Der undurchsichtige Commander

Ein libyscher Warlord bekämpft Schleuser, die Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa bringen wollen. Er sieht sich als Wohltäter. Aber seine Motive sind rätselhaft.

    Spielt er ein Doppelspiel? Warlord Abdurahman Salem Ibrahim Milad, genannt Al Bija, auf einem seiner Pferde.

    Wenn unser Autor Michael Obert sich von einer Reportagereise zurückmeldet, sind wir in der Redaktion des SZ-Magazins jedes Mal erleichtert. So war es, als er aus Mogadischu wiederkehrte, aus dem Sinai, aus Tansania, aus dem Sudan; er gerät immer wieder in Gefahr, wenn er über Menschenhändler, Mörder und Kriegstreiber berichtet.

    Seine neue Reportage beginnt mit der Mündung eines Maschinengewehrs, aus dem Schüsse auf das Boot krachen, auf dem sich Obert und der Fotograf Moises Saman befinden. Sie begleiten einen Warlord namens Al Bija, von dem es mindestens zwei Versionen gibt: Al Bija sagt über Al Bija, er sei ein Retter der Flüchtlinge und ein Feind der Schleuser: Er erlöse Menschen, die auf viel zu kleinen Schlauchbooten in Seenot geraten sind, und bekämpfe den Menschenhandel von Afrika nach Europa.

    Manche Journalisten aber sehen Al Bija als Komplizen der Menschenschmuggler – und in den Kampf ziehe Commander Al Bija nur gegen jene Schleuser, die ihm keinen Anteil zahlen.

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    Klar ist, dass dieser junge Mann als libysche Küstenwache fungiert: Zwischen der Grenze zu Tunesien und der libyschen Hauptstadt Tripolis quert er die See und hält Ausschau nach Flüchtlingsbooten und den Schleppern, die sie eskortieren.

    Libyen ist das wichtigste Transitland für afrikanische Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa. Die Staats- und Regierungschefs der EU trafen im Februar 2017 eine Vereinbarung mit Libyen: Die libysche Küstenwache soll das Mittelmeer abriegeln, Flüchtende abfangen und in Aufnahmelager in Libyen bringen. Das tut Al Bija – mit einem Boot und 37 Mann. Aber sollte die EU jemanden wie ihn indirekt unterstützen?

    Michael Obert beschreibt den undurchsichtigen Commander, und er erhält auch Zugang zu libyschen Aufnahmelagern – in denen er Menschen antrifft, die unter schrecklichen Bedingungen darauf warten müssen, in ihr Herkunftsland zurückgezwungen zu werden.

    Die Schüsse, die Obert zu Beginn seiner Reportage schildert, stammen von einem Schleuserboot. Al Bija und seine Männer feuern zurück. Es gibt Tote. Obert und Saman überleben.

    Lesen Sie die Reportage jetzt mit SZ Plus:

    Die Menschenfänger

    Hunderttausende Flüchtlinge wollen aus Libyen nach Europa gelangen - ein Milliardengeschäft für Schlepperbanden. Ein lokaler Warlord hat den Schleusern den Kampf angesagt: mit einem Boot, 37 Mann und undurchsichtigen Motiven

    Foto: Moises Saman/Magnum Photos/Agentur Focus