Folge 15: Das Reh tut weh

Fernsehen macht traurig. Der absolute Tiefpunkt: die Übertragung der Bambi-Verleihung.

Es gab Zeiten, da muss das deutsche Fernsehen faszinierend gewesen sein. Zum Beispiel als es zum ersten Mal auf Sendung ging. Oder nach der Erfindung des Farbfernsehens. Dann gab es noch eine Phase, zu Beginn der sogenannten Nullerjahre, da hat man interessiert zugeschaut, was da passiert auf der Mattscheibe. Das ist vorbei, tiefste Vergangenheit. Und wer daran noch einen Zweifel hatte, den hat der gestrige Abend kuriert.

Es war der Abend der Bambi-Verleihung, nun zum 60sten Mal, es traf sich die Film- und Fernsehgesellschaft Deutschlands, neben Til Schweiger bestehend aus Kai Pflaume und Franjo Pooth. Es war ein trauriger Abend, der nicht einmal dazu taugte, grässlich zu sein. Das Traurigste war Harald Schmidt, der als Moderator durch die zähen Stunden führte. Schmidts Arbeitsplatz ist ja eigentlich recht eindeutig beschrieben: später Donnerstagabend, eine halbe Stunde, gemeinsam mit Oliver Pocher. Doch will man ihn da mal sehen, macht er gerade Pause. Sommerpause, Winterpause, kleine Pause, große Pause. Stattdessen taucht Schmidt bei Galas oder auf Rheinschiffen auf. Das war eine Zeitlang in Ordnung; weil man es als Anarchie deuten konnte, führt doch der Weg zur Revolution durch die Institution.

Doch das Anarchische, das einen einmal begeistert hat, ist längst dem Bräsigen gewichen. Auf die Vergötterung folgt die Vergottschalkung. Zwischenzeitlich – schlimmer Gedanke – hätte man sich gestern sogar tatsächlich Gottschalk als Moderator gewünscht. Bei dem ist das Potenzial wenigstens klar definiert, es kann keine Enttäuschung geben. Doch es war Schmidt, der sich durch den Abend hangelte, er wirkte wach, seine Späße aber müde, da agierte jemand am Rande seiner Möglichkeiten. Früher lachte Schmidts Publikum nicht, weil seine Anspielungen gegen alle Konventionen verstießen. Gestern waren selbst Jan Fedder und Sabine Christiansen von seinem Witz unterfordert.

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Für einen Lichtblick sorgte ausgerechnet Stefan Raab, einst für Schmidt keinerlei Konkurrenz, der als bester Entertainer ausgezeichnet wurde. Anders als kürzlich Marcel Reich-Ranicki, so Raab, werde er den Preis annehmen. Er sei stolz, in einer Reihe mit Ilona Christen und Margarethe Schreinemakers zu stehen. Und als er sich schließlich bei Uschi Glas mit den Worten "Danke, Mama" bedankte, war das komisch. Raab schaffte, was früher Schmidt auszeichnete: Das System Fernsehen aus dem System Fernsehen heraus in Frage zu stellen.

Mehr wurde an diesem Abend nicht gewagt, man wünschte sich wenigstens einen Frank Schirrmacher, der im vergangenen Jahr in einer grotesken Geste Tom Cruise für seinen Mut dankte – den Mut, für eine Millionengage einen deutschen Soldaten namens Stauffenberg zu spielen. Aber die einzige Groteske blieb, dass Tagesthemenmoderator Tom Buhrow offenbar wirklich gehofft hatte, Nachrichtenmann des Jahres zu werden.
Müde hing die deutsche Film- und Fernsehgesellschaft also in ihren Stühlen. Stehende Ovationen gab es nur für ausländische Stars wie Meg Ryan. So als wüsste man um die eigene Zweitklassigkeit.

Wie erdrückend diese Stimmung sein kann, zeigte der Auftritt von Karoline Herfurth, die die Laudatio auf Keanu Reeves hielt. Eine gute, ambitionierte Schauspielerin, die sich nicht zu schade dafür war, den US-Star mit platten Formulierungen wie „faszinierende Persönlichkeit“ und „geheimnisvolle Aura“ zu überschütten. Die deutsche Film- und Fernsehgesellschaft hat brillant gezeigt, wie sehr man unter seinen Möglichkeiten bleiben kann.

P.S.: Schmidt-Pocher fand am späteren Abend nicht statt. Es war nicht schade.