am meisten Heimatgefühle hoch?
Verena: Bei den beiden großen Bs: Bielefeld und Berlin. Unser Familienunternehmen ist seit 300 Jahren in Bielefeld und wir produzieren da Textilien mit Herz, Seele, Leidenschaft und harter Arbeit. Bielefeld ist wahrscheinlich die am meisten unterschätzte Stadt Deutschlands. Es gibt so viel Mittelstand: Miele, Oetker, Seidensticker und andere große Namen. Das prägt diese Region. In der Stadt gibt es eine unglaubliche unternehmerische Leidenschaft und die erfasst mich immer, wenn ich die Stadtgrenze überquere. Das andere B, Berlin, ist so voller Aufbruch, die Stadt ist so unfertig und sagt mir: Mach es einfach. Es ist die perfekte Stadt für mich.

Theresa: Wo ist die Fallhöhe größer? Du kennst einerseits die Verantwortung, die man in einem Familienunternehmen spürt. Andererseits erfordert es natürlich auch sehr viel Mut, wenn man ins kalte Wasser springt und neu gründet.
Verena: Die Fallhöhe ist definitiv im Familienunternehmen höher. Du darfst auf keinen Fall die Generation sein, in der es zu Ende geht. Bei einem Start-up willst du auch nicht die Gründerin sein, die es nicht geschafft hat. Das ist dann aber nichts Endgültiges. Du versuchst es wieder. Im Familienunternehmen versuchst du es nicht wieder. Da musst du lernen, mit dem Druck umzugehen, und musst dich gleichzeitig ein Stück weit davon emanzipieren. Trotzdem ist der Mut, ein Start-up zu gründen, größer als der, Familienunternehmen zu übernehmen. Beim Gründen gibt es keinen Automatismus. Ein Start-up zu gründen, ist extrem mutig, vor allen Dingen, weil du noch nichts hast. Die Leute kennen dich noch nicht, man vertraut dir noch nicht. Deswegen bewundere ich jeden Gründer, jede Gründerin, die es wagt, weil es nicht der einfache Weg ist.

Verenas Lieblingsplatz an einem Freitagabend, perfekt mit einem Glas Schaumwein. Foto: Lucas Pretzel

Theresa: Zu welchen Anlässen trinkst du gerne Crémant? Braucht es einen Anlass?
Verena: Ja, braucht es. Einer ist, am Freitagabend mit meinem Mann auf dem Sofa zu sitzen. Ein weiterer Anlass ist, meine Freundinnen zu sehen. Das sollte jetzt wahrscheinlich keiner hören, aber ich kippe da dann noch irgendwelche Substanzen à la Aperol oder Holundersirup in den Crémant. Mein Freundeskreis macht sich oft über mich lustig im Sinne von: Gib mal Verena noch den Zucker rüber (lacht). Und der dritte Anlass ist, wenn es so richtig was zu feiern gibt.

Theresa: Gibt es auch noch andere Sachen, auf die du zurückblickst, was Learnings waren? Wenn ich eine Parallele zum Wein ziehe: Angenommen, man erntet die Trauben für diesen Sekt vor zehn Jahren. Es braucht dazu viel Handwerk. Dennoch kannst du ja erst, wenn du zehn Jahre später probierst, sagen, was man heute anders machen würde. Früher ernten, später ernten. Dieser Lernprozess erfolgt erst viel später. Gibt es Learnings, von denen du sagst, auf die blickst du besonders zurück?
Verena: Also, wenn ich das so höre, muss ich an einen Spruch meines Großvaters denken, den er mir mitgegeben hat und der so über allem steht. Und das ist: »Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.« Und das ist so etwas wie das, was du gerade beschreibst. Ganz viele Dinge in meinem Leben sind passiert, die zum jeweiligen Zeitpunkt keinen Sinn gemacht haben. Warum musste ich mit 25 Jahren ein Start-up nicht hinkriegen und insolvent gehen? Warum musste meine erste Ehe scheitern? Wofür? Das macht in den Momenten ziemlich wenig Sinn. Du lebst weiter und irgendwann blickst du zurück und sagst: Ach so, deswegen.

Theresa: Stimmt. Dann sind solche Dinge auch leichter zu akzeptieren. Wie schmeckt dir der Sekt?
Verena: Er schmeckt mir sehr gut. Ich weiß nicht, ob er vollmundig oder sonst was ist, aber er schmeckt.

Theresa: Am Ende soll es schmecken und es muss in die Situation passen, es muss irgendwie in der richtigen Gesellschaft sein.
Verena: Das ist wahrscheinlich sogar in vielen Fällen der Schlüssel. Manchmal denke ich in einer geselligen Runde, wenn ein teurer Rotwein geöffnet wird: Was wäre, wenn ich den Wein in der Küche ausgetauscht hätte? Ihr sitzt hier gerade so nett zusammen. Ist der Wein dann nicht egal? Nicht was den Geschmack angeht, aber manchmal ist es einfach der glückliche Moment, den man mit dem Wein krönt. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit dem Wein zu tun, auch wenn das Weinkenner sicherlich ganz anders sehen würden.

Theresa: Am Ende ist „teuer” eben keine gute Geschmacksbeschreibung. Liebe Verena, vielen Dank für deine Zeit.
Verena: Danke dir, es hat großen Spaß gemacht.

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