Auf ein Glas Wein mit Wotan Wilke Möhring

Nicht jeder Schauspieler bekommt die Gelegenheit, eines seiner Kindheitsidole zu verkörpern. Wotan Wilke Möhring schon. Er durfte Karl May bzw. Old Shatterhand spielen. Daneben kennt man ihn natürlich als Hamburger Tatort-Kommissar Thorsten Falke und aus diversen Kinoproduktionen. Welche seiner vielen Rollen ihn heute noch begleiten, hat er Theresa Olkus in Köln bei einem Glas Riesling erzählt.

Foto: Felix Hartmann

Theresa: Wotan, zu Beginn frage ich meine Gäste immer, was ihr letztes Glas Wein war, das sie getrunken haben.
Wotan: Was war mein letztes Glas Wein? (überlegt) In Spanien, wo ich gerade im Urlaub war. Da war mein letztes Glas Wein. Rotwein. Ich weiß gar nicht mehr, welcher es war.

Theresa: Wichtig ist, dass er geschmeckt hat.
Wotan: Das hat er. Ich weiß noch, dass ich eine Art Streitgespräch geführt habe, darüber, ob man den Wein kühlen darf oder nicht. Denn ein Freund, der mit dabei war, der hat den Rotwein aus dem Eisfach geholt, was ich komisch fand.

Theresa: Bei heißen Temperaturen darf man das.
Wotan: Ja, das darf man machen. Er fing dann allerdings auch an, Eiswürfel in den Wein zu tun, das fand ich ein bisschen ulkig, eine amerikanische Unkultur, aber da kenne ich mich auch zu wenig aus.

Theresa: Ich habe auf jeden Fall einen Weißwein mitgebracht, der dir hoffentlich schmecken wird. Trinkst du gerne Riesling?
Wotan: Also ich bin nicht der tägliche Weintrinker. Wein ist für mich eher etwas Besonderes. Ein gepflegtes Glas Wein zu trinken mit drei oder vier Kindern um einen herum, das ist nicht so einfach.

Wotan Wilke Möhring kennen die meisten wohl als Tatort-Kommissar Falke. Dessen Lieblingsgetränk ist bekanntlich Milch. Wir haben den Schauspieler auf ein Glas Riesling getroffen. Foto: Felix Hartmann


Theresa: Ich mach parallel schon mal die Flasche auf, und wir probieren. Einen Wein legt man manchmal weg, um ihn dann Jahre später zu trinken. Gibt es andere Sachen, die du lange Zeit aufhebst?

Wotan: Es gibt bestimmte Kleidungsstücke, die mir etwas bedeuten, zum Beispiel mein erstes T-Shirt von der Bundeswehr, wo ich Fallschirmjäger war. Die ersten Klamotten meiner Kinder habe ich aufgehoben. Solche Sachen.

Theresa: Gab es auch schon irgendetwas, was man eigentlich nicht hätte wegwerfen sollen?
Wotan: Ich überlege. Nein, tatsächlich nicht. Ich glaube, man wirft eher zu wenig weg. Es ist trotzdem schön, wenn man die Möglichkeit hat, Dinge aufzuheben. Ich habe eine alte Kiste von früher. Da entdeckt man jetzt auch mit den Kindern zusammen wieder uralte Sachen, Liebesbriefe und so. Es ist schon toll, wenn man Sachen aufheben kann, denn sie können einen zurückversetzen.

Theresa: Das Schöne daran ist, dass es einfach etwas Haptisches ist. Wenn ich überlege, man hat auch gefühlt 4000 Fotos auf dem Handy.
Wotan: Die man nie wieder anguckt, nie wieder.

Theresa: Wenn man sich die vielen Stationen in deinem Leben anschaut. Deine Erinnerungen sind schon viel gereist. Denn da hast Du schon in den USA gelebt, genauer in New York. Und jetzt: Köln. Was sammelt man alles auf diesen Reisen, und wie ist es dann, in Köln zu sein nach diesen riesigen amerikanischen Städten?
Wotan: Es waren nicht nur die amerikanischen Städte. Ich habe auch eine Weltreise gemacht, ich war drei Monate in Neuseeland. Ich habe grundsätzlich immer mehr Fernweh als Heimweh gehabt. In Köln bin ich nun nur wegen der Kinder. Grundsätzlich habe ich keine Gegend, zu der ich sagen würde: Da gehöre ich hin.

Wotan und Theresa trafen sich in Kölner wineBANK, ein El Dorado für Weinbegeisterte. Nur wer Mitglied ist, kommt rein. Foto: Felix Hartmann


Theresa: Diese ganzen Stationen haben dich wahrscheinlich auch sehr gut auf all die Rollen vorbereitet, die da kamen, und vielleicht auf die eine, zu der wir jetzt kommen. Ich habe nämlich ein passendes Weingut ausgewählt. Wenn wir jetzt hier in Köln in den Rhein springen würden und einfach mal Richtung Rheinland-Pfalz und dann von Mainz aus Richtung Worms fahren, kommt irgendwann Osthofen. Das Weingut dort wird von zwei Brüdern geleitet, zwei echten Blutsbrüdern. Die machen einen Riesling, und ich dachte, das passt heute ganz gut. (Theresa schenkt ein und reicht Wotan ein Glas) Jetzt schauen wir mal, wie er schmeckt. Prost. (beide trinken)

Wotan: Oh, der ist gut.

Theresa: Dann bin ich schon mal happy. Wie war das mit dem Winnetou-Remake?
Wotan: Ich glaube, fünf Jahre ist das nun her. Ich habe erst gestern lange mit Nik Xhelilaj gesprochen, der den Winnetou gespielt hat und tatsächlich mein Seelenbruder geworden ist. Der Winnetou-Film ist eines von drei Projekten, das mir am meisten bedeuten.

Theresa: Warum?
Wotan: Erst einmal durfte ich eines meiner eigenen Kindheitsidole darstellen. Ich habe die ganzen Pierre-Brice-Filme aufgesogen. Ich war bei den Karl-May-Festspielen in Elspe zu Besuch. Und außerdem ist es etwas Besonderes, einen historischen Film, einen Western angeboten zu bekommen. So etwas kriegst du in Deutschland eigentlich nicht. Der Dreh ging dann ganze 90 Tage am Stück. Ich weiß noch, wir haben im Frühjahr in den Bergen von Kroatien mit den Dreharbeiten angefangen. Wir hatten Winterfelljacke an. Bevor wir drehen konnten, mussten welche aus dem Team vorangehen und mit Knallern werfen, damit die Bären vertrieben werden. Es gab diese heftigen Bora-Winde, die alles am Set zerstört haben und die Dreharbeiten zehn Tage pausiert werden mussten. Und ich hatte da meine erste Begegnung mit Wildpferden, die zweimal am Tag durchgaloppiert sind und die uns tatsächlich angegriffen haben. Abends fährt man von den Bergen runter, und unten liegen alle am Pool bei 30 Grad.

Winnetou ist Wotans großes Kindheitsidol – daher war es für ihn eine große Ehre, ihn im Remake zu verkörpern. Foto: Felix Hartmann


Theresa: Wie ist das, wenn man mit so einer Figur zusammenwächst? Ist sie auch noch danach länger ein Teil von einem?

Wotan: Ja, es ist interessant. Bei meinem ersten Film „Hat er Arbeit?“ habe ich den frisch entlassenen jungen Werftarbeiter Karl Hansen gespielt. Wenn ich heute von Berlin zum Beispiel nach Hamburg fahre, komme ich an der Stadt vorbei, in der wir gedreht haben, und dann denke ich jedes Mal: Was macht Karl wohl gerade? Auch Tatort-Kommissar Falke ist eine Art Alter Ego geworden.

Theresa: Du meinst also, dass die Figuren, die du gespielt hast, jetzt ein Teil von dir sind, denen man irgendwann später wieder begegnet?
Wotan: Ja, genau. Wenn ich da also vorbeifahre, dann denke ich, was hätte der jetzt gemacht? Es ist dann tatsächlich so, dass diese Personen Teil von einem werden, denn sie sind ja auch ein Teil von dir, die Figur gibt es nicht ohne dich. Man braucht immer einen Zugang zu einer Figur, der einen mit ihr verbindet. Man braucht irgendein Verständnis der Situation, aus der sie handelt, die Moral, das Anliegen, die Motivation. Du brauchst einfach einen Bezug. Das kann auch einfach die grundmoralische Einstellung sein, das Böse nicht entkommen zu lassen, wie bei Tatort-Kommissar Falke zum Beispiel.

Theresa: Jetzt gibt es viele Dinge, die du in deinem Leben gemacht hast. Du warst Elektriker, Musiker, Clubbesitzer, Türsteher, Model, du warst Student, du warst Fallschirmjäger und so weiter. Ist es einfacher, sich in eine Rolle einzufühlen, je mehr Berufe und Phasen man als Schauspieler durchlebt hat?
Wotan: Ja. Ich selbst habe damals keine traditionelle Schauspielausbildung machen können, weil ich mit 33 zu alt war, um mich bewerben zu dürfen. Und tatsächlich ist es so, dass man in der Schauspielschule lernt, mit Vorstellungskraft und Bildern zu arbeiten. Viele dieser Bilder habe ich selbst erlebt, oder sie befähigen mich zumindest dazu, mir Dinge vorzustellen, die ich noch nicht erlebt habe.

Theresa: Also bereust du nicht, dass du das nicht professionell gelernt hast?
Wotan: Wenn ich sehe, was andere damit machen? Nein. (lacht)

Theresa: Das braucht es ja offenbar auch nicht, wenn man das im echten Leben lernen kann.
Wotan: Ich glaube an das Prinzip der Ausbildung. Ich persönlich wollte aber immer Filme machen. Ich wollte nicht ans Theater und Bühnenfechten und Texte rezitieren. Das ist nicht meine Welt. Theater war mal dafür gedacht, das Volk zu unterhalten. Da aber in der Kultur am meisten gespart wird, fällt das heute schwerer. Das finde ich traurig.

Theresa: Lass uns noch einmal zum Thema Wein zurückkommen.
Wotan: Der wirklich lecker ist.

Theresa (lacht): Das freut mich. Was sind denn so die Anlässe, zu denen du gerne Wein trinkst? Gibt es die?
Wotan: Es kommt immer auf die Situation an. Ich trinke eher Weißwein. Rotwein passt eher zu einem Essen. Rotwein hat für mein Empfinden eine andere Kultur, wie soll ich das sagen, er ist tiefer, blutiger, erdiger.

Lieber weiß als rot und auch nicht jeden Tag. Wein trinkt Wotan Wilke Möhring eher zu besonderen Anlässen. Foto: Felix Hartmann


Theresa: Er kommt einem so ehrlich vor.

Wotan: Das auch. Aber ehrlich gesagt auch alt im Sinne von „lange her“, auf jeden Fall etwas mit einer großen Kultur. Rotwein trinke ich gerne mal zum Essen, zu einem Stück Fleisch zum Beispiel. Für Nebenbei oder zum Runterkommen wäre es aber nicht so mein Ding. Weißwein passt dagegen eher zu einem guten Gespräch.

Theresa: Und es gibt keinen besonderen Anlass, zu dem du traditionell einen Wein trinkst?
Wotan: Doch. Immer an Weihnachten, immer an Silvester. Ich habe tatsächlich Weine zu Hause, die richtig teuer sind. Ich habe zwei oder drei Flaschen, die mir heilig sind, weil ich sie von jemandem bekommen habe oder sie mich an etwas erinnern. Es gab eine Situation, in der hat irgendjemand die bei mir im Keller einmal aufgemacht. Da dachte ich: Warum ärgere ich mich, es ist ja nur Wein. Doch ich fand das übergriffig. Es gibt auch ein paar Flaschen, die ich aufhebe, weil sie mir etwas bedeuten oder ich bestimmte Situationen damit verbinde.

Theresa: Wann werden die aufgemacht?
Wotan: Wahrscheinlich gar nicht, denn die Weine sind wahrscheinlich schon gar nicht mehr gut.

Theresa: Das ist das Schlechteste. Man darf die Flaschen nicht zu lange liegen lassen, bis man sie dann nicht mehr trinkt.

Wotan: Ja. Ich glaube aber, dass, wenn man sie getrunken hat, passiert etwas mit der Erinnerung. Dann ist die weg, oder sie ist leer. Aber ja, irgendwann muss man sie trinken.

Theresa: Du bist, was du isst, du bist, was du trinkst, du bist, was du drehst. Darauf trinken wir noch einmal, und vielen lieben Dank, dass wir uns heute treffen konnten.
Wotan: Sehr gerne.

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