Mit unfreundlichen Grüßen

Im turbulenten US-Wahlkampf wird der Hitlergruß auf einmal wieder salonfähig. Unsere Autorin ist ratlos: Wie konnte das passieren?

Anti-Trump-Demonstranten am 21. März in Washington, D.C.

Das letzte Mal sah ich einen Hitlergruß, als ich vor 20 Jahren für die Süddeutsche Zeitung über Rechtsradikale in Ostdeutschland berichtete. Selbst damals zuckte der Neonazi zusammen, als ihn ein Kamerad auf die Anwesenheit der Reporterin aufmerksam machte, und der Arm war in Sekundenschnelle wieder unten.

Hier, in Amerika, wird er wieder öfter gehoben. Nicht verschämt, sondern ganz offen, direkt in die Kameras. Ist ja in Amerika nicht verboten.

In dieser Amerika-Kolumne geht es um Phänomene, die es in Deutschland so nicht gibt. Den Hitlergruß gibt es in Deutschland nur in Hinterzimmern. Bei Rechtsradikalen. Am extremen Rand der Pegida-Gesellschaft. Den Hitlergruß wählt ein Terrorist wie Anders Breivik vor dem Gericht in Norwegen, um maximal zu provozieren. Eine größere Provokation als den Hitlergruß gibt es für mich als Deutsche nicht. Weil er eine Hommage an eine Diktatur ist, die Millionen Menschen das Leben gekostet hat.

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Aber derzeit vergeht kaum eine Kundgebung für den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, ohne dass irgendein Idiot den rechten Arm streckt. In Chicago zeigte eine Anhängerin in Trump-Shirt den Hitler-Gruß direkt in die Kameras (und ruderte nach ihrer Identifizierung zurück, das sei nicht so gemeint gewesen). In Tucson war es eine Protestierende im Ku-Klux-Klan-Kostüm. Und Trump selbst ruft neuerdings seine Anhänger dazu auf, die rechte Hand zum Salut zu heben, wenn sie ihm ihre Treue schwören. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. »Das ist doch lächerlich«, sagte Trump, als er in der Today Show auf das historische Vorbild angesprochen wurde, »ehrlich, bis zu diesem Gespräch wusste ich nicht, dass es da ein Problem gibt. Ich bin überrascht. Wir haben doch einfach nur Spaß.«

Die Hitler-Vergleiche kommen nicht aus dem Nirgendwo und liegen nicht nur an Trumps hasserfüllter Rhetorik. Seine Ex-Frau Ivana hat über Trump erzählt, er lese immer wieder Hitlers gesammelte Reden. Und dass einer seiner Mitarbeiter die Hacken zusammenschlage, wenn er Trumps Büro betritt, und mit Heil Hitler grüße, vielleicht als Anspielung auf Trumps deutsche Vorfahren.

»Eine Weile war es lustig«, findet der Komiker Louis C.K. angesichts von Trumps Brachial-Parolen, »aber der Typ ist Hitler. Und wir sind Deutschland in den Dreißigerjahren.« Die Daily News schrie es von der Titelseite: »Trump ist Hitler«. Auch der frühere mexikanische Präsident Vicente Fox sagte, der führende republikanische Kandidat erinnere ihn an Hitler. Und sogar Anne Franks Stiefschwester beschuldige Trump, »wie ein neuer Hitler zu handeln.«

Nach dem Politikberater Mike Godwin ist »Godwins Gesetz« benannt, das lautet: je erhitzter eine Diskussion, desto wahrscheinlicher, dass ein Hitler-Vergleich ins Spiel gebracht wird. »Klar, ihr könnt Trump einen Nazi nennen. Aber stellt doch bitte erstmal sicher, dass ihr wisst, worüber ihr redet«, schrieb Godwin in der Washington Post. »Ich persönlich glaube nicht, dass jede vernünftige Diskussion endet, wenn man die Nazis oder den Holocaust ins Spiel bringt. Aber der beste Weg, künftige Holocausts zu vermeiden ist nicht, Holocaust-Vergleiche zu verbieten, sondern sicher zu stellen, dass diese Vergleiche bedeutungs- und gehaltvoll sind.«

Mit Geschichtsverständnis haben die Schlagzeilen nicht unbedingt etwas zu tun: Der Hitler-Vergleich ist der Rhetorik-Gau, die größte anzunehmende Unflätigkeit, die ein politischer Gegner vorbringen kann. Es ist die Hitze des Wahlkampfs, die den Hitler rausschwitzt. So war es übrigens auch schon im letzten Wahlkampf: Weil Obama die Gesundheitsreform durchsetzte, verglichen seine Gegner ihn gleichzeitig mit Hitler und Stalin. Ich fand es surreal, mit meinen Brötchen aus einem ganz normalen Supermarkt zu kommen und direkt beim Ausgang einem lebensgroßen Papp-Hitler in die Arme zu laufen. »Obama will deine Oma umbringen«, stand dabei.

Die ewigen Vergleiche werden nun sogar Hitler zuviel. Um sich von Trump zu distanzieren, tauchte er neulich in der Inkarnation der amerikanischen Komikerin Sarah Silverman bei Conan O'Brien in dessen Late Show auf, komplett mit Uniform, Schnurrbart und Hakenkreuz-Armbinde. »Versteh mich nicht falsch«, bellte Silverman-Hitler, »Ich bin mit dem, was dieser Typ Trump sagt, zu 90 Prozent einverstanden. Der Mann kapiert's. Aber wie er es sagt, das ist krass.«

Foto: Getty Images / Gabriella Demczuk