»Für mich gibt es das Wort ›Glück‹ nicht«

Anselm Kiefer zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Welt – und zu den geheimnisvollsten. Mit dem SZ-Magazin spricht er über die Schönheit von Ruinen und den unschätzbaren Wert von Fehlern.

Anselm Kiefer, 76 Jahre alt, raucht auch beim Malen Zigarren. Früher, sagt er, waren es bis zu 20 am Tag, heute um die fünf.

Foto: Paolo Pellegrin/Magnum Photos/Agentur Focus

SZ-Magazin: Der Hollywood-Schauspieler Sylvester Stallone klagte 2010 in einem Interview mit der SZ, ein von ihm erworbenes Kiefer-Bild löse sich auf: »Ich habe dafür 1,7 Millionen Dollar bezahlt! Es war Stroh drauf. Kiefer hat das Stroh mit Klebstoff befestigt. Zu Hause denke ich: Scheiße, was liegt da unterm Bild? Stroh. Jeden Tag ein neuer Halm. Ich rufe den Händler an und sage: ›Der Kiefer haart.‹ Sagt der Händler: ›Mister Stallone, das muss so sein, das Bild geht durch eine Entwicklung, das Bild lebt.‹ Ich dachte, ich werd’ ­verrückt. 1,7 Millionen Dollar! Ich hab’ die Halme wieder drangeklebt. Jeden Tag lag ein Halm unten, ich hin, Klebstoff, Halm wieder dran. Ich hab’s nicht eingesehen.« Was hätten Sie ­Stallone ­geraten?
Anselm Kiefer: Dass er das Stroh wieder drankleben soll. Aber ehrlich gesagt ist das nicht wichtig. Da ist bestimmt genügend Stroh drauf. Da kann ruhig ein bisschen was runterfallen. Wenn er die Halme nicht selbst wieder ankleben will, soll er das Bild zu mir zurückschicken. Dann mache ich es. Ich hatte in den Achtzigerjahren in den USA eine Ausstellung, die durch vier Museen ging. Da war immer ein Konservator dabei. Zum Schluss gab er mir eine große Zigarrenkiste mit allen Teilen, die er vom Boden aufgelesen hatte. Fand ich wunderbar.